Hat es Ferrari dieses Jahr übertrieben? Lauda: "Die träumen ja"

, 02.05.2016

Fluch? Pech? Unvermögen? Ferrari steckt nach vier Rennen in der Krise: Wieso diese laut Niki Lauda hausgemacht ist und wer schuld an Vettels Pannenstart ist

Lastet auf Ferrari ein Fluch? Seit der Weiß-Anteil beim roten Boliden deutlich angestiegen ist, kriselt es bei der Scuderia. Sebastian Vettel hat nach vier Rennen, zwei Ausfällen und technischen Problemen nur ein Drittel der Punkte von WM-Leader Nico Rosberg. Erinnerungen an die Pannensaison 1993, als der Ferrari zuletzt in der untypischen Farbe lackiert wurde, werden wach. Und Teamchef Maurizio Arrivabene flüchtet sich anhand der stark reduzierten Titelchancen in Galgenhumor: "Mit einem großen Vorsprung holen wir den Titel dieses Jahr nicht mehr."

Der Italiener überraschte in Russland ebenfalls, als er die Schuld für den Pannenauftakt auf sich nahm: "Wir riskieren gerade eine Menge. Vielleicht zu viel, denn im Winter war uns Performance wichtiger als Zuverlässigkeit - und das ist meine Schuld."

Ferrari ließ im Winter keinen Bereich des Autos unangetastet, um Mercedes 2016 auf Augenhöhe zu begegnen. Ein Schuss, der bislang nach hinten losging, im Vorjahr hatte Vettel zu diesem Zeitpunkt 65 Punkte auf dem Konto, jetzt sind es nur 33. Und der Druck wird mit jeder weiteren Niederlage unerträglicher, was die Erfolgsaussichten nicht gerade verbessert.

Arrivabenes Schuldeingeständnis: Freispruch durch Lauda und Vettel

Arrivabenes leidgeprüfter Pilot spricht den Teamchef gegenüber 'Sky.de' von der Schuld frei. "Es zeichnet ihn aus, dass er das Team schützt, aber wir gehen da gemeinsam durch, denn nach dem tollen Jahr 2015 sind wir alle hungrig und wollen die Spitze angreifen."

Und auch der Aufsichtsratsvorsitzende von Mercedes, Niki Lauda, sieht keine Verfehlungen beim Ferrari-Teamchef: "Er ist natürlich nicht schuld, weil er ja nicht die technische Verantwortung trägt. Er ist der Teamleader. Die Techniker, die da einen Weg gehen über die Grenzen hinaus, tragen die Hauptschuld." Geht es nach Lauda, muss also Technikchef James Allison den Kopf hinhalten.

Nach den Motorproblemen bei den Tests streikte bei Kimi Räikkönen in Melbourne der Turbo, Vettel fiel in der Aufwärmrunde von Bahrain ebenfalls mit einem Motorplatzer aus. Nach der unglücklichen Stallkollision in China blieb Vettel im Freitag-Training von Sotschi mit einem Elektrikdefekt stehen, außerdem musste als Folgeschaden des China-Zwischenfalls das Getriebe gewechselt werden.

Der Grund für die Ferrari-Probleme

"Ferrari riskiert im Moment alles, damit sie Mercedes einholen", weiß Lauda. Das liege daran, dass die Silberpfeile je nach Strecke "vier Zehntel schneller" sind. "Die träumen ja manchmal, dass es jetzt ruck-zuck nach vorne geht", wundert sich der Österreicher.

Ferrari-Chefingenieur Jock Clear, früher bei Mercedes, bestätigt Laudas Eindruck gegenüber 'RTL', als er auf die Defekte angesprochen wird: "Das passiert, wenn man einen Gegner wie Mercedes hat. Dann muss man pushen. Natürlich kann man konservativer und vorsichtiger rangehen, aber dann bist du am Ende nicht voran."

Auch Teamchef Arrivabene glaubt nicht an Pech als Grund für die Pannen: "Dahinter steht immer der Fehler eines Menschen. Ich habe diese Probleme lieber jetzt als später in der Saison. Aber wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht noch einmal passieren." Vettel sieht dies ähnlich: "Wenn das passiert, läuft irgendwas schief."

Zerbricht Ferrari an der Erwartungshaltung?

Durch das Motorenupdate in Russland, das endlich das Potenzial der neuen Antriebseinheit freimachen sollte, hat Vettel bereits den dritten von fünf erlaubten Motoren im Auto. Später in der Saison drohen daher auch noch Gridstrafen. "Da bin ich auch gespannt, wie sie dieses Problem lösen werden", sagt Lauda gegenüber 'Sky.de'. Der Ex-Weltmeister kann beruhigt zusehen, wie der Hochdruck im Ferrari-Kochtopf immer weiter ansteigt.

"Boss Sergio Marchionne baut den Druck auf, Arrivabene muss das irgendwie abwehren, der hat im Moment den härtesten Job", zeigt er Mitgefühl mit dem ehemaligen Philip-Morris-Manager, dessen Team laut Wunsch des Bosses bis zum Saisonende um den Titel kämpfen muss.

Laut Vettel entspricht sein Team trotz des Fehlstarts diesen Erwartungen. "Wir holen vielleicht keine Siege, aber wir kämpfen auf jeden Fall um die WM mit", sagt der viermalige Weltmeister gegenüber 'Sky.de'. "Ich glaube nicht, dass wir schon aus dem Rennen sind." Trotz der mageren Punkteausbeute habe man "einen Schritt nach vorne gemacht, denn das Auto fühlt sich besser an als im Vorjahr".

In Sotschi unter ferner liefen: Ungünstiger Boden

Außerdem wisse er im Gegensatz zur Öffentlichkeit, wie in Maranello entwickelt wird. Deswegen bleibe er trotz der angespannten Lage ruhig: "Wir sind auf dem richtigen Weg, auch wenn sich das in den Abständen und Ergebnissen noch nicht zeigt."

Tatsächlich sah Ferrari in Russland gegen Mercedes kein Land: Alleine im Qualifying lag man fast eine Sekunde hinter den Silberpfeilen, im Rennen fuhren Sieger Nico Rosberg und Lewis Hamilton ebenfalls in einer anderen Liga als Kimi Räikkönen, der sich als Dritter auf das Podest rettete. Der Rückstand scheint eher anzuwachsen als kleiner zu werden.

"Bislang hatten wir dieses Jahr noch kein sauberes Wochenende, und wir wissen, dass ein paar Verbesserungen kommen", rettet sich auch der Finne in Durchhalteparolen. Und Teamchef Arrivabene erklärt die Sotschi-Schlappe mit der Charakteristik des Kurses. "Auf dieser Strecke hatten wir das erwartet. Ich möchte aber nicht, dass das noch einmal passiert", ermahnt der Italiener seinen geprügelten Rennstall. "Wir dürfen auf unserer Seite keine Fehler mehr machen."

Droht Vettel die nächste Gridstrafe?

Tatsächlich ist der Sochi International Circuit mit seinem glatten Asphalt für Ferrari ein schwieriger Boden, weil der SF16-H wie seine Vorgänger die Reifen schont und diese dementsprechend nicht auf Temperatur bringt. "Es kommen jetzt Strecken, die uns besser liegen", ist Arrivabene sicher.

Wenn dann nicht bereits der nächste Dämpfer droht: Nach Vettels Russland-Ausfall, der auf die Kappe von Daniil Kwjat geht, könnte bereits das nächste Getriebe beschädigt sein. "Der Einschlag war ziemlich hart, vor allem von hinten, aber auch in die Mauer", kann auch Arrivabene eine weiter Gridstrafe nicht ausschließen. "Es ist wie beim letzten Mal: Solange du nicht alle Teile genau inspiziert hast, lässt sich das nicht sagen. Das Auto sieht stark beschädigt aus."

Trotz der schwindenden Titelchancen will Arrivabene die WM noch nicht ad acta legen: "Ich möchte nicht, dass das Team aufgibt. Wir haben noch 17 Rennen vor uns. Uns war klar, dass wir hier nicht im Kindergarten sind. Diese heftige Herausforderung ist was für Erwachsene."

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