Schweigen ist Rosberg, aber "Hamilton hat Recht"

, 27.07.2014

Die Mercedes-Bosse stehen zu Hamilton, der eine "Panikentscheidung" missachtete: Den Ungarn-Sieg verloren hatte sein Stallgefährte schon im Safety-Car-Chaos

Da soll noch jemand behaupten, die Formel 1 sei langweilig geworden: Nachdem zu Beginn des Ungarn-Grand-Prix am Sonntag alles danach aussah, als würde Nico Rosberg mit dem silbernen Wunderauto die nächste Spazierfahrt zum Ruhm gelingen, brach vor den Toren Budapests das Chaos aus. Statt Lobeshymnen und Jubelarien gab es am Ende einen WM-Spitzenreiter, der (fast) nichts mehr sagen wollte, und eine Teamführung, die ihrem Rebell Lewis Hamilton den Rücken stärkte.

Obwohl die Journalisten in der Medienrunde gewaltig bohrten und im Kreuzfeuer Fragen nach der durch den Briten missachteten Teamorder stellten, wiegelte Rosberg freundlich und bestimmt ab: "Ich will mich dazu nicht äußern", wiederholt der Wiesbadener beharrlich. "Das müssen wir intern klären. Das ist am sinnvollsten für uns als Team. Wir müssen das diskutieren und das werden wir tun." Wann, wo, in welchem Rahmen und mit welchem gewünschten Ausgang - all das ließ Rosberg offen.

Toto Wolff wird seine beiden Schützlinge nicht zum Montagmorgen-Briefing bitten: "Sobald die Emotionen abkühlen, ist das erste Gefühl weg. Das war immer so", erklärt der Mercedes-Boss und nimmt Hamilton in Schutz: "Als Rennfahrer, ganz emotional, kann ich ihn verstehen." Noch einen Schritt weiter geht Niki Lauda. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes-Teams glaubt, dass Hamilton sein Vorgehen ganz genau bedacht und bei anderen Vorzeichen auch anders gehandelt hätte.

Lauda kreidet dem Team einen Fehler an

Schließlich schaffte es Rosberg nie, in die DRS-Zone seines Teamkollegen zu gelangen. "Sicher hätte er ihn dann vorbeigelassen", erklärt Lauda. "Aber er war nie so nahe dran. Er hätte gesagt: 'Warum soll ich mitten auf der Strecke anhalten und den Teamkollegen vorbeilassen?' Aus meiner Sicht war Lewis im Recht." Einen Fehler kreidet der Österreicher nicht Hamilton, sondern dem Team wegen der Direktive an: "Das passierte in Panik, weil wir Boden verloren haben. Die Ansage war im Nachhinein überflüssig."

Trotzdem steht der Grand Prix im Verdacht, ein Rennen der verpassten Chance gewesen zu sein. Schließlich hätte für Rosberg bei freier Fahrt zur Halbzeit eventuell die Gelegenheit bestanden, Karriereerfolg Nummer sieben einzutüten. "Das ist alles theoretisch", meint der 29-Jährige und fügt plötzlich an: "Nein, ich schließe mich dem an, was Toto sagt. Er hat alle Daten gesehen und muss es so gut wissen wie kein anderer." Der angesprochene Wolff bleibt allerdings lieber unverbindlich.

Rosberg vom Medical Car eingebremst

"Es gibt so viele Faktoren, die wir in Betracht ziehen müssen", sagt der Mercedes-Motorsportchef. "Es lässt sich nicht auf einen einzigen reduzieren. Keine Ahnung, ob Nico überhaupt den Vorsprung herausgefahren hätte, um das Rennen zu gewinnen. Wir können nicht sagen, dass das Grund war." Schließlich hätte es auch gar nicht zu der Situation kommen müssen, hätten die Mechanismen des Reglements so funktioniert, wie die Formel 1 sie geplant hat. "Das Safety-Car war der Mega-GAU", geht Rosberg in seiner Analyse einen Schritt zurück.

Er ärgert sich, dass sich Motorsport zu einer Lotterie entwickelte, obwohl das mit der Begrenzung von Sektorzeiten eigentlich nicht hätte passieren sollen: "Die Regel kam ja gerade deshalb, weil plötzlich Leute auf dem Podium standen, die von ganz hinten kamen, nur weil es ein Safety-Car gab. Der Sinn war es, dass das Glücksprinzip weg ist. Ich hing dann auch noch hinter dem Medical-Car fest." Es folgten Bremsprobleme, eine vielleicht nicht optimale Zweistoppstrategie und ein Jean-Eric Vergne, den Rosberg nicht überholen konnte, weil die Bahn nur auf einer Spur trocken genug war für Slicks.

Hamilton äußert sich

Außerdem beklagte sich der Deutsche darüber, dass die Konkurrenz gelbe Flaggen offenbar nicht so ernst nahm wie er. Am Ende war Rosberg dann auch noch zweiter Sieger im direkten Zweikampf mit Hamilton um das Podium: "Das war definitiv fair. Das ist so unter uns Rennfahrern: Der, der innen ist, dem gehört die Kurve. Man darf kein abruptes Raushacken machen, aber man kann ihn langsam von der Strecke schieben. Das ist okay so", nimmt er den Ex-Champion in Schutz, ärgert sich aber: "Ich hatte eine Chance. Das nervt mich total."

Hamilton hat sich zu der Stallorder-Affäre sehr wohl geäußert: "Wenn ich ihn vorbeigelassen hätte, hätte er davon ziehen und mich später überholen können. Ich habe nicht verstanden, warum das Team mich gefragt hat, das zu tun. Denn er kam nicht nahe genug heran, um mich zu überholen." Er habe keinen Boden auf Fernando Alonso preisgeben wollen, so der WM-Zweite weiter. Rosberg schenkt den Aussagen keine Beachtung und bleibt auf Schweigekurs: "Ich weiß nicht, was er hat, was er nicht hat. Ich mache es so, wie ich es machen möchte. Natürlich wären noch mehr Einblicke für die Fans toll, aber man muss den Kompromiss finden." Hamilton hat jedenfalls keinen gemacht.

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