Von Vettel bis Kubica: Stimmen zum WM-Duell

, 20.11.2014

Vor dem Titel-Showdown zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg geben ehemalige und aktuelle Weggefährten der beiden ihre Einschätzung ab

Lewis Hamilton und Nico Rosberg kämpfen beim Saisonfinale als Teamkollegen um den Titel: Das Szenario, welches am Wochenende die Bühne für den Grand Prix von Abu Dhabi bildet, gab es vor 14 Jahren schon einmal. Damals kämpften der Brite und der Deutsche um den Europameistertitel im Kart.

Wie Dino Chiesa, in der Kart-Saison 2000 Teamchef von Hamilton und Rosberg verrät, beschränkte sich der Wettbewerb nicht allein auf die Kartbahn. "Beide fuhren total auf Eis ab, vor allem Vanilleeis. Nachts wollten sie ständig Eis essen. Also musste ich los und irgendwo Eis auftreiben, um sich zufriedenzustellen." Die beiden heutigen Formel-1-Titelrivalen waren damals 15 Jahre alt und "halt einfach Kinder", wie sich Chiesa gegenüber 'BBC' erinnert.

Schnell übertrug sich der Wettbewerb zwischen Hamilton und Rosberg vom Essen auf andere Sportarten wie Tennis bis hin zu verschiedensten Gefährten wie etwa dem Einrad. Auf der Rennstrecke setzte sich Hamilton in jenem Jahr durch und wurde Kart-Europameister. In der Formel 1 standen sie beim Grand Prix von Australien 2008 in Melbourne erstmals gemeinsam auf dem Podium. Nun kämpfen sie in der Königsklasse beide um den WM-Titel - genau wie vor 14 Jahren als Teamkollegen.

Vor dem Showdown am Sonntag auf dem Yas Marina Circuit schildern Fahrerkollegen ihre Erwartungen und geben preis, wer für sie der Favorit auf den WM-Titel ist. "Mercedes hat es in diesem Jahr ja sehr langweilig gemacht", spricht der scheidende Weltmeister Sebastian Vettel auf die Überlegenheit der Silberpfeile an.

Ungeachtet der technischen Überlegenheit: Teamintern lässt Mercedes einen spannenden Kampf um den WM-Titel erwarten. "Beide haben in dieser Saison großartige Rennen und tolle Zweikämpfe um die Führung gezeigt", lobt Vettel und hat keinen persönlichen Favoriten: "Das Duell wird im letzten Rennen entschieden. Ich denke, beide haben es verdient. Wenn man sie einzeln befragt, hat aber mit Sicherheit jeder der beiden genügend Gründe, warum er den Titel mehr verdient als der andere."

Alonsos Rat: "Macht es nicht so wie ich"

Fernando Alonso war bei einem Formel-1-Saisonfinale bereits fünfmal einer der Protagonisten im WM-Kampf. Zweimal ging er als Weltmeister daraus hervor (2005 und 2006), dreimal als Unterlegener (2007, 2010 und 2012). "Jedes Mal war es anders, sowohl bezogen auf die Situation in der Gesamtwertung und die Gegner als auch bezogen auf die Stimmung, mit der ich beim letzten Rennen antrat", bemerkt der Spanier.

"In Brasilien 2012 regnete es am Morgen des Renntages", nennt Alonso ein Beispiel und hält fest, dass es "verschiedene Faktoren gibt, die sich auf die Stimmung auswirken können". Genau wie der künftige Ferrari-Pilot Vettel hat auch der scheidende Ferrari-Pilot keinen persönlichen Favoriten im Duell der Mercedes-Piloten: "Es wird sicher ein interessantes Wochenende für Nico und für Lewis. Ich wünsche ihnen viel Glück. Nach dieser super Saison haben sie es einfach verdient. Es kann aber nur einer gewinnen."

Als Abu-Dhabi-Erfolgsrezept legt Alonso den beiden Titelkandidaten in Erinnerung an das Saisonfinale 2010 nahe: "Macht es nicht so wie ich. Lasst euch von niemandem aufhalten." Der Ferrari-Pilot kam damals als WM-Spitzenreiter an den Yas Marina Circuit, ritt im Rennen aber die falsche Strategie. Weil er sich auf den in der Gesamtwertung besser platzierten Red-Bull-Piloten Mark Webber konzentrierte und dessen Strategie folgte, blieb er hinter dem Renault von Witali Petrow hängen und wurde nur Siebter. So konnte Webbers Teamkollege Vettel profitieren, das Rennen gewinnen und seinen ersten von inzwischen vier WM-Titeln einfahren.

Kimi Räikkönen erinnert sich derweil an den WM-Kampf 2007, den er nach dem spannenden Saisonfinale in Sao Paulo vor dem McLaren-Duo Hamilton und Alonso für sich entschied: "Ich war derjenige, der hinten lag. In dieser Situation lässt sich nicht viel machen, außer das Rennen zu gewinnen und auf das Beste zu hoffen." Die Situation sei bei Hamilton und Rosberg aber "eine andere als bei mir, weil sie im selben Team fahren", so der Finne.

Sympathien auf der Seite von Hamilton

Red-Bull-Pilot Daniel Riccardo hält angesprochen auf das WM-Duell der beiden Mercedes-Piloten fest: "Ich finde, beide haben tolle Arbeit geleistet." Anders als seine Vorredner hat der Australier durchaus einen persönlichen Favoriten: "Ich bin sicher nicht der einzige Fahrer, der es Lewis aufgrund der Anzahl der Siege gönnt. Ich denke, er verdient es, als WM-Führender zum Saisonfinale zu reisen." In erster Linie hofft Ricciardo auf einen fairen Kampf. "Es wäre schade, wenn einer gewinnt, weil der andere ausfällt."

Valtteri Bottas stimmt zu: "Wenn ich mich entscheiden müsste, dann wahrscheinlich für Lewis. Er hat mehr Siege in dieser Saison und ist vielleicht insgesamt ein wenig schneller." Grundsätzlich könnte sich der Williams-Pilot aber auch mit einem Weltmeister Rosberg arrangieren. "Derjenige, der es am Ende wird, hat es auch verdient, weil das bedeutet, dass er die meisten Punkte geholt hat. So einfach ist das. Wenn am Ende nicht Pech oder etwas Technisches dazwischen kommt, wird es einen verdienten Sieger geben."

Bottas' Williams-Teamkollege Felipe Massa ist es "ehrlich gesagt egal, wer die Weltmeisterschaft gewinnt. Ich konzentriere mich nur auf ein gutes Rennen und eine gute Position wie in Brasilien. Ob nun Lewis oder Nico gewinnen, interessiert mich nicht". Verfolger Rosberg müsse "einfach sicherstellen, dass er das Rennen gewinnt. Danach hat er es nicht mehr in der Hand. Mehr als das Rennen zu gewinnen und sicherzustellen, dass Lewis das nicht tut, kann er nicht machen. Wenn er Glück hat, kommt Lewis irgendetwas dazwischen oder wir oder ein anderes Team werden da sein", so Massa.

Unabhängig davon, ob der Brasilianer mit seinem Williams am Sonntag ein Wort um den Abu-Dhabi-Sieg wird mitreden können, ist bezogen auf den Saisonverlauf auch für ihn Hamilton der Favorit. "Lewis verdient es vielleicht ein wenig mehr. Er hat mehr Rennen gewonnen und vielleicht die bessere Weltmeisterschaft gehabt, aber das mit dem Verdienen ist im Sport manchmal schwierig. Manchmal laufen die Ding halt anders", sagt Massa.

Psychologisch ortet der Mann, der den WM-Titel 2008 in dramatischer Manier erst nach der eigenen Zieldurchfahrt als Sao-Paulo-Sieger an Hamilton verlor, bei Verfolger Rosberg den größeren Druck. "Er darf keine Angst haben. Das könnte ihn ein paar Zehntelsekunden kosten", bezieht sich Massa auf den Jäger im Titelduell der Silberpfeile und spannt den Bogen zum Gejagten: "Lewis muss ein wenig zurückhaltender sein, was ihm auch nicht immer leicht fällt. Wir werden sehen, wie es ausgeht."

"Lewis hatte bei einigen Rennen wirklich viel Pech. Er hat dadurch viel Boden verloren", erinnert Force-India-Pilot Sergio Perez an die Aufholjagd des aktuellen WM-Spitzenreiters, der die fünf Rennen von Monza bis Austin allesamt gewann. "Wenn er es schafft, dann ist er ein großartiger Weltmeister", stellt sich auch der Mexikaner auf die Seite Hamiltons und schiebt hinterher: "Andererseits war Nico sehr konstant. Wer auch immer es schafft, der hat es verdient und wäre ein großartiger Botschafter für den Sport. Ich finde aber, dass es Lewis schaffen sollte."

"Beide haben Chancen, das Duell auf diesem hohen Level ist sehr interessant", analysiert Adrian Sutil und hofft, dass der Bessere gewinnt: "Ich sehe es sportlich und wünschen beiden alles Gute." Angesichts der Ausgangslage erkennt der Sauber-Pilot die besseren Karten in Händen von Hamilton. "Ich sehe es immer noch 50:50 mit einem kleinen Vorteil für Hamilton, denn ihm reicht der zweite Platz", so Sutil.

Berger und Glock: Chance für Rosberg nur bei Hamilton-Pech

Wie betrachten ehemalige Formel-1-Piloten das WM-Duell? Gerhard Berger hält gegenüber 'Auto Bild motorsport' fest: "Ich traue Nico den Sieg in Abu Dhabi zwar zu, aber ich befürchte, er kommt zwei Rennen zu spät. Nico hätte auch in den USA unbedingt gewinnen müssen." Der Österreicher ist überzeugt, dass die beiden Titelkandidaten auch den Sieg am Sonntag unter sich ausmachen werden: "Die Silberpfeile sind so überlegen, dass Lewis Hamilton, wenn nichts Außergewöhnliches passiert, immer Zweiter werden kann." Dies würde dem Briten genügen, um sich den Titel im Falle eines Rosberg-Sieges mit drei Punkten Vorsprung zu sichern.

Timo Glock, der inzwischen in der DTM fährt, sieht für seinen Landsmann Rosberg zwar noch Chancen, glaubt er aber realistisch betrachtet nur dann an eine späte Wende im Titelkampf, wenn am Silberpfeil von Hamilton mal wieder etwas kaputtgeht. "Man hat das ja auch 2010 gesehen, als Sebastian Vettel in einer noch schwierigeren Ausgangsposition war und es am Ende noch geschafft hat. Das kann also auch Nico Rosberg noch schaffen", sagt Glock gegenüber 'Sport1', um anzufügen: "Es wird aber natürlich dadurch sehr schwierig, weil aktuell nicht so viele Autos auf dem Niveau von Mercedes sind. Die beste Chance für Rosberg wäre wohl ein technischer Defekt bei Hamilton, obwohl wir das natürlich nicht hoffen. Denn solch eine WM-Entscheidung will keiner."

Trotz des Unterschieds in der Anzahl der Saisonsiege (vor dem letzten Rennen am Sonntag 10:5 für Hamilton) könnte sich Glock mit Blick auf die gesamte Saison auch mit einem Weltmeister Rosberg anfreunden: "Es wären beide verdiente Weltmeister, weil sie sich einen Wahnsinnskampf geliefert haben. Zum Ende des Jahres war Hamilton sicherlich der stärkere. Dafür war Nico am Anfang des Jahres stärker."

Robert Kubica, inzwischen in der Rallye-Weltmeisterschaft aktiv, war in der Saison 2000 in der Kart-Europameisterschaft einer der Gegner der beiden Anwärter auf den Formel-1-WM-Titel 2014. Genau wie der damalige Teamchef Chiesa erinnert sich auch der Pole an frühere Wettkämpfe zwischen Hamilton und Rosberg abseits der Strecke. "Zwischen ihnen gab es immer einen Wettbewerb - selbst dann, wenn es nur darum ging, eine Pizza zu essen. Jeder wollte der Erste sein. So aßen oft zwei Stück auf einmal. Hinterher haben sie immer gelacht", so Kubica gegenüber 'BBC'.

Chiesa fiel in diesem Zusammenhang auf. "Nico akzeptierte es, wenn er Zweiter wurde, aber Lewis wollte immer gewinnen. Er mochte es nicht, Zweiter zu werden. Er gab immer alles. Lewis wusste, dass er der Beste ist und das wollte er auch zeigen. Wenn er damals ein Rennen als Zweiter beendete, war er richtig sauer, weinte teilweise sogar." Wird Hamilton am Sonntag in Abu Dhabi Zweiter, dürften bei ihm erneut Tränen kullern, dann aber keine Tränen der Enttäuschung...

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