Williams: Fehlender Mut kostet Podestplatz in Silverstone

, 05.07.2015

Falsches Timing bei einsetzendem Regen: Williams verliert im Heim-Grand-Prix in Silverstone einen sicheren Podestplatz - Ein Fehler, der acht Sekunden kostet

Williams hat im Grand Prix von Großbritannien 2015 in Silverstone eine große Chance verpasst. Beim Start in das Rennen hatte sich Felipe Massa in Führung schieben können, anschließend sicherte Teamkollege Valtteri Bottas die Spitze vor den schnellen Mercedes auf dem zweiten Rang ab. Als im letzten Renndrittel allerdings der Regen einsetzte, war Williams mit dem Wechsel auf Intermediates eine Runde zu spät: Beide Mercedes vorn, dahinter Sebastian Vettel (Ferrari) und Massa und Bottas erst dahinter im Ziel.

"Das war ein fantastischer Start", freut sich Massa. "Möglicherweise bin ich der Fahrer, der in den vergangenen Jahren am meisten Leute am Start überholt hat. Ich hatte das im Hinterkopf, dass wenn alles gut läuft, ich diese Jungs überholen könnte, so habe ich es gemacht. Als ich die Kupplung etwas losgelassen habe, sah ich, wie die Mercedes ein bisschen durchdrehende Räder hatten. Ich konnte es mit meinem Fuß kontrollieren und das Auto setze sich in Bewegung. Dann habe ich die beiden in toller Manier überholt."

Massa konnte sich zunächst an der Spitze halten. Nicht wegen seines Tempos, sondern wegen einer Ansage vom Team, der zu jenem Zeitpunkt schnellere Bottas möge bitte nicht angreifen. "Das wäre nicht das Richtige gewesen. Er hatte auch das DRS, was es ihm erleichtert hat, mir zu folgen auf den Geraden", meint Massa. Aus einem anfangs möglichen Sieg wurde jedoch nichts, weil Regen einsetzte und Williams beim Wechsel auf Intermediates zu konservativ agierte.

"Wir haben eine Runde länger gewartet, wodurch wir das Podium verloren haben. Wir haben diskutiert, dass es sehr eng wird. Dann hat Lewis gestoppt. Um ehrlich zu sein, konnte ich nicht sehen, dass es er war. Vielleicht haben wir diese Chance vertan", meint der Brasilianer. "Es ist sehr frustrierend, hier nicht auf dem Podium zu stehen. Eine tolle Strecke und ein tolles Rennen. Das gesamte Team ist enttäuscht. Das Ergebnis heute war positiv, aber es hätte fantastisch sein können."

Teamorder: Bottas muss sich hinter Massa anstellen

"Es war auch für mich ein super Start, wahrscheinlich der Beste des gesamten Jahres", berichtet Bottas nach Rang fünf in Silverstone. "Wir hatten an diesem Wochenende vor allem mit den Leuten, die unsere Kupplung einstellen, besonders intensiv gearbeitet. Ich war zuvor nie mit der Kupplungswippe richtig zufrieden gewesen, aber jetzt ist es besser. Somit konnte ich viel zuversichtlicher an den Start herangehen."

Anfangs reihte sich Bottas nach dem Start kurz hinter Hamilton ein, aber wenig später zog er auf Platz zwei. Und diesen sollte er laut Teamorder halten. "Es ist im Nachhinein schwierig zu sagen, was möglich gewesen wäre. Ich war zu Beginn schneller und hatte ein oder zwei gute Chancen, an Felipe vorbei zu kommen. Aber ich sollte ihn nicht angreifen. Natürlich ist es für mich enttäuschend. Ich bin aber sicher, dass dahinter gewisse Überlegungen standen."

"Wir werden sicherlich noch besprechen, was alles hätte besser laufen können. Wenn man schneller ist als das Auto in Front, aber man nicht vorbeifahren darf, dann ist es schwierig. Wir werden das besprechen", sagt der Finne. "Unser eigentliches Problem war aber, dass wir eine Runde zu lang mit wem Wechsel auf die Intermediates gewartet haben. Im Regen ist unser Auto nicht sonderlich gut. Das wissen wir, und daran werden wir arbeiten müssen."

"Zu Beginn wollten wir nicht das Risiko eingehen, dass durch einen internen Zweikampf die Mercedes wieder heran- oder sogar vorbeikommen", erklärt Chefingenieur Rob Smedley die Williams-Teamorder. "Wir haben Valtteri gesagt, dass er gern überholen darf, wenn es schnell und sauber abläuft. Wenn es aber ein Manöver wird, das unsere beiden Autos kurz einbremst und Mercedes Chancen eröffnet, ist es doch Unsinn. So haben wir es gesagt."

Wechsel auf Intermediates eine Runde zu spät

"Als der Regen einsetzte, haben wir an Tempo verloren. Wir haben zu lange abgewartet. Lewis hat da einen extrem guten Job gemacht, als er im genau richtigen Moment hereinkam. Wir hatten zu jenem Zeitpunkt noch richtig schnelle Sektorzeiten und kein Feedback von den Fahrern, dass es zu nass sei", sagt Smedley. "Unter diesen Voraussetzungen sind beide am Eingang zur Boxengasse vorbeigefahren und mussten entsprechend noch eine volle Runde dranhängen."

"Sebastian lag zu jenem Zeitpunkt acht Sekunden hinter uns. Man sieht also, dass uns diese Entscheidung mehr als acht Sekunden gekostet hat. Es ist extrem enttäuschend. Wir müssen es aber hinnehmen und daraus lernen", erklärt der Williams-Verantwortliche. "Insgesamt war es ein gutes Wochenende für uns. Erstmals in diesem Jahr waren wir konstant schneller als Ferrari. Es geht in die richtige Richtung. Schauen wir mal, wie es in Budapest ausschaut. Danach kommen zwei gute Rennen für uns in Spa und Monza."

"Es war letztlich diese kleine Entscheidung, nicht an die Box zu kommen als Hamilton kam. Mit Slicks eine weitere Runde auf der nassen Strecke hat einfach zu viel Zeit gekostet", analysiert Williams-Entwicklungspilotin Susie Wolff im 'ORF'. Die große Frage: Wie konnte Mercedes genau richtig entscheiden, Williams aber nicht? "Vermutlich haben sie mehr Ressourcen als Williams, die sie in die Wettertechnologie stecken", meint Alex Wurz.

Brackley in Einflugschneise: Spotter helfen auch nicht

"Zu diesem Zeitpunkt war es wirklich riskant zu wechseln, denn die Strecke war eigentlich noch schneller mit Slicks zu befahren. Aber in der Sekunde, wo sie in der Boxengasse waren, wussten sie, dass der Regen einsetzt. Ich glaube, die arbeiten mit sehr gutem Wetterradar und guten Runduminformationen. Aber auch Ferrari war eine Runde früher reingekommen. Das ist auch ein Team mit größeren Ressourcen", so der Österreicher.

"Da muss man als Team nachschauen, ob man da hinein investieren muss - oder steckt man das Geld lieber woanders hinein", sagt Wurz. Vorteil Mercedes: Die Firma in Brackley lag am Renntag genau in der Einflugschneise der Regenwolken. Von dort erhielt man wichtige Informationen. "In dieser Zeit funktioniert das mit Spottern nicht mehr", winkt Wurz allerdings ab. Er geht davon aus, dass nicht die Spotter in Brackley, sondern das Gefühl in Hamiltons Bauch entscheidend war.

"Wir haben Spotter bei Sportwagenrennen oder der Formel 1 immer schon gehabt, aber das ist dann zu spezifisch, bis der die Nachricht auffasst und mitteilt. Er muss es dem Teammanager sagen, der muss es dem Ingenieur mitteilen und dieser muss es verarbeiten. Das dauert länger als 20 Sekunden, die hier zur Entscheidung geführt haben", erklärt Wurz den langen Weg vom Mitarbeiter in Brackley bis zum entscheidenden Funkspruch an der Rennstrecke.

"Wir müssen schauen, was dort falsch gelaufen ist. Als Hamilton kam, habe ich zur Boxenmauer geschaut und gedacht, dass es vielleicht zu früh sei. In genau dieser Sekunde fing es aber heftig zu regnen an. Sie haben es perfekt getimt", meint Susie Wolff. "Es ist sehr, sehr schade, denn beide Fahrer haben einen super Job gemacht. Es ist kein Podestplatz, aber immerhin sind es gute Punkte. Wir haben zu Beginn vorne mitgekämpft. Wir müssen das Positive mitnehmen und unseren kleinen Fehler analysieren."

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