Nordschleife nach Umbau: Mutkurve statt Sprungkuppe

, 25.05.2016

Die Umbaumaßnahmen an der Quiddelbacher Höhe haben zwar die Sprungkuppe entschärft, doch die Piloten sind sich einig: Jetzt ist der Flugplatz eine echte Mutkurve

Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Nordschleifenfans, als bekannt wurde, dass im Zuge der Umbaumaßnahmen im Streckenabschnitt Quiddelbacher Höhe/Flugplatz die Fahrbahndecke um einen halben Meter abgesenkt wurde. Eifrig wurden Bilder zusammengestellt, dass nicht der gesamte Aushub wieder an der Stelle untergebracht wurde, es wurden Messungen angestellt und die Charakteristik der Nordschleife in Frage gestellt. Wird mit der Nordschleife jetzt auch das letzte Refugium reinrassiger Rennstrecken verunstaltet?

Drei VLN-Läufe und ein Qualifikationsrennen später sind die kritischen Stimmen größtenteils verstummt. 'Motorsport-Total.com' sprach mit mehreren Piloten über die Änderung - den ersten wirklichen Eingriff in die Streckenführung auf der Nürburgring Nordschleife seit den weitreichenden Umbaumaßnahmen Anfang der 1970er-Jahre. Und die Fahrer sind sich einig: Faszination hat die Stelle garantiert nicht eingebüßt, eher im Gegenteil. Ja, die Autos heben nicht mehr mit der Vorderachse ab. Dafür sind jetzt "dicke Eier" notwendig.

"Ich rätsele immer noch, ob mir alte oder neue Variante besser gefällt. Die Konsequenz jetzt ist, dass man noch schneller ums Eck fährt", sagt Porsche-Werkspilot Jörg Bergmeister. Vorjahressieger Christopher Mies erklärt: "Wir haben jetzt am Ausgang 220 bis 230 km/h drauf. Früher waren es bloß 218. Da musste man einmal kurz lupfen, damit die Fahrzeugfront am Boden bleibt, jetzt fährt man problemlos voll drüber. Aus der Kurve, wo man vorher abgehoben ist, hat man jetzt kurzerhand eine Mutkurve gemacht."

Wer traut sich voll?

Und diese hat es richtig in sich: Mit 230 km/h geht es zunächst die Kuppe hinauf. Nun wird voll stehen gelassen, die Räder bleiben am Boden. Nissan-Pilot Marc Gassner erklärt kurz und knackig, wie es dann weitergeht: "Kurz lupfen, Auto reinschmeißen und dann wieder ab aufs Gas." Die Geschwindigkeit sinkt dabei im GT3 nie unter 200 km/h. Es wirken bis zu 1,8g Querbeschleunigung in der Rechtskurve, die im fünften Gang gefahren wird.

"Die Doppelrechts war schon immer eine viel größere Herausforderung als die Kuppe selbst", gibt auch Maro Engel zu Protokoll. "Die ist ultraschnell und eine riesige Herausforderung aus dem Cockpit." Und Christopher Mies frohlockt bereits: "Irgendwann wird der Erste kommen, der es voll versucht." Was jahrzehntelang die mittlerweile entschärfte Eau Rouge gewesen ist, ist nun die Flugplatz-Kurve: Noch hat sich keiner voll gewagt, weil die Konsequenzen verheerend sein können. "Ich mag an der Nordschleife, dass es hier noch Konsequenzen gibt", erklärt Bergmeister. "Da muss man halt mal den Kopf einschalten."

Doch wer wird als Erster versuchen? Die Nissan-Piloten scheiden aus, denn der GT-R hat zu wenig Abtrieb, Marc Gassner erläutert. Der Nismo-Bolide war schon immer eher ein Gerät für die Geraden. "Wenn genug Gummi da ist, das Auto leicht und frische Reifen, könnte das gehen", macht Mies Hoffnung. Die meisten Fahrer haben die BMW-Piloten im Verdacht, es als Erste zu versuchen, schließlich hat der M6 eine ausgezeichnete Aerodynamik. Doch noch ist unklar, ob andere Hersteller nicht Sandbagging betrieben haben. Die Antwort wird es wohl im Top-30-Qualifying geben, wenn die schnellsten Fahrer alleine gegen die Uhr fahren.

Wer definitiv Abstriche machen muss, sind die Fotografen, schließlich gibt es abhebende Autos jetzt nur noch am Pflanzgarten. Die Fahrer sind aber voll des Lobes: "Die Änderungen über den Winter waren sehr, sehr gut", sagt Engel. "So ein Unfall wird sich nicht wiederereignen. Es ist sehr gut gelöst worden." Bergmeister ergänzt: "Das Problem mit der Unterluft wurde auf jeden Fall gelöst. Die Gefahr, dass die Autos abheben, ist auf jeden Fall gebannt. Aber das fahrerisch kalkulierbare Risiko ist an dieser Stelle nicht unbedingt geringer geworden."

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