Nürburgring: Die Hintergründe zum Permit-Streit

, 14.06.2016

Nach Monaten des Friedens flammt der Konflikt um den Nordschleifen-Permit wieder auf - Wie unterschiedliches Selbstverständnis zum neuerlichen Streit geführt hat

Nach überwiegend konstruktiven Gesprächen im Winter und einem Maßnahmen-Paket für die VLN-Saison 2016 mit E-Learning und Nordschleifen-Permit gibt es wieder Krach am Nürburgring. Konkret geht es um Ausnahmeregelungen für erfahrene Nordschleifen-Fahrer beim Permit A, die nicht die erforderlichen Rennen auf kleinen Fahrzeugen gefahren sind. Der DMSB hatte Fahrern, die nicht alle Bedingungen erfüllt haben, eigenständig Nordschleifen-Lizenzen ausgehändigt, weil sie als erfahrene Piloten gelten.

Das wiederum empört die Fahrer-AG, die Teil der Interessengemeinschaft Langstreckenpokal Nürburgring (ILN) ist - einer im Winter gegründeten Vereinigung zahlreicher VLN-Teams. In einer Presseaussendung der Fahrer-AG wird das Vorgehen des DMSB scharf kritisiert. "Einer Permit-Erteilung nach Gutsherrenart, also ohne Zugrundelegung objektiv messbarer Kriterien, widerspricht die Fahrer AG ausdrücklich", heißt es dort. Die Frage ist: Wo wird die Grenze gezogen, wer den Permit A, der zum Start auf leistungsstarken Fahrzeugen erlaubt, bekommt, ohne die Bedingungen erfüllt zu haben.

Fahrern wie Mike Rockenfeller oder Timo Scheider den Start am 24-Stunden-Rennen zu verwehren, weil sie nicht zweimal auf einem kleinen Fahrzeug gefahren sind, wäre natürlich absurd. Aus diesem Grund wurde bei den Gesprächen ein Gremium vorgeschlagen, das über Sondergenehmigungen entscheiden sollte. Das E-Learning musste jeder Fahrer absolvieren, aber von den zwei vorgeschriebenen Rennen auf kleinen Fahrzeugen (mit dem Permit B) zur Erlangung des Permit A wären diese Fahrer befreit worden.

Gremium erst abgelehnt, dann neu installiert

"Das Gremium hätte aus einem Mitglied des DMSB, einem aus der Fahrer-AG und einem des Veranstalters bestanden", erläutert Olaf Manthey, Sprecher der ILN, im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Ein solches Gremium wurde nicht installiert, laut Presseaussendung der Fahrer-AG wurde es vom DMSB abgelehnt. Stattdessen vergab der DMSB die Permits für die Nordschleife später eigenständig per Präsidiumsbeschluss. "Der DMSB hat einen Alleingang hingelegt und eigenständig eine für mich nicht nachvollziehbare Änderung vorgenommen. Für mich ist das nicht tragbar", sagt Manthey.

Das Problem ist, dass nach Ablehnung des ursprünglich angedachten Gremiums mehrere bereits - für teures Geld - die zwei vorgeschriebenen Rennen absolviert haben, obwohl sie voraussichtlich vom DMSB per Sonderbeschluss an den Permit gekommen wären. Dass andere Fahrer den Permit erhalten, ohne die Anforderungen erfüllt zu haben, sei gegen jeglichen Sinn von Gleichberechtigung. Eine schriftliche Anfrage der Fahrer-AG sei nicht beantwortet worden.

DMSB verteidigt sich: Normales Vorgehen

Der DMSB wiederum entgegnet gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Es wurde so gehandhabt, wie es in Deutschland Gang und Gäbe ist: Man bildet eine AG und beschäftigt sich mit einer Thematik. Dass Ausschüsse Vorschläge machen und dann ein übergeordnetes Gremium darüber entscheidet, ist in Deutschland Gang und Gäbe. Da ist es völlig normal, dass es nicht so aussieht, wie es die AG ursprünglich beschlossen hat. Das gibt es in jeder Partei und jedem Verband. "

Weiter heißt es seitens des DMSB: "Verwunderlich ist, dass ein damals von der Fahrer-AG gefordertes Gremium nun angeblich die gesamte Permit-Regelung ad absurdum führen soll, nur weil keine Vertreter der Fahrer-AG mit am Tisch sitzen." Manthey entgegnet: "Wir haben von Anfang an untereinander vereinbart, dass, wenn Anpassungen erforderlich sind, so flexibel bleiben wollen und gemeinsam schnelle Lösungen erarbeiten." Eine solche Gemeinsamkeit habe an dieser Stelle gefehlt.

Das Kernproblem

Hier kommt jedoch die Wurzel des Konflikts ins Spiel: Beide Parteien hatten ein gänzlich anderen Selbstverständnis voneinander. Der DMSB betrachtet die Fahrer-AG als temporäre Institution, die dafür eingesetzt wurde, um die Konsequenzen des Unfalls vom VLN-Auftakt 2015 zu klären. "Von den damals gegründeten AGs ist eigentlich nur noch die Fahrer-AG aktiv", heißt es seitens des DMSB. Der Verband war also mit einem ganz anderen Selbstverständnis über den Gegenüber in die Verhandlungen getreten als dieser selbst.

Die Fahrer-AG sieht sich als Teil der ILN nämlich als dauerhafte Institution am Ring. Der ILN gehören auch zwei weitere Arbeitsgruppen zum Thema Reglement und Team-Interessen an. "Wir wollen sehen, dass die Gespräche erhalten bleiben", sagt Olaf Manthey. "Das ist mir seitens Christian Schachts (DMSB-Generalsekretär; Anm. d. Red.) auch so signalisiert worden, dass wir uns in Kürze wieder zusammensetzen wollen. Aber wenn dann doch wieder ohne jegliche Abstimmung solche Dinge gemacht werden..."

Die Zukunft um die Handhabung der Abläufe am Nürburgring ist noch nicht klar. "Wir können nicht ständig die Polizei für den DMSB spielen", klagt Manthey. "Das wollen wir auch gar nicht." Es wird auch davon abhängen, ob der DMSB die Fahrer-AG künftig als dauerhafte Institution ansehen wird.

Fahrer-AG mit sportlichen Ergebnissen zufrieden

Große Zufriedenheit herrscht bei der Fahrer-AG mit dem Verlauf des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring 2016. "Ich denke, unsere Maßnahmen haben gefruchtet", sagt Dirk Adorf im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Solange reguläre Bedingungen vorgeherrscht haben, habe es spürbar weniger Unfälle gegeben. "Der Rennfluss war wesentlich besser", fügt er hinzu. Einen Großteil dessen schreibt er dem neuen E-Learning zu, das jeder Fahrer verpflichtend absolvieren muss.

Doch die Ereignisse um den Nordschleifen-Permit haben das Verhältnis zwischen beiden Parteien belastet. Während sich die Fahrer-AG übergangen fühlt, ist der DMSB wenig angetan davon, dass die AG mit ihrer Unzufriedenheit an die Öffentlichkeit gegangen ist. "Wenn unterschiedliche Gremien verschiedene Meinungen haben, klärt man das üblicherweise miteinander und nicht per Pressemitteilung", kommentiert der DMSB. Für die Fans bleibt nur zu hoffen, dass es nicht so eskaliert wie im vergangenen Winter, als die ILN mit einem Renn-Boykott drohte, sollten sich die Dinge nicht ändern.

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