Lotterer: "Es ist keine Spaßaktion!"

, 21.08.2014

Caterham-Gaststarter Andre Lotterer wundert sich über den Hype um seine Person: "Ihr dürft nicht zu viel von mir erwarten" - Erfahrung mit Audi soll helfen

Caterham hat mit der Verpflichtung von Andre Lotterer für den Grand Prix von Belgien einen regelrechten Coup gelandet. Selten stand das kleine Team, das neuerdings von Ex-Formel-1-Pilot Christijan Albers gleitet wird, dermaßen im Rampenlicht. Lotterer ist eine gestandene Motorsport-Persönlichkeit. Nach Titelgewinnen unter anderem in der japanischen Formel Nippon, in der Super-GT-Serie und in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) sowie nach drei Siegen bei den 24 Stunden von Le Mans folgt ein spätes Debüt in der Königsklasse.

"Ich bin schon erstaunt über den Hype. Ich merke, dass mich dieser Formel-1-Start ziemlich bekannt gemacht hat", wundert sich Lotterer, der das Rennen in Spa-Francorchamps als Heim-Grand-Prix betrachtet. Der 32-Jährige ist zwar in Duisburg geboren, aber in Belgien aufgewachsen. "Es war immer mein Traum, ein Formel-1-Rennen zu fahren. Es kommt jetzt eben ein bisschen später als ursprünglich geplant. Es ist schön, dass ich so etwas realisieren kann."

Niemand im Fahrerlager der Formel 1 gönnt Lotterer den Auftritt auf der ganz großen Bühne nicht. Das Wort "unverdient" ist nicht zu hören. Im Gegenteil: Der schnelle Deutsche genießt größten Respekt. "Andre kenne ich schon lange. Wir waren zur gleichen Zeit in Japan. Ich bin damals Formel 3 gefahren, er Formel Nippon. Er ist ein sehr netter Mensch und ein sehr talentierter Fahrer", sagt beispielsweise Adrian Sutil. "Es freut mich sehr, dass er mal die Chance kriegt, in einem Formel-1-Auto zu fahren, besonders im Rennen."

Lotterer genießt größten Respekt

"Er ist dreimaliger Le-Mans-Sieger. Ich glaube, da braucht man nicht mehr sagen. Es ist eine große Chance für ihn und es wird interessant, wie er sich in der Formel 1 zurechtfindet", meint der Gräfelfinger, der dem mit dem bisher oft langsamen Sauber womöglich gar nicht so weit von Lotterer entfernt sein wird. "Es ist aber natürlich eine große Aufgabe, einfach reinzuspringen und mit diesen Autos direkt schnell zu fahren. Er wird das aber sicherlich hinbekommen."

"Es wird nicht einfach", bremst Lotterer eventuell aufkeimende Euphorie. "Ich muss erst einmal in der Formel-1-Welt klarkommen, alles erst einmal lernen. Es ist bestimmt nicht optimal, wenn man so mitten in einer Saison einfach mal einsteigt. Ich traue mir das aber zu. Ich fahre seit ich 16 Jahre alt bin ohne Unterbrechung Formelautos. In der Super Formula (Nachfolgeserie der Formel Nippon; Anm. d. Red.) sind die Autos sehr schnell. Es ist wahrscheinlich weltweit die schnellste Serie nach der Formel 1. Ich bin diesbezüglich ganz gut in Form."

"Es ist mehr als zehn Jahre her, dass ich letztmals ein Formel-1-Auto bewegt habe. Es hat sich vieles verändert. Aber ich bin bei Audi daran gewöhnt, komplexe Autos zu fahren", meint der Deutsche, der in der Le-Mans-Prototypenszene als einer der Allerschnellsten gilt. "Es gibt sicherlich Parallelen, zum Beispiel wie die Energie beim Bremsen rekuperiert wird. Das haben wir im Audi auch. Hinzu kommt die Rekuperation im Turbo, die wir im Audi nicht haben. Es sind komplexe Abläufe, mit denen ich in ähnlicher Form bei Audi aber auch immer konfrontiert bin. Daran bin ich gewöhnt."

Große Chancen bei Regenwetter?

Der Deal für den Einsatz in Belgien zeichnete sich in der vergangenen Woche ab, es ging anschließend alles ganz schnell. Am vergangenen Montag ließ sich Lotterer in Großbritannien im Werk einen Sitz anpassen, es gab erste Fahrten im Simulator des Teams. "Im Simulator wirkte alles ziemlich logisch. Mal sehen, ob sich das auf der Strecke auch so logisch darstellt", meint der Audi-Werkspilot, der aus Ingolstadt die schnelle Freigabe bekam.

"Eau Rouge konnte ich im Simulator nicht ganz voll fahren. Ich habe gemerkt, dass die Antriebe ziemlich viel Leistung haben, aber bezüglich des Abtriebs hätte ich gedacht, dass es einfacher wäre. Ich schätze schon, dass die Autos nicht ganz so leicht zu fahren sind", so die erste Bilanz nach den virtuellen Runden in den Ardennen. "Ich muss mich mit dem Auto vertraut fühlen. Dann möchte ich Schritt für Schritt auf ein gutes Level kommen."

"Wenn es die Möglichkeit gibt, etwas Gutes zu schaffen, dann wäre ich gern dazu bereit", so der Fahrplan für das Wochenende in Spa-Francorchamps. Bei Caterham hofft man auf Fortschritte mit den neuen Fahrzeug-Updates und man hofft auf den typischen Ardennenregen, der dem kleinen Team im Rennen womöglichen Chancen bieten könnte. "Motorsport ist da ganz einfach: Wir Rennfahrer wollen immer möglichst schnell voran. Große Ziele darf man von mir aber nicht erwarten", sagt Lotterer.

Keiner kennt Spa-Francorchamps besser

"Auch in der Formel 1 hängst du eindeutig von der Leistungsfähigkeit deines Autos ab. Ich möchte nichts Schlechtes über das Team sagen, aber eines ist doch klar: Wir haben kein siegverdächtiges Fahrzeug. Auch wenn jetzt viele Updates ans Auto kommen", sagt der erfolgsverwöhnte Pilot. Der Deutsche erfüllt sich einen Karrierewunsch. "Ich habe mich etabliert, bin im Motorsport gut aufgestellt - mit Audi in Le Mans und mit Toyota in Japan. Ich habe hier nichts zu verlieren."

Im Zweikampf gegen Teamkollege Marcus Ericsson hat Lotterer bezüglich Streckenkenntnis die Nase eindeutig vorn. Der 32-Jährige hat allein im Jahr 2014 bei seinen Einsätzen mit der WEC und mit Audi beim 24-Stunden-Rennen in Spa schon rund 4.800 Kilometer auf der berühmten Strecke absolviert. "Und dann bin ich hier noch ein kleines Rennen gefahren. Es könnte also noch etwas mehr sein", schmunzelt der Caterham-"Rookie" vor dem Start ins Wochenende.

"Alle Fahrer der Formel 1 kennen Spa ebenso recht gut. In den ersten paar Runden fühle ich mich vielleicht etwas mehr daheim als die anderen. Es sind alles gute Fahrer. Eine solche Strecke zu lernen, ist jetzt kein wirkliches Riesending", relativiert Lotterer den Faktor Streckenkenntnis. Er fügt an: "Das ist auf jeden Fall eine einmalige Sache. Ich möchte das Wochenende fehlerfrei überstehen. Hoffentlich kann ich dem Team mit meiner Leistung und Erfahrung helfen. Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist keine Spaßaktion!"

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