Honda, die Formel 1 und das Testverbot

, 31.03.2013

Selbst wenn Honda 2015 als McLaren-Partner in die Formel 1 zurückkehren würde, wäre das Testverbot für Ferrari, Mercedes und Renault wohl kein großes Thema

Schon seit Monaten halten sich hartnäckige Gerüchte, wonach Honda derzeit intensiv an einer Rückkehr in die Formel 1 arbeitet - allerdings nur als Motorenhersteller, nicht mit einem eigenen Werksteam. Wie weit fortgeschritten die Vorbereitungen auf ein Comeback wirklich sind, weiß außerhalb eines kleinen Kreises eingeweihter Manager und Ingenieure wohl niemand ganz genau, doch gut in der Branche vernetzte Insider sprechen über das Thema hinter vorgehaltener Hand so, als wäre es längst beschlossene Sache.

In der Gerüchteküche ist von einem Telmex-McLaren-Honda die Rede, wobei Titelsponsor Telmex schon 2014, Honda erst 2015 an Bord kommen soll. "Unser aktueller Vertrag mit Mercedes ermöglichst es uns, ihre Motoren bis Ende 2015 zu verwenden, sofern wir das wollen", erklärt ein McLaren-Sprecher auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'. "Darüber, was wir danach machen werden, gibt es derzeit nichts zu sagen."

Für die Formel 1 wäre eine Rückkehr von Honda in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein enorm wichtiges Signal. Daher zeigen sich auch die anderen Motorenhersteller recht kooperativ, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für ein weiteres konkurrierendes Werk abzustecken. Schließlich ist es nicht ganz unproblematisch, dass Ferrari, Mercedes und Renault an die im FIA-Reglement festgehaltenen Test- und Entwicklungslimitierungen gebunden sind, während Honda in der Vorbereitungsphase theoretisch tun und lassen kann, was es will.

Renault weiß nichts von angeblichen Honda-Testfahrten

Angst davor, dass ein anderes Werk die Formel-1-Regeln ausbremst, einen neuen Motor für 2015 entwickelt und im ersten Jahr des neuen Motorenreglements (2014) fleißig und ohne jede Einschränkung testet, gleichzeitig auch noch die künftige Konkurrenz beobachtet, hat zumindest Rob White nicht: "Soweit ich weiß, testet niemand. Ich schätze, davon hätten wir gehört", erklärt der Renault-Chefentwickler gegenüber 'Motorsport-Total.com' und ergänzt: "Ich bin zuversichtlich, dass die zuständigen Autoritäten das richtig handhaben können."

Natürlich wolle man keinem potenziellen Gegner einen Vorteil schenken, aber: "Wenn es einen ernstzunehmenden Player gibt, der die notwendigen Budgets bereitstellt, um eine neue Antriebseinheit für die Formel 1 zu entwickeln und bauen, dann müsste man über die Bedingungen natürlich diskutieren. Aber es ist eine gute Sache für den Sport und die anderen Hersteller, wenn da noch jemand kommt. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren", sagt White.

Dass Renault und Co. während der Saison nicht testen, Honda das aber tun könnte, wäre "sicher nicht der wichtigste Diskussionspunkt, falls jemand kommen möchte", unterstreicht der Brite. "Es würde vielmehr darum gehen, wie wir damit umgehen, dass die derzeit engagierten Hersteller in ihrer Weiterentwicklung eingeschränkt sind, wenn jemand anderes im gleichen Zeitraum außerhalb der Formel 1 frei weiterentwickeln darf."

Honda wäre für McLaren finanziell interessanter als Mercedes

Tatsache ist: McLaren muss seit dieser Saison wieder für die Mercedes-Motoren bezahlen - und das, obwohl das Team finanziell ohnehin schon mal besser aufgestellt war. Honda hingegen würde nicht nur Motoren liefern, sondern auch die Kriegskasse aufbessern: "Ich habe erfahren, dass Honda 20 Millionen Dollar bereitstellen will, damit man wieder mit Partner McLaren in der Formel 1 auftreten kann", wird Eddie Jordan von 'Auto Bild motorsport' zitiert.

Honda und McLaren, da werden Erinnerungen wach: Zwischen 1988 und 1992 gewannen Ayrton Senna, Alain Prost und Gerhard Berger 44 Grands Prix für die japanisch-britische Partnerschaft, inklusive je vier Fahrer- und Konstrukteurs-WM-Titel. Besonders beim Heim-Grand-Prix in Suzuka sorgten Senna und sein Honda-Motor für eine unbeschreibliche Euphorie - weil bei weitem nicht ausreichend Zuschauerplätze vorhanden waren, mussten die Eintrittskarten in jenen Jahren stets verlost werden.

Kein Wunder, dass man solche Zeiten gerne wieder aufleben lassen würde: "Ich verfolge die Regeln genau, natürlich, und wenn sich eine Gelegenheit bietet, dann wäre es schön, wieder in die Formel 1 zurückzukehren", meinte Yoshiharu Yamamoto, Honda-Konzernvorstand für Forschung und Entwicklung, bereits im Winter. Das Geld wäre jedenfalls nicht das Thema: Honda hat sich von diversen Krisen gut erholt und rechnet dieses Jahr mit Gewinnen in Milliardenhöhe.

Weltweit größter Hersteller von verschiedenen Motoren

Das 2014er-Motorenreglement mit V6-Turboladern und verstärkter Energierückgewinnung könnte Honda als weltweit größtem Motorenhersteller gefallen: "Das ist so eine Herausforderung, wie sie sie mögen", glaubt Mercedes-Teamchef Ross Brawn, der seinen Rennstall vor der Weltmeister-Saison 2009 von Honda gekauft hat. "Sie sehen die Formel 1 als Übung für Forschung und Entwicklung. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass ihnen die neuen Regeln gefallen."

"Ich sehe aber keine konkreten Anzeichen dafür, dass sie im Moment etwas machen", relativiert er. "Als Konzern stehen sie nach einigen schwierigen Jahren viel besser da und sicher gibt es viele Ingenieure, die liebend gerne zurückkehren würden. Aber ob das auch durch eine strategische Entscheidung unterstützt wird? Nicht dass ich wüsste. Wir würden Honda jedenfalls willkommen heißen. Je mehr Motorenhersteller wir in der Formel 1 haben, desto besser."

Auch unser Experte Marc Surer kann sich eine Rückkehr vorstellen: "Ich traue das Honda eigentlich zu. Honda hat ja zugegeben, dass außer Formel 1 eigentlich nichts bringt, was werbewirksam wäre. Die haben schon bemerkt, wie toll die Formel 1 eigentlich war, die Aufmerksamkeit, die es in der Formel 1 gibt", so der ehemalige Formel-1-Pilot. Honda hatte sich ja Ende 2008 nach einigen erfolglosen Jahren mit einem eigenen Werksteam (heute Mercedes) zurückgezogen.

Honda legt Wert auf sportliche Fairness

Sollten die Japaner zurückkehren, dann möchten sie es auf ehrliche Art und Weise tun: "In der Formel 1 ist Ferrari die absolute Autorität. Darunter haben wir damals sehr gelitten", sagte Shuhei Nakamoto, Vizepräsident von Hondas Motorsportdivision, kürzlich in einem Interview über die Vormachtstellung von Honda in der MotoGP. "Wir sind in der MotoGP in einer ähnlich starken Position, gehen aber fair mit unseren Rivalen um. Sonst würde die MotoGP ihre Attraktivität verlieren."

Möglicherweise ist es diese Einstellung, die Renault und Co. die Angst davor nimmt, dass ein mögliches Honda-Projekt jedes Schlupfloch gnadenlos ausnutzen und das nicht vorhandene Testverbot für Motorenhersteller außerhalb der Formel 1 ohne Rücksicht auf sportmoralische Werte ausschöpfen könnte. Denn solange Honda (oder ein anderer Hersteller) nicht in die Formel 1 einsteigt, gilt natürlich auch kein Formel-1-Reglement - und die Vorbereitungen kann den Japanern niemand verbieten.

Aber zur Gelassenheit der derzeit in der Königsklasse vertretenen Motorenhersteller trägt womöglich auch bei, dass die Bedeutung von Testfahrten in den vergangenen Jahren abgenommen hat: "Tests im Auto sind ein wichtiger Teil der Rennvorbereitungen, aber man muss auch verstehen, dass das Testen, wie wir es heute betreiben, keine erforschende Arbeit mehr ist, sondern bestätigende. Es ist eine der letzten Phasen der Validierung", erklärt Rob White von Renault.

Wann ist der ideale Zeitpunkt für Testfahrten?

"Es gibt ein Paradoxon: Wenn man beim Testen etwas Unerwartetes entdeckt, haben wir nur sehr wenig Reaktionszeit. Legt man die Tests so weit nach vorne, dass man im Falle unerwarteter Probleme noch genug Zeit hat, dann ist man mit dem Datum so früh dran, dass man noch keine ausgereifte Spezifikation zu testen hat", gibt der Brite zu Protokoll und grinst: "Das ist wie die Frage nach Huhn oder Ei: Was war zuerst?"

Aufgrund dieser Überlegungen ist es auch zunehmend wahrscheinlich, dass trotz der Einführung eines neuen Motorenformats ab 2014 das bestehende Testverbot im kommenden Sommer nicht gelockert wird. Hersteller und Teams hatten sich anfangs gewünscht, zusätzliche Testfahrten im Hinblick auf das Reformjahr 2014 durchführen zu können, doch zumindest auf Seiten von Renault, Ferrari und Mercedes scheint dieser Wunsch kaum noch präsent zu sein.

"Wir sind dazu bereit, die Motoren erst spät ins Auto zu installieren, um die Performance-Zuverlässigkeit in der Fabrik zu entwickeln und dann kurz vor dem ersten Rennen nur noch diverse Systeme im Auto zu checken", sagt White und stellt klar: "Es gibt keine festen Entscheidungen, aber es ist wahrscheinlich, dass wir erst vor Saisonbeginn in den 2014er-Autos testen werden. Wir werden jedenfalls nicht diesen Sommer oder Herbst testen."

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