Interview mit Patrick Herrmann: Er schärfte die Corvette C7 extra für Europa

, 13.01.2014


466 PS stark, nur 4,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100 und 292 km/h schnell - die neue Corvette C7 Stingray steht kurz vor dem Durchstarten in Deutschland. Doch vor dem Marktstart wird das US-Biest extra für Europa nochmals intensiv geschärft. Wie Patrick Herrmann zum vermutlich wichtigsten Corvette-Testfahrer in Europa wurde und was hinter den Kulissen passierte, erzählte uns Patrick Herrmann in einem Interview. Christian Brinkmann von Speed Heads traf den enthusiastischen Corvette-Testfahrer, der aus dem Nähkästchen plauderte.

Patrick, wie entstand Deine Leidenschaft für Autos?

Im Alter von 12 Jahren war ich sehr fasziniert vom Rallye-Fahren und war schon immer sehr motorsportaffin. Als kleiner Junge druckte ich mir die gesamten Zeitpläne der Rallye Monte Carlo aus und fragte damals die einzelnen Sonderprüfungsergebnisse über Telefonsportdienste ab, da die Radiomeldungen für mich viel zu spät kamen. Für mich gab es nichts anderes außer Autos und Motorsport. Bereits mit 16 Jahren war ich in den Ferien und an den Wochenenden als Schrauber dabei und reiste durch ganz Europa. Es ergriff mich immer stärker, so dass ich mit 18 direkt den Führerschein machte und dann selbst im Motorsport fuhr.

Beschreibe aus Deiner Sicht die „Faszination Corvette“.

Es ist ein Sportwagen, bei dem man merkt, dass dieses Auto eine große Historie in den Genen besitzt. Bei der Corvette handelt es sich mit über 60 Jahren um den am längsten gebauten Sportwagen. Durch die Abstimmungsfahrten bin ich sehr viel unterwegs und merke, wie sehr die Autoenthusiasten dieses Auto lieben und die Fans das Auto leben. Das Auto macht so viel Spaß, hat so viel Emotionen und weckt so viel Leidenschaft - und das macht einen Sportwagen besonders.

Was war Dein lustigstes und spannendstes Erlebnis während der Abstimmungssfahrten mit der Corvette C7 durch Europa?

Zu den Standarderlebnissen gehört, dass man plötzlich von rechts und von links fotografiert wird, dass sich andere Autos vor einen setzen und Fans insbesondere bei Geschwindigkeitsbegrenzungen die Gelegenheit zum Fotografieren nutzen. Ein lustiges Erlebnis: Wir fahren oft die gleichen Teststrecken. Als ich einmal auf einem Parkplatz stand, kamen plötzlich Kollegen von einem anderen Autohersteller auf mich zu und konnten mich sogar mit meinem Namen ansprechen, obwohl ich diese nie zuvor sah. Die Kollegen wussten, dass wir unterwegs waren, liefen um die Corvette herum und waren ganz begeistert.

Interview Patrick Herrmann Chevrolet Corvette C7 Stingray Europa LT1 6.2 V8 Testfahrer Testfahrt Abstimmungsfahrt Christian Brinkmann MagneRide Rev Matching

In welchen Ländern warst Du unterwegs?

Wir waren viel in Deutschland unterwegs, aber auch in Italien, der Schweiz sowie in Frankreich und in Holland. Die Alpen überquerten wir über Passstraßen - das gehört dazu.

Was speziell wurde bei den Abstimmungsfahrten getestet?

Was speziell Fahrwerk und Lenkung betrifft, machten wir in Deutschland aufgrund der Begebenheiten, der Straßen und der Geschwindigkeiten, die wir hier fahren dürfen. Andere Punkte wie Radio und Navigation - da schauen wir über die Grenzen, um zu sehen, ob alles funktioniert.

Insbesondere das Fahrwerk erfuhr eine europäische Anpassung. In puncto Fahrwerk sind wir mit MagneRide (Magnetic Selective Ride Control = elektronische Stoßdämpferregelung, bei der eine spezielle, per Magnetfeld gesteuerte Hydraulikflüssigkeit die Dämpfungscharakteristik kontinuierlich den Fahrbahnverhältnissen anpasst) so ausgestattet, dass wir mit einer Software-Änderung alles erreichen können, was wir ändern wollen. Das sind viele Kleinigkeiten, die wir in Daten haben, da wir alles aufzeichnen. Aber das Letzte lässt sich nur fühlen, wenn man mit dem Auto auf der Straße unterwegs ist, wie zum Beispiel bei der Lenkung und dem Fahrwerk. Die Corvette verhält sich jetzt völlig anders als zu Beginn der Testfahrten.

Fährst Du auch Tests auf „Folterpisten“?

Wir waren zwei Wochen am Nürburgring und fuhren dort in Geschwindigkeiten wie Rennwagen. Das ist vergleichbar mit einem konstanten 24-Stunden-Rennen über zwei Wochen. Das ist eine bewusst sehr belastende Aufgabe für das Fahrzeug, das wir dort einsetzen. Mein Fahrzeug wurde insbesondere für die Tests auf der Straße genutzt.

Wie werden Grenzwerte auf öffentlichen Straßen getestet?

Das Ausfahren und das Testen der Höchstgeschwindigkeit gehört dazu, aber immer im Rahmen der gesetzlichen Begebenheiten mit dem obersten Gebot der Sicherheit. Die Kunden werden ihre Corvette sicherlich auch schnell fahren und erwarten bei hohen Geschwindigkeiten ein sauber abgestimmtes Auto. Alles, was an den Grenzbereich geht, machen wir allerdings auf eigenen Teststrecken oder auf der Nordschleife.

Interview Patrick Herrmann Chevrolet Corvette C7 Stingray Europa LT1 6.2 V8 Testfahrer Testfahrt Abstimmungsfahrt Christian Brinkmann MagneRide Rev Matching

Wie macht sich die Corvette auf der Rennstrecke und auf unebenen, kurvigen Alpenpässen?

Auf der Rennstrecke verfolgten wir die Philosophie, das Auto so abzustimmen, dass es für den normalen Kunden viel einfacher zu handeln und zu fahren ist. Insbesondere das neue elektronische Sperrdifferential und Funktionen wie „Rev Matching“ als Gangwechselerkennung ermöglichen es dem Kunden, viel näher an seinen Grenzbereich zu kommen und das Auto dabei zu fühlen.

Zu den Alpenpässen: Durch den Einsatz von MagneRide, das wir zusammen mit Delphi entwickelten, es dadurch einige Jahre exklusiv bei General Motors besaßen und es seit der Corvette C5 serienmäßig verbauen, haben wir unheimlich viele Möglichkeiten. Wir können 1.000 Mal pro Sekunde die Federrate verändern und die Dämpfung anpassen. Das gibt insbesondere bei Unebenheiten zusammen mit der Auswahl der verschiedenen Fahrmodi von „Tour“ über „Sport“ bis zu „Track“ die Möglichkeit, dem Kunden seinen jeweiligen Level an Komfort oder Sportlichkeit zu ermöglichen. Die Corvette C7 fährt dabei sehr präzise.

Was gefällt Dir an der neuen Corvette am besten?

Mir persönlich gefallen neben dem unheimlich ansprechenden und großartigen Design die Änderungen im Aerodynamik-Bereich, die sich sehr positiv auf das Fahrverhalten auswirken, insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten. Man fühlt sich sehr wohl in dem Auto, es ist sehr präzise von den Lenkimpulsen, die es gibt, und von der Stabilität, die es hat.

Was stellt die größte Innovation gegenüber der Corvette C6 dar?

Ich denke, es ist sicherlich die Philosophie, die wir mit diesem Auto verfolgen, nämlich dem Fahrer die Möglichkeit zu geben, alle seine persönlichen Fahrmöglichkeiten mit diesem Auto auszuschöpfen und das Auto dabei so abzustimmen, dass es sich für den Normalverbraucher einfacher handeln lässt.

Wen spricht die neue Corvette am meisten an: Passionierte Racer oder sportliche Cruiser?

Die neue Corvette soll diejenigen ansprechen, die einen Sportwagen suchen, der für alles einsetzbar ist. Es gibt, meiner Meinung nach, kaum einen Sportwagen, der so multifunktional ist. Allein das für einen Sportwagen große Kofferraumvolumen mit 425 Litern ermöglicht die Mitnahme von viel Gepäck. Die Corvette besitzt darüber hinaus die verschiedenen Fahrwerksabstufungen und kann im Alltag komfortabel fahren und auf der Rennstrecke besonders sportlich.

Interview Patrick Herrmann Chevrolet Corvette C7 Stingray Europa LT1 6.2 V8 Testfahrer Testfahrt Abstimmungsfahrt Christian Brinkmann MagneRide Rev Matching

Welche Corvette magst Du am liebsten?

Die C1 ist über alles erhaben und wunderschön. Aber ich muss ehrlich sagen, wenn man so einen Oldtimer im Vergleich zu einem neuen Auto fährt, ist das noch richtig Arbeit. Von der Alltagstauglichkeit ist daher die C7 mein absoluter Favorit.

Welches ist Deine Lieblings-Rennstrecke?

Ich komme eigentlich vom Rallye-Fahren. Das ist der Bereich, wo ich mich im Motorsport nach wie vor sehr wohl fühle. Wenn man als Rallye-Fahrer jedoch auf eine Rennstrecke gehen muss, stellt die Nordschleife für mich das Highlight dar.

Wie kamst Du zum Job als Testfahrer und Technischer Manager bei Chevrolet Europe?

Es war eine sehr interessante Entwicklung. Ich hatte einen amerikanischen Kollegen, das war noch zu Zeiten der C5 als ich dort anfing, und wir haben damals noch nicht wirklich in Europa gearbeitet und getestet. Wir haben uns dann in mehreren Gesprächen über verschiedene Probleme und Änderungswünsche von unserer Seite unterhalten. Irgendwann holten wir das komplette Team der einzelnen Fachbereichs-Ingenieure nach Europa und haben mit denen eine Fahrveranstaltung durchgeführt, um denen zu zeigen, was in Europa wirklich veränderbar ist und sich ändern muss, damit dieses Auto auf den Level kommt, wo wir heute sind. So ergab sich das dann und es bereitet nach wie vor viel Spaß.

Hast Du Vorbilder? Personen, die Dich und Deine Aktivitäten beeinflussten?

Zu meinen Zeiten als Rallye-Fahrer bewunderte und bewundere ich auch heute nach wie vor Walter Röhrl als Rennfahrer, aber auch durch seine Einstellungen als Mensch. Er ist wirklich ein ganz toller Motorsportler!

Welches war Dein erstes eigenes Auto?

Das war etwas ganz exotisches. Mein erstes Auto, mit dem ich auch begann, Rallyes zu fahren, war ein Talbot Sunbeam Ti. Ich hatte damals nicht die finanziellen Möglichkeiten, mir zwei Autos zu leisten, so dass ich den Sunbeam auch privat fuhr. Ging an dem Auto bei einer Rallye etwas kaputt, musste ich erst einmal Fahrrad fahren.

Welchen Traum möchtest Du noch realisieren?

Ich würde gerne mal mit einem Rennrad nach Alpe d'Huez hochfahren. Einige Etappen der Tour de France würden mich sehr reizen.

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