Audi R8 V10 Spyder Test: Ferruccio's heimliches Findelkind

, 05.05.2015


Der Ingolstädter Supersportwagen Audi R8 sorgt auch nach rund sechs Jahren Bauzeit für ordentlich Aufsehen auf der Straße. Da ist es nicht verwunderlich, dass ich mich wie ein kleines Kind auf den Test des Audi R8 V10 Spyder freute; denn trotz bereits über 20.000 produzierten Fahrzeugen gehört der R8 nicht zum alltäglichen Straßenbild und die „Oben ohne“-Version verspricht zusätzlichen Fahrspaß, kombiniert mit einer frischen Brise von vorne.

Kommen wir erst einmal zu den harten Fakten: Der aktuelle Audi R8 V10 Spyder mobilisiert 525 PS bei 8.000 Touren und ein maximales Drehmoment von 530 Nm bei 6.500 U/min. Zusammen mit dem neuen „S tronic“-Getriebe sorgt das für Beschleunigungsorgien in nur 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Top-Speed liegt bei 311 km/h. Eine Launch Control steht für den Ampelspaß zwischendurch zur Verfügung. Mit manuellem Getriebe vergeht der Sprint in 4,1 Sekunden auf 100 km/h - dafür ist erst bei 313 km/h das Ende der Fahnenstange erreicht. Als klassischer, frei saugender Hochdrehzahlmotor entwickelt der R8 seine volle Leistung erst, wenn sich die Nadel des Drehzahlmessers dem roten Bereich nähert. Das Motto zum richtigen Fahrspaß lautet: „Es gibt nur ein Gas, Vollgas!"

Der Audi R8 V10 Spyder entpupppt sich als heimlicher Spritsparer

Der Verbrauch des Audi R8 V10 Coupé mit der „S tronic“ beträgt im Mittel 13,1 Liter auf 100 Kilometern, was wir in unserem einwöchigen Test und ca. 2000 km kombiniert aus Autobahn, Landstraße und etlichen Kurzstrecken ziemlich genau erzielten. Interessant war dabei ein Gleichmäßigkeitstest auf der Autobahn, den wir über etwa zwei bis drei Stunden durchführten: Bei ruhigem Gasfuß, einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h und der Sägezahntechnik (Gas geben vor Steigungen und anschließendem Rollen lassen) konnten wir einen Durchschnittsverbrauch knapp unter 10 Litern erzielen. Zugegeben, dieser Test ist nicht gerade repräsentativ und findet auch wenig Nachahmer, will man den R8 doch meist mit viel Spaß von A nach B pilotieren, was allerdings mit deutlich höheren Verbrauchswerten einhergeht. Dennoch war dieser Test faszinierend; denn ein Audi R8 lässt sich trotz über 500 PS im Kreuz sparsam fahren, wenn man möchte.

Nicht zuletzt erzielt man solche Werte durch den Einsatz ausgeklügelter und moderner Technik . So wurde der Audi R8 vor Kurzem noch einmal extra „renoviert“: Wichtigste Neuerung stellt das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe dar, das schneller und harmonischer schaltet als das alte vom Lamborghini Gallardo bekannte R-Tronic-Getriebe. Die in Handmontage entstehenden Motoren sind frei saugende Hochleistungstriebwerke und kommen gänzlich ohne Turbo- oder Kompressoraufladung aus. Die CO2-Emissionen sanken dank der neuen „Siebengang S tronic“ um bis zu 22 Gramm und der Sprint von 0 auf 100 km/h verkürzte sich um dreizehntel Sekunden.

Das Facelift optimierte den Audi R8 noch einmal im Detail

Auch optisch frischten die Macher den R8 mit dem aktuellen Facelift auf, ohne dabei den Vorgänger alt aussehen zu lassen. Die Lufteinlässe im Frontstoßfänger tragen nun je drei Querstreben. Die LED-Scheinwerfer und die Heckleuchten mit dynamisierten Blinkern (LED Lichter „laufen“ in Blinkrichtung durch) am unteren Rand der Leuchte gehören nun zur Serienausstattung. Selbstverständlich wurde auch das Heck runderneuert. Den großen Diffusor, optional aus Carbon gefertigt (Serie beim R8 V10 plus), zog Audi weit nach oben. Die Auspuff-Endrohre sind nun nicht mehr oval, sondern rund. Insgesamt ein sehr stimmiges Gesamtbild mit einer besonders sportlichen Note.

Breit und sprungbereit steht der 4,44 Meter lange, 1,93 Meter breite und nur 1,24 Meter hohe Audi R8 Spyder auf der Straße. Im Unterschied zum Coupé entfallen die Sideblades hinter den Türen; die Seitenteile bestehen aus Kohlefaser-Verbundmaterial, ebenso wie der große Deckel über der Verdeckablage. Zwei gewölbte Hutzen, die sich bis zur Abrisskante ziehen und große Lüftungsöffnungen integrieren, verleihen dem Rücken des offenen Zweisitzers ein kraftvolles Profil.

Der Audi R8 Spyder ist auch fahrdynamisch eine echte Granate

Die Fahrleistungen des Audi R8 V10 Spyder sind extrem und die Straßenlage exzellent. Nicht zuletzt sorgt das als „quattro“ bekannte Allradsystem für hervorragende Traktion und Stabilität selbst in engen Kurven. Was mir besonders gefällt: Der R8 ist im Normalbetrieb heckbetont abgestimmt - so werden nur ca. 15 % des Antriebsmomentes an die Vorderachse verteilt, was zu einem gut kontrollierbaren, leichten Übersteuern des Hecks führt. An der Hinterachse unterstützt zudem ein mechanisches Sperrdifferenzial die bestmögliche Traktion. Beginnen die Hinterräder, Grip zu verlieren, wird blitzschnell das Antriebsmoment stärker auf die Vorderachse verteilt (maximal 30%) und das Fahrzeug so stabilisiert.

Die beinahe perfekte Gewichtsverteilung von vorne 43 % und hinten 57 % tut dabei den Rest. Ein perfekter Sportler, der ebenso über eine präzise Lenkung verfügt, die dem Fahrer „akzentfreies“ Feedback gibt und dabei mit 11,8 m noch einen erstaunlich geringen Wendekreis für einen Sportwagen bietet.

Der Audi R8 Spyder besitzt als V10 serienmäßig das adaptive Fahrwerk "Audi Magnetic Ride". Der Fahrer kann die Dämpferkräfte mittels einer Taste in der Mittelkonsole zwischen "Normal" und "Sport" wählen. Die beim Testwagen montierte Keramikbremsanlage schlägt mit 8.820 Euro zwar ordentlich zu Buche, verspricht aber eine schier niemals müde werdende Bremsbereitschaft und hervorragende Bremswerte. Als kleiner Wermutstropfen muss man die Keramikbremse aber erst auf Temperatur bringen und mit leichten „Schleifgeräuschen“ leben. Für den Alltagsbetrieb reicht die serienmäßige Stahlbremse aus, die bereits auf Kurzstrecken hervorragende Werte abliefert. Dem ambitionierten Wochenend-Rennstrecken-Touristen empfiehlt sich indes die Keramikbremse.

Sportlichkeit & Luxus dominieren den Innenraum des R8 V10 Spyder

Nimmt man in dem edlen Gestühl des Audi R8 Spyder Platz, fühlt man sich sofort gut aufgehoben und bereit für neue Abenteuer. Der lange Radstand von 2,65 Metern ermöglicht indes ein großzügiges Raumangebot, das sich spüren lässt. Die Bedienelemente brachten die Macher, wie von anderen Audi-Modellen gewohnt, im Sinne einer intuitiven Bedienung an, um sich ohne große Erklärung schnell zurechtfinden zu können. Zahlreiche optional erhältliche Individualisierungselemente aus Carbon oder Alcantara und kerzengerade Kontrastnähte sorgen für eine noch sportlichere Note und runden die tadellose Haptik im Audi R8 weiter ab. Bei geschlossenem Verdeck besitzen allerdings nur Personen bis rund 1,85 m genügend Kopffreiheit.

Das Lenkrad mit dem unten abgeflachten Kranz liegt hervorragend in der Hand und bietet zahlreiche Individualisierungsmodi und Bedienelemente für das Kombiinstrument und das Multimedia-System. Es ist in in der Höhe und Länge einstellbar und lässt sich somit unterschiedlichen Personengrößen ideal anpassen.

Das im V10 Spyder serienmäßige Navigationssystem plus lässt sich ebenfalls sehr einfach bedienen, gehört aber nicht unbedingt zur neuesten Generation von Navi-Geräten. Hier wurde verständlicherweise das konzerninterne Baukastenprinzip angewandt.

In der Volllederausstattung „Feinnappa“ mit Rautensteppung tragen die Sitze und die Türverkleidungen gesteppte Bezüge, die einen besonders luxuriösen Eindruck hinterlassen. Einen Kritikpunkt bilden allerdings die kleinen Türfächer, die man eigentlich kaum nutzen kann. Damit bei rasanter Fahrweise nichts im Innenraum herumrutscht, sollte man kleinere Dinge besser im Handschuhfach oder in einem der beiden abschließbaren Fächer an der Rückwand verstauen.

Bereits in der Serienausstattung des R8 Spyders verringert eine spezielle Pigmentierung die Aufheizung des Leders durch Sonneneinstrahlung und sorgt so dafür, dass man im Sommer im Rückenbereich nicht so schnell schwitzt. Erzielt wird dies durch eine Reflexion der im Sonnenlicht enthaltenen Infrarotstrahlung, um somit die Oberflächentemperatur um bis zu 20° Celsius zu senken.

Oben ohne im Audi R8 V10 Spyder in 19 Sekunden

Wie jeder offene Audi verfügt der R8 Spyder über ein Verdeck aus Stoff - eine konsequente Lösung für einen Hochleistungssportwagen. Das Softtop wiegt nur etwa 30 Kilogramm und hält so das Gesamtgewicht und den Fahrzeugschwerpunkt niedrig. Es nimmt in geöffnetem Zustand wenig Platz in Anspruch und fügt sich geschlossen harmonisch in die Designlinie ein. Das Verdeck läuft in zwei schlanken Finnen aus, die sich zum Heckabschluss ziehen, und dabei die gestreckte Silhouette betonen.

Das Softtop besitzt einen elektrohydraulischen Antrieb und öffnet und schließt sich binnen 19 Sekunden - auch bei Fahrt bis maximal 50 km/h. Beim Öffnen faltet sich das Verdeck Z-förmig in seine Ablage über dem V10-Motor; die Abdeckklappe bewegt sich dabei automatisch. Die beheizbare Glasscheibe ist, vom Verdeck getrennt, in die Schottwand versenkt, und lässt sich bei geöffnetem wie geschlossenem Verdeck per Schalter separat ein- und ausfahren. Ein zusätzliches Windschott mit einer Netz-Struktur ist Serie; zwei Handgriffe genügen, um es in die Schottwand hinter den Sitzen einzuklinken.

Beim Audi R8 Spyder bestehen außerdem der Deckel des Verdeckkastens und die Seitenteile aus Carbon. Davon getrennt, steht die beheizbare, per Schalter ein- und ausfahrbare Glasscheibe in der Schottwand zwischen Passagier- und Motorraum, die gleichfalls als Windschott dient. Bei einem drohenden Überschlag schießen zwei starke, von Federn vorgespannte Profile hinter den Sitzen in die Höhe.

Das Verdeck besteht aus einer Außenhaut mit dichtem Textilgewebe, dem Innenhimmel und ist uneingeschränkt highspeed-tauglich. Im geschlossenen R8 Spyder liegt das Geräuschniveau bei mittleren Geschwindigkeiten kaum höher als im Coupé.

Fazit: Echter Sportwagen mit 100% Alltagstauglichkeit

Wer auf eine Reise gehen möchte, findet im Audi R8 Spyder Platz für das Nötigste. Der vordere Gepäckraum bietet immerhin 100 Liter Stauraum und auf dem Beifahrersitz ist sogar genug Platz für eine weibliche Begleitung. So ausgestattet, steht dem Kurzurlaub am Wochenende nichts mehr im Weg und der R8 mit dem tollen V10-Aggregat macht dem Motto „der Weg ist das Ziel“ alle Ehre. Hat man erst einmal Platz genommen, alle Regler auf „S“ gestellt, der Symphonie der offenen Abgasklappen im Heck gelauscht und den extrem präzise abgestimmten R8 durch zahlreiche Kurven getänzelt, dann will man alles, jedoch das Ziel nicht so schnell erreichen.

Der Audi R8 ist als einer der wenigen Sportwagen vollkommen alltagstauglich und gibt sich im Normalbetrieb äußerst sanftmütig. Im direkten Vergleich zum Konzernbruder Lamborghini (Gallardo) können wir dem R8 eine 100%-ige Tauglichkeit als Alltagsfahrzeug attestieren. Im Gegensatz zum Gallardo gibt sich der Audi im „Normal“-Modus sehr gelassen und der Spritverbrauch fällt für einen solchen Boliden moderat aus

Eines darf man nicht vergessen: Neben der eben erwähnten Gutmütigkeit pariert der R8 auf Knopfdruck sofort zum echten Sportler und offeriert neben der beeindruckenden Klangkulisse auch Fahrdynamik, die sich vor dem Vergleich aus Sant’Agata Bolognese wirklich nicht scheuen muss. Ohne die italienischen Landsleute nun in ihrem Stolz treffen zu wollen: Ein bisschen wirkt der Audi R8 wie das heimliche Findelkind von Ferrucio Lamborghini. Der Austausch technischer Bauteile von Audi und Lamborghini hat auf jeden Fall beiden Marken sehr gut getan.

Technische Daten Audi R8 V10 Spyder:

Antriebsart: Allradantrieb | Hubraum: 5.204 | Leistung: 386 kW/525 PS bei 8000 U/min | Drehmoment: 530 Nm bei 6.500 U/min | Getriebeart: Doppelkupplungsgetriebe S tronic | Vmax: 313 km/h | Beschleunigung 0-100 km/h: 4,1 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: 14,9 l/100 km | CO2-Emission: 356 g/km | Preis: ab 156.400 EUR

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