Schon bald nach der Gründung von Rolls-Royce im Jahre 1904 etablierte sich die Fahrt in einer der luxuriösen, ultra-komfortablen Sänften von Rolls als „Magic Carpet Ride“. Der sprichwörtliche Ritt auf dem fliegenden Teppich fügt seiner bisherigen Magie nun noch etwas Gespenstisches hinzu: Im Experimental-Fahrzeug Rolls-Royce Phantom 102 EX mit Elektro-Antrieb wird die nunmehr nahezu geräuschlose Fahrt zum „Spooky Carpet Ride“.
Erfreulich: Bei allem Komfort sanfter Leistungsentfaltung und der abermals gesteigerten Stille im Innenraum glänzt der Elektro-Rolls dank 800 Nm Drehmoment mit noch mehr Durchzugskraft als sein konventionelles Vorbild mit V12-Verbrennungsmotor und 720 Nm Drehmoment. Der Elektro-Antrieb könnte die Zukunft des Rolls Royce-Fahrens prägen.
800 Nm Drehmoment aus dem Stand bringen Rolls-würdige Kraftentfaltung
Das Losfahren eines Automobils ist für unsere Sinne verbunden mit bestimmten Geräuschen: Erst der Anlasser, anschließend der Sound des Motors, der anspringt und im Leerlauf auf Gasbefehle wartet. Schließlich kommt die Geräuschkulisse sich steigernder Drehzahlen aus dem Auspuff, die im Idealfall Gänsehaut erzeugt.
Nichts von all dem hört der Fahrer eines Phantom 102 EX, aber für Gänsehaut ist dank eines nahezu gespenstisch-lautlosem Antritts trotzdem gesorgt: Zündschlüssel reinstecken, Startknopf drücken - nichts ist zu hören, nur die beleuchteten Instrumente signalisieren Fahrbereitschaft. Dennoch: Schon beim sanftesten Druck auf das Pedal setzt sich der 2,7 Tonnen schwere Experimental-Rolls in erhabene Bewegung. Nicht das dezente Schnurren eines kultivierten V12-Motors stört die Stille im Interieur. Kein Ansauggeräusch dringt aus dem Motorraum ins Innere, kein Auspuff-Sound ist zu hören, nichts.
Statt der im Phantom üblichen 460 PS/338 kW aus 12 Zylindern eines Verbrennungsmotors treiben zwei Elektro-Motoren mit jeweils 145 kW (Systemleistung: 290 kW, entspricht 395 PS) den Rolls voran. Ob so die Zukunft des Rolls Royce-Fahrens aussehen könnte, sollen derzeit weltweite Testfahrten ergeben. Etwa Anfang 2012 sind die Ergebnisse der Tests zu erwarten.
Unter den bisherigen Testfahrern gilt der Elektro-Rolls als „astonishing“
Die Aussichten für den in Zukunft käuflichen Elektro-Rolls stehen gut: Trotz der 640 Kilogramm schweren Akkus unter der Haube ist der 102 EX lediglich 100 Kilogramm schwerer als der aktuelle Serien-Phantom. Und er geht bei den Fahrten als echter Rolls Royce durch: „Astonishing“ (erstaunlich) lautet unter den bisher 230 Testern aus aller Welt am Ende das typische Urteil, so Werner Zagler und Stephan Schmidt, beide Eleltronik-Entwickler Elektronik bei Rolls Royce und für den 102 EX mit verantwortlich.
Zagler ist froh über die bisherigen Erkenntnisse, denn: „Wir müssen herausfinden: Was kommt in Zukunft? Ist ein Phantom mit Elektro-Antrieb für die Kunden noch ein Rolls Royce? Die Akzeptanz zum Beispiel von Elektroantrieb auszuloten, bestimmt unsere Strategie für die Zukunft.“
Unsere nahezu lautlose Testfahrt rund um den Münchner Flughafen bestätigt die bisherige Euphorie der unterschiedlichen Testpersonen absolut. Ganz egal, ob vorn am Steuer, vorn oder hinten auf der chestnut-braunen Sitzgarnitur aus Corinova-Leder: Mit dem 102 EX erregt man nicht nur optisch Aufsehen, sondern hinterlässt einen bleibenden akustischen Eindruck.
Davon zeugen jedenfalls die erstaunten bis ungläubigen Blicke der Passanten, an denen man gespenstisch leise vorbeischwebt - bis etwa 60 km/h ist dies mit dem Elektro-Antrieb noch deutlicher als mit dem relativ leisen V12-Verbrennungsmotor der Fall. Erst danach treten beim 102 EX wie beim V12-Phantom Abroll- und Windgeräusche in den Vordergrund.
Das enorme Drehmoment der beiden Elektromotoren bringt beachtliche Fahrwerte: Von 0 auf Tempo 100 vergehen nur knapp acht Sekunden und 160 km/h Spitze (abgeregelt, um die Akkus nicht zu schnell leerzusaugen). Der lautlose Spuk in Form der Reichweite dauert bis zu 200 Kilometer. Sind die Akkus leer, nimmt die Wiederaufladung an einer normalen Haushaltssteckdose 24 Stunden in Anspruch, mit Starkstrom ist der 102 EX in 8 Stunden wieder voll aufgeladen.
Viele Rolls-Fahrer sind an der leuchtend blauen „Emily“ interessiert
So, wie sich das derzeit weltweite Einzelstück bewegen lässt, wird das Experimentalfahrzeug von Rolls-Royce nie zu kaufen sein. Erkennungsmerkmale des Elektro-Phantoms: Ein Spezial-Instrument links vom Tachometer zeigt dem Fahrer an, wenn dank Pedal-Lupfen Bewegungsenergie in Strom verwandelt wird und die Akkus auflädt. „Rekuperieren“ heißt die Neuheit im Wortschatz eines Rolls-Fahrers.
Wer auf dem Lenkrad die verchromte „Load“-Taste drückt, verstärkt den Lade- und Bremseffekt des Rekuperierens abermals. Spätestens in der höheren Stufe kann man auf einen Einsatz der Phantom-Bremsanlage meist verzichten.
Von außen sichtbar: Die Klappe, hinter welcher der Ladestecker sitzt, die früher Tankklappe hieß. Außerdem: Wenn es dunkel wird, hält die klassische Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“, umgangssprachlich „Emily“ genannt, ihre zierliche Nase leuchtend blau in den Fahrtwind. Die blaue Elektro-Emily besteht aus transparentem Makrolon. Zum Leidwesen einiger Rolls-Besitzer, die sie schon beim jetzigen Phantom gerne immer im Blickfeld hätten, ist sie jedoch ebenso wenig käuflich wie der 102 EX.
Ein Elektro-Rolls könnte gut und gerne bereits zur nächsten Phantom-Generation in den Showrooms von Rolls Royce stehen. Das wird vermutlich ab 2015 so weit sein. Aber ein Rolls mit Elektro-Antrieb wäre gar nicht so neuartig, wie es zunächst scheint: Bereits vor Gründung der Firma 1904 beschäftigten sich Charles Rolls und Henry Royce mit Elektro-Mobilität. Später liefen die Fahrzeuge von Rolls-Royce so leise, dass sie der US-Zoll beim Import in die USA für Elektro-Autos hielt.
Bereits in den Anfangsjahren der Luxus-Marke schrieb Charles Rolls im britischen „Automobile Journal“ einen Satz, der heute mehr Gültigkeit hat denn je: „Sie sind absolut lautlos und sauber. Es gibt keine Gerüche oder Vibrationen, sie werden sich in Städten als sehr nützlich erweisen, wenn feste Ladestationen aufgebaut werden können.“
Als hätte es Charles Rolls höchstpersönlich ins Lastenheft geschrieben: Gut 100 Jahre danach erproben die Entwickler mit dem Phantom 102 EX das kontaktlose Aufladen der Akkus über Induktionsfeldern. Etwas aus heutiger Sicht Gespenstisches wird den künftigen „Spooky Carpet Ride“ bereits im Stand umgeben.
Technische Daten Rolls Royce Phantom 102 EX:
Antriebsart: Allradantrieb | Leistung: Zwei Mal 145 kW (Systemleistung 290 kW/395 PS) | Drehmoment: 800 Nm | Vmax: 160 km/h | Beschleunigung 0-100 km/h: Unter 8 Sekunden | Leergewicht: 2.720 kg | Maximale Reichweite: 120 km | Preis: Unverkäuflich


























