Was kaum jemand weiß: Der erste Prototyp des VW Golf I Cabrios hatte, wie das neue Golf Cabriolet, keinen Überrollbügel. Grund genug für eine kleine Rückblende und nähere Betrachtung des ersten Prototypen der 1970er-Jahre, der noch heute im Werksmuseum von Volkswagen Osnabrück bei Karmann zu bewundern ist. Wie alle Generationen zuvor, entsteht auch das neue VW Golf Cabrio wieder bei Karmann. Heute sind die Werke im Besitz von Volkswagen.
© Foto: Speed Heads
Zeitsprung: Der VW Golf war 1974 fantastisch angelaufen und 1976 die Modellpalette um den später legendären GTI sowie einen wegweisenden Diesel erweitert worden. Noch im selben Jahr deutete sich an, dass der Golf auch die letzte Bastion des Käfers als Cabrio-Version stürmen würde. „Gleich mit Erscheinen des Golfs startete Karmann in Absprache mit Volkswagen die Entwicklung des Cabrio-Prototypen. Parallel begann Volkswagen mit der Versuchsarbeit", erinnert sich Anton Konrad, in jenen Jahren Leiter der Motorpresse bei Volkswagen.
Ein Cabriolet auf Basis eines Kompakten? Und das, obwohl das Segment der offenen Viersitzer in Europa seit Ende der 1960er-Jahre so gut wie tot war? Kein Wagnis, sondern logische Konsequenz, meint Klaus Bischoff, heutiger Designchef der Marke Volkswagen: „Nur die Besten, die aus der Masse herausstechen, taugen als Basis für ein Cabrio. Und deswegen hatte der Golf I - damals das ausdrucksstärkste Modell von Volkswagen - die Kraft, das Segment wiederzubeleben."
Im Dezember 1976 entstand bei Karmann der erste Prototyp jenes Fahrzeugs, das diese Aufgabe stemmen sollte. Der atlasweiße Offene besaß die kantige Kofferraumklappe der Limousine, Eckpunkt des berühmten C-Säulen-Knicks von Giorgio Giugiaro, dem Designer des ersten Golfs. Auch die Windschutzscheibe und die Dreiecksfenster übernahmen die Macher - anders als beim Käfer Cabrio - vom Basismodell. Schließlich sollte das Golf Cabrio zu einem attraktiven Preis zu vermarkten sein. Auch ohne festes Dach wies der Prototyp des A1C, so die interne Bezeichnung, alle zentralen Erkennungsmerkmale des Golfs auf.
Die Verdeckkonstruktion legte sich bemerkenswert flach auf das kurze Heck - allerdings um einen Preis, den nur Prototypen rechtfertigen; denn die große Glasheckscheibe war am unteren Rand mit Scharnieren befestigt und wurde beim Öffnen des Daches schlicht nach innen heruntergeklappt. Die hinteren Seitenfenster waren voll versenkbar und machten mit ihren Chrom-Rahmen auch hochgekurbelt eine gute Figur. Doch all das sind nur Randnotizen, gemessen an dem Merkmal, dem das spätere Serienmodell seinen Spitznamen verdankte: Der „Henkel" des „Erdbeerkörbchens" fehlte.
Und wie schlich sich der Überrollbügel in das spätere Serienmodell? Anton Konrad liefert die Antwort: „Zu dieser Zeit wurde die Fahrzeugsicherheit bei Volkswagen ein herausragendes Thema. Unser damaliger Entwicklungsvorstand Professor Ernst Fiala wurde später als Sicherheitspapst bezeichnet. Er bestand darauf, dass der Bügel verbaut wurde, auch mit Blick auf die kommende Gesetzgebung in den USA."
© Foto: Speed Heads
Der bügellose Prototyp birgt übrigens ein interessantes Geheimnis: Unter den hinteren Seitenverkleidungen verstecken sich dicke Gewinde, um einen Überrollbügel anzuschrauben - man hatte also schon von Beginn an mit beiden Versionen experimentiert. Und so setzte sich letztendlich eine modifizierte Variante mit Überrollbügel durch.
Als im Juni 1979 die ersten Serienmodelle vom Osnabrücker Band fuhren, wirkte das Cabrio wie aus einem Guss: Es besaß eine aufwändige und doch unkomplizierte Dachkonstruktion, ein mit fünf Lagen Stoff gefüttertes Verdeck, einen gefälligen, glattflächigen Heckabschluss und bot Freiluftvergnügen mit vier vollwertigen Sitzen zu einem bezahlbaren Preis.
Parallel baute Karmann noch rund sechs Monate lang das Käfer Cabrio weiter; denn als die Nachricht von dessen baldigem Ende die Runde machte, zogen die Bestellungen noch einmal massiv an. „Die Käfer-Gemeinde versammelte sich sogar zu einem Trauertreffen in Wolfsburg", erzählt Anton Konrad. Er schickte den Demonstranten einen Würstchenstand statt Werkschutz und lud den Sprecher der Käfer-Freunde zu einer Probefahrt im Golf Cabrio ein. Fazit: „Der staunte, wie weit es dem geliebten Käfer technisch voraus war."
Der Rest ist Geschichte: Das 388.522 Mal gebaute VW Golf I Cabrio wurde ein Welterfolg. Spätestens bei der Ablösung durch das Golf III Cabrio (1993) nahm auch die Diskussion um den Überrollbügel neue Züge an. Fakt ist, dass der „Henkel" längst vom Störfaktor zum Stilelement gereift war - und der bügelfreie Prototyp ein Gedankenspiel blieb. Das allerdings nur bis zum 1. März 2011: An diesem Tag präsentierte Volkswagen auf dem Genfer Autosalon das neue Golf Cabriolet auf basis er sechsten Golf-Generation - dank automatisch ausfahrendem Überschlagschutz ohne Bügel.
ColorRace2010
23.05.2011
Genau dieses Fahrzeug stand auch auf der Techno Classica neben dem neuen Golf Cabrio. Hatte gerade mal geschaut, ob ich ein eigenes Foto davon habe. Scheint mich wohl nicht interessiert zu haben, weshalb das hier das Beste ist, was ich hiervon zu bieten habe: [URL=http://imageshack.us/photo/my-images/28/cimg5266.jpg/][IMG]http://img28.imageshack.us/img28/19/cimg5266.th.jpg[/IMG][/URL] Das W12 Nardo ein paar Meter weiter war interessanter.
evotecracing
25.05.2011
Sehr Schade wie einige Prototypen nie die Serienreife erblicken ...