BMW X6 35d Test - Da Big Bastard

, 28.08.2010


Irgendwie haben Autohersteller etwas von kleinen Jungs im Sandkasten. Hat der eine einen Bagger, will der andere auch einen… nur muss der natürlich besser sein. Und da die Jungs aus Stuttgart mit dem CLS zuerst was tolles, coupéförmiges mit vier Türen bauten, machten sich die bayrischen Buben darüber Gedanken, wie man das noch mal toppen könnte. Heraus kam der BMW X6. Ätsch!!!

Bei bestimmten Autos neige ich immer dazu, sie zu personalisieren und ihnen Spitznamen zu geben. Beim provokanten Zwitter-Mix des X6 aus SUV, Limousine und Coupé, war er schnell gefunden: „Big Bastard“. Wer ihn will geht Kompromisse ein. Welche das sind und ob sie überwiegen, das finden wir jetzt heraus.

Das Design – erfrischend polarisierend

Egal aus welchem Blickwinkel, die Präsenz des X6 ist nicht zu verleugnen. Zu allererst fällt der enorme Umfang auf. Der X6 ist so breit, dass manch enge Garageneinfahrt Herzrasen beim Fahrer hervorruft. Die bullige Front gibt sich angriffslustig. Neben den bösen Frontscheinwerfern mit den klassischen Corona-Ringen thront in der Mitte traditionell die zweigeteilte BMW Niere vor dem Kühlaggregat.

Um den X6 vom Plattformbruder X5 deutlich differenzieren zu können, wurde viel Aufwand betrieben. Sieben Zentimeter rasierten ihm die Bayern vom Skalp weg, dafür wuchs der X6 um fünf Zentimeter in die Breite und zwei in die Länge. Das verleiht ihm zugleich einen bulligen, aber auch athletischeren Auftritt. Gibt sich der Bruder X5 noch erwachsen, im typischen SUV-Segment, darf der X6 mit seiner neuen Coupélinie auch mal kokettieren.

Besonders pfiffig wurde die Auspuffanlage platziert. Die jeweils links und rechts platzierten Endrohre geben in der Heckansicht zusammen mit den markanten Heckleuchten den Ton an und sind darüber hinaus, Dank geschickter Designerhand sind diese auch in der eleganten Seitenansicht wahrzunehmen. Das ist nur eines von vielen Details, die der Betrachter erst auf den zweiten Blick erhascht.

Besonders interessant ist die Außenwirkung des X6. Während sich die männliche Belegschaft, erstaunlicher Weise, relativ verhalten gibt, teilweise sogar mit boshafter Zunge reagiert, scheint der X6 auf das weibliche Pendant eine unglaublich anziehende Wirkung zu besitzen. Selten gab es aus dem femininen Lager so viel Schwärmerei und Lobgesang wie für dieses Gefährt. Bei einem doch recht aggressiven Designentwurf wie diesem hätte ich eher das Gegenteil vermutet. Wie „Mann“ sich doch irren kann.

Das Heck: Schick aber unpraktisch

Und jetzt kommt der größte Knackpunkt des Coupé-Designs. Der Rundumblick nach Hinten ist durch den kleinen Fensterschlitz schlichtweg ein Witz und eine glatte sechs. Die Rückfahrkamera und das Park Distance Control sind somit Pflicht für den Big Bastard. Blöd nur, dass die Rückfahrkamera immer gute zwei bis drei Sekunden braucht bis sie den Heckbereich auf dem LCD-Display anzeigt. Zudem neigt sie in schwach beleuchteten Parkhäusern zu einem sehr verrauschten Bild.

Auch die weit ausladende Heckklappe beherbergt so ihre kleinen Tücken. Einmal auf den Kofferraumknopf gedrückt streckt sich diese auf eine Höhe von über zwei Metern. Die Gefahr dabei Lackschäden am Bürzel wegzutragen, ist somit ungemein hoch. Wer also in einer niedrigen Garage parkt sollte den Kofferraum manuell betätigen. Das schont den Geldbeutel. Der Kofferraum lässt sich, Dank der getrennt umklappbaren Rücksitze, von 570 auf 1.470 Liter erweitern. Die hohe Ladekante ist dabei wieder ein Tribut an das Design.

Interieur: Haptik auf hohen Niveau

Das Cockpit ist nahezu identisch mit dem des X5 und klar gegliedert. Neben gut verarbeiteten und ausgewählten Materialien und Farbkombinationen ist das große LCD-Display harmonisch in die Mittelkonsole integriert. Einzig das alte I-Drive-Bediensystem mag hier nicht mehr so recht reinpassen. Ab Oktober 2009 kommt aber auch hier das neue System zum Einsatz. Das niedrige Dach vermittelt gemütliche Limousinen-Atmosphäre.

Das zu jeder Tageszeit optimal ablesbare Head Up Display (optional) mag man nach kurzer Eingewöhnungszeit nicht mehr missen wollen, ebenso wie die Komfortsitze, die sich an die individuellen Bequemlichkeitsbedürfnisse anpassen lassen. Im Fond dürften sich allerdings Fahrgäste mit einer Größe ab 1,85 m dann doch ein wenig beengt vorkommen. Im Gegensatz zum X5 besteht die Rückbank aus zwei komfortablen Einzelplätzen, die den X6 zu einem reinen Viersitzer machen.

Der Motor: passt wie Pat und Patterchen

Bei dieser Extravaganz an Design darf auch die passende Motorisierung nicht fehlen. Der doppelt aufgeladene Commonrail Diesel marschiert mit 210 kW/286 PS und einem stattlichen Drehmoment von maximal 580 Nm unaufhaltsam voran. Der Dreiliter-Reihensechszylinder schreitet kultiviert und laufruhig voran. Im Fahrbetrieb ist vom Nageln, dank der guten Abdämmung im Innenraum, kaum etwas wahrzunehmen.

In nur 6,9 Sekunden preschen die 2,2 Tonnen von 0 auf 100. Für das schnelle und ruckfreie Voranschreiten sorgt eine Steptronic 6-Gang Automatik. Wahlweise kann zusätzlich manuell per Gangwahlschalter oder mit den Schaltpaddles am Lenkrad der Gangwechsel durchgeführt werden. Die Automatik arbeitet geradezu grandios mit dem Fahrer zusammen und leistet sich im Alltag äußerst selten einen Schnitzer. Ab Tempo 200 geht dem „Dicken“ dann doch ein wenig die Luft aus, er kämpft sich aber dennoch wacker bis zur Höchstgeschwindigkeit von 236 km/h voran.

Fahrwerk: ist halt ein waschechter BMW

Wer jetzt denkt, dass dicke SUV-Coupé kann nur geradeaus, der hat noch nicht den Sportsgeist von BMW erfahren.Physik, was ist das? Der X6 ballert dank der präzisen Lenkung erstaunlich neutral in jede Kurve. Besonders faszinierend ist dies, weil der Fahrer eben nicht mit dem Hintern knapp über dem Asphalt thront, sondern etliche Zentimeter darüber. Im Sport-Modus wird dies ein wenig mehr zum Erlebnis.

Will Papa mal den Racker auf der Landstraße spielen, sorgt das aktive Hinterachsdifferential DPC (Dynamik-Performance-Control) für die nötige Stabilität. Bei Bedarf kann das System die Antriebskraft per Lamellenkupplung variabel zwischen den Hinterrädern verteilen. Dank dieses Systems und des optionalen Adaptive Drive klebt der X6 wie Pattex auf der Straße. Trotz des hohen Gewichts ist dem Fahrwerk das Schieben über die Vorderräder weitestgehend unbekannt.Wer dieses Auto zum Schwitzen bringen möchte, muss schon eine extreme „Aggro-Linie“ fahren.

Agil in den Kurven – Entspannt auf Langstrecken

Nun wissen wir, dass BMW wieder eine fahraktive „Drecksau“ auf die Gummifüße gestellt hat. Aber im Grunde genommen soll der X6 ein komfortbetontes Reiseauto sein und genau das bewerkstelligt er mit Bravour. Das optimal abgestimmte Fahrwerk und die sehr präzise zu dirigierende Lenkung lassen den Fahrer hier voll auf seine Kosten kommen. Der permanente variabel agierende Allradantrieb xDrive trotzt Wind und Wetter und gewährleistet eine grandiose Traktion.

Selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 180 bleibt das Schwergewicht immer souverän gefedert in der Spur. Auch bei den Fahrgästen scheint es ein souveränes Gefühl der Sicherheit auszustrahlen. Wer als Mann im Beisein von 3 Frauen schon einmal versucht hat Vollgas zu geben, wird das nachempfinden können. Spätestens ab der magischen 200 fangen sie alle an zu meckern. Nicht so beim X6. Die weiblichen Fahrgäste schienen sich zu jeder Zeit wohl zu fühlen.

Die Schattenseite: Wer schön haben will, muss blechen

BMW ist sich seiner Berufung als Premium-Hersteller durchaus bewusst, dementsprechend lang ist die Aufpreisliste. Zu dem Grundpreis von 64.000 Euro für das Basis-Model gesellten sich bei diesem Testwagen noch Extras im Wert von schlappen 24.560 €.

Um es mal deutlich zu machen: Wer bereit ist die 4.000 Euro Aufpreis für das Professional Navigationssystem hinzulegen, muss aber dennoch für einen USB-Anschluss weitere freche 300 Euronen hinlegen.

Fazit: Die Bavaren zeigen sich mutig und setzen mit dem X6 einen Trend

Nicht jeder Autohersteller traut sich neue Gefilde zu erforschen. BMW zeigte sich mutig und präsentierte 2008 das viertürige SUV-Coupé. Setzte Mercedes schon mit dem CLS einen Trend, so setzten die Bavaren noch mal einen drauf. Und der X6 hat gerade durch seine polarisierende Art das Zeug zum Klassiker.

Die Autohersteller proben derzeit den Aufstand gegen die braven Autoredaktionen, die immer viel Praxisnutzen verlangen. Denn Design kommt offensichtlich an, auch wenn Käufer dafür einige Kompromisse eingehen müssen. Das Resultat: Wer ihn haben will, muss Geduld beweisen und darf sich auf eine Wartezeit von bis zu sechs Monaten einstellen. Manchmal wird Mut zur richtigen Zeit eben doch belohnt.

Datenblatt X6 35 xDrive

Antriebsart: Allradantrieb | Zylinder/Ventile: 6/4 | Hubraum: 2.993 cm³ | Leistung: 210 kW (286 PS) bei 4.400 U/min | Drehmoment: 580 Nm bei 1.750-2.250 U/min | Vmax: 236 km/H | Co2 Emission g/km: 220 | Beschleunigung 0-100 km/H: 6,9 s | Durchschnittsverbrauch: 8,3 l/100 km | Gewicht: 2.185 kg | Preis: ab 64.000,00 EUR inkl. MwSt.

2 Kommentare > Kommentar schreiben

28.08.2009

Hab den X6 vor nem guten Halben jahr in Köln vorm RheinEnergie Stadion gesehen. Macht was her das Teil. Sehr schön geschrieben , wie immer :applaus:

31.08.2009

Ein guter Freund hat sich die Kiste gekauft und muss sagen - ich war von der "Art" wie sich die Masse bewegt begeistert - auch die kl. Spielerei im Cockpit "Leitung bezogen auf die Räder" ist ein nettes Add On - was absolut daneben ist die Sicht nach hinten - trotz PDC und Rückfahrcam. war es z.T echt schwer mit der Kiste vernünftig einzuparken... Die Leitungsentfaltung war enorm und die Bremsen sehr Standfest - was ich negativ finde ist der kl. im Verhältniss zum Auto gewachsene (oder geschrumpfte) Kofferraum


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