Held oder Weichei: Volkswagen betitelt den VW Caddy Alltrack als Abenteuer-Variante. Der Allrad-Antrieb bietet zweifellos eine bessere Traktion auf nasser oder schneebedeckter Straße. Aber wir gehen einen Schritt weiter und wollen es auf die harte Tour erfahren. Der allradangetriebene Familien-Van soll sich im richtigen Gelände beweisen - nicht einfach auf einem Waldweg, sondern im Offroad Driving Camp Pachfurth bei Wien, in dem sich sonst echte Geländewagen vom Schlage eines Jeeps tummeln. Unser Testwagen: der VW Caddy Alltrack 2.0 TDI 4MOTION mit 122 PS.
Sicherlich sind Familien-Vans dazu gebaut, hart im Nehmen zu sein und möglichst viel Gepäck sowie Utensilien unterzubringen. Bereits die Vorstellung, sich mit einem VW Caddy in echtes Gelände zu begeben, ist für viele absurd. Da passen Offroad-Fahrten mit einem hochbauenden Kastenwagen nicht in das gängige Bild. Zumal viele SUV durch ihren Frontantrieb das Wildern im Gelände verlernen.
Während viele Vans nicht gerade trendy aussehen, gibt sich der VW Caddy Alltrack mit seinem stylischen Offroad-Look sogar echt cool. Exklusive Ausstattungsfeatures sind beispielsweise die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen des Typs „Quito“, schwarze Beplankungen der Radhäuser und Schweller, ein Design-Unterfahrschutz und eine silberfarbene Dachreling. Damit setzt sich der Caddy Alltrack optisch deutlich von seinen zivileren Brüdern ab. Dazu kommen eine Privacy-Verglasung, der spezifische Kühlergrill mit drei Chrom-Rippen und die in Silber lackierten Außenspiegelgehäuse. Ebenfalls an Bord: Halogen-Scheinwerfer, Nebelscheinwerfer und abgedunkelte Rückleuchten.
Antrieb: Für den richtigen Schub in allen Situationen
Für den Vortrieb unseres VW Caddy Alltrack 2.0 TDI 4MOTION mit einem elektronisch geregelten, permanenten Allradantrieb sorgt der 2,0 Liter große TDI mit 122 PS bei 2.900 bis 4.500 U/min und einem maximalen Drehmoment von 300 Nm, die zwischen 1.500 und 2.800 Touren zur Verfügung stehen. Die Kraftübertragung übernimmt bei unserem Testwagen ein 6-Gang-Handschaltgetriebe, dessen Gänge sich leicht und präzise wechseln lassen.
Auf der Straße spurtet der VW Caddy Alltrack 4MOTION mit dieser Motorisierung in 11,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und beendet seinen Vortrieb bei 178 km/h. Doch die Spurtwerte interessieren uns bei diesem Test nicht - genauso wenig wie der durchschnittliche Verbrauch, den Volkswagen im Idealfall auf der Straße bei defensiver Fahrweise mit sparsamen 5,4 Litern Diesel auf 100 Kilometern angibt, was einem CO2-Ausstoß von 143 g/km entspricht.
Motor und Getriebe treffen auf ein Fahrwerk, das Volkswagen speziell auf unterschiedliche Lasten auslegte. Dazu zählen die Einzelradaufhängung an der Vorderachse und die starre Hinterachse an Blattfedern mit lastabhängigen Dämpfern, die je nach eingefedertem Weg ihre Kennung ändern. Auf einer normalen Landstraße macht sich die harte Hinterachse nicht bemerkbar, wohl aber bei schlechten Wegstrecken. Stabilisatoren an beiden Achsen reduzieren außerdem den Rollwinkel des Fahrzeugs. Dennoch: Auf Asphalt lässt sich bei flotter Fahrweise in Kurven nicht die starke Karosserieneigung als Hochdachkombi leugnen.
Ab ins Gelände: Jetzt geht es ab - die Herausforderung stellt sich in den Weg
Die Bedingungen könnten nicht besser sein: Statt Sonnenschein und trockener Strecken verwöhnt uns Regen, der die Anforderungen an den VW Caddy Alltrack 4MOTION im Gelände nochmals steigert. Anfangs fahren wir über festgefahrene Naturpisten durch das Offroad-Gelände, als sich plötzlich vor uns ein Berg erhebt. Die erste Herausforderung steht: Der Caddy soll über eine nasse, rutschige Schotterpiste mit fast 50 Prozent Steigung den Hang erklimmen. Eine Differentialsperre besitzt der VW Caddy Alltrack 4MOTION nicht. Also doch nur ein Lifestyler?
50 Prozent Steigung bedeuten, dass alle 100 Meter in waagerechter Richtung die Höhe um 50 Meter zunimmt. Das entspricht einem Winkel von 27 Grad. Bei Straßen bezieht sich der Prozentwert nicht auf die durchschnittliche Steigung der gesamten Strecke, sondern auf die maximale Steigung.
Der Motor besitzt früh anliegende 300 Nm Maximaldrehmoment, die für ein starkes Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen sorgen. Überraschend locker erklimmt der VW Caddy Alltrack mit dem Allradantrieb bei gleichmäßigem Tempo den Berg. Die Zutaten für die erfolgreiche Fahrt nach oben: Das Allrad-System des VW Caddy Alltrack 4MOTION programmierten die Macher derart, dass im normalen Fahrbetrieb und bei geringer Last der Antrieb weitgehend über die Vorderachse erfolgt, um Kraftstoff zu sparen. So liegen 95 Prozent der Kraft vorne an und fünf Prozent hinten. Dank einer Haldex-Kupplung, die als Längssperre fungiert, kann das System bei Bedarf in Sekundenbruchteilen bis zu 50 Prozent der Kraft an die Hinterachse leiten.
Ein Vergleich muss her - wir schnappen uns einen gleich motorisierten VW Caddy Alltrack mit Frontantrieb, der uns ebenfalls zur Verfügung steht. Bereits auf den ersten Metern lässt sich spüren, dass der Fronttriebler trotz Anlaufs kämpft und nach etwas über der Hälfte des Hangs nicht mehr vorwärts kommt. Hier werden der frontangetriebenen Variante klar die Grenzen aufgezeigt - ergo geht es den Hang rückwärts wieder runter.
Nachdem der VW Caddy Alltrack 4MOTION bereits für die erste Überraschung sorgte, folgt nun eine Steigerung: das Anfahren am Hang. Erneut geht es mit dem Allrad-Caddy den gleichen Berg hoch. Aber nun stoppen wir. Wie ein Land Rover oder Jeep packt es der VW Caddy Alltrack 4MOTION, auf der steilen Strecke anzufahren und erneut locker den Steilhang zu erklimmen. Für ein ungewolltes Zurückrollen des Fahrzeugs sorgt der Berganfahrassistent.
Das ist steil: Der VW Caddy Alltrack 4MOTION muss sich bei 31 Grad beweisen
Auf dem Gelände befindet sich noch ein großer Berg, an dessen Seite sich eine Schotterpiste nach oben windet und von der Spitze mit 60 Prozent kontinuierlichem Gefälle hinabstürzt. Eine klare Sprache und für einen Hochdachkombi richtig steil: 60 Prozent Gefälle entsprechen einem Winkel von 31 Grad oder - von unten aus gesehen - deutliche 60 Meter Zunahme in der Höhe auf einer waagerechten Strecke von 100 Metern.
Vor uns das Gefälle, erblicken wir durch die Windschutzscheibe nur die weite, verregnete Landschaft, während wir die steil nach unten abfallende Schotterpiste nicht sehen können. Helferlein wie einen speziellen Offroad-Modus oder eine Bergabfahrhilfe besitzt der VW Caddy Alltrack 4MOTION nicht. Für Abfahrten im Gelände steht lediglich ein Schlechtwege-ABS (Antiblockiersystem) zur Verfügung.
Noch einmal durchatmen: Langsam lassen wir die Vorderräder über die Kuppe fahren - und dann setzt sich der VW Caddy Alltrack 4MOTION am Hang in Bewegung. Doch statt einer Rutschpartie weiß das Schlechtwege-ABS mit seinen speziellen Regelintervallen zu überzeugen, die beim Bremsen nicht nur dem stetigen Blockieren der Räder durch Verminderung des Bremsdrucks entgegenwirken. Das System blockiert die Räder etwas länger als beim herkömmlichen ABS, um vor den Rädern einen Keil aus Steinen zu bilden, so dass sich der Bremsweg verkürzt. Ab einem bestimmten Lenkwinkel hebt sich die Funktion temporär auf, um die Spurstabilität beizubehalten. Dennoch: Eine Bergabfahrhilfe, vorwärts wie rückwärts, wäre die ideale Ergänzung für den Allrad-Caddy.