Ferrari-Teamchef Mattiacci: Hoffnungsträger oder Notlösung?

, 17.04.2014

Vom unbeschriebenen Blatt zum langfristigen Hoffnungsträger: Ferrari plant dauerhaft mit Marco Mattiacci und gibt ihm für den Erfolg etwas Zeit

Es war ein Paukenschlag, als Stefano Domenicali am Montag seinen Abschied als Teamchef von Ferrari verkündete. Genauso überraschend war aber die Ankündigung, wer den Italiener in seinem Amt ablösen sollte. Statt für einen großen Namen entschied sich Ferrari mit Marco Mattiacci quasi für eine interne Lösung. Der neue Teamchef war vorher als Geschäftsführer von Ferrari in Nordamerika tätig.

Natürlich machten Gerüchte die Runde, dass Mattiacci nur den Platz für eine namhafte Lösung wie Flavio Briatore, Ross Brawn oder Gerhard Berger frei hält, doch bei der Scuderia betont man, dass man langfristig mit dem 48-Jährigen plant: "Er wird eine lange Zeit an der Spitze stehen", versichert Präsident Luca di Montezemolo gegenüber der Nachrichtenagentur 'ANSA'. Das Ferrari-Oberhaupt will seinem neuen Teamchef dafür jegliche Unterstützung zukommen lassen, und nimmt sich dabei selber nicht aus der Pflicht.

"Ich werde in der Übergangsphase ebenfalls näher beim Team sein und meine Hände ins Spiel bringen, bis Marco richtig bei der Sache ist", so di Montezemolo. Schon beim dieswöchigen China-Grand-Prix soll Mattiacci seinen neuen Job an der Boxenmauer bei Ferrari in Angriff nehmen und Fernando Alonso und Kimi Räikkönen nach dem enttäuschenden Saisonauftakt wieder in die Erfolgsspur führen.

Sanfter Einstieg erwünscht

Besonders der Spanier ist über den Abgang von Mattiaccis Vorgänger etwas traurig. Vier Jahre lang arbeitete er unter der Führung Domenicalis bei der Scuderia, doch nun bekommt er einen neuen Vorgesetzten. Noch zeigt sich der zweifache Weltmeister etwas skeptisch, eine Chance geben will er ihm aber auf jeden Fall: "Ich denke, wir müssen ihm Zeit geben und sehen, wie es sich entwickelt. Es ist noch zu früh zu sagen, ob es eine sehr gute Sache ist - oder eine sehr schlechte."

Wie Präsident di Montezemolo so will auch der Spanier Mattiacci den Einstieg so leicht wie möglich machen. Alonso nimmt sein Team dabei in die Pflicht, ihm die bestmöglichen Bedingungen zu bieten. "Wir müssen sicherstellen, dass alles bereit ist und das ganze Team hinter ihm steht, damit er sich so schnell wie möglich eingewöhnen kann. Wir müssen ihn in einen Zustand bringen, wo er sich von Tag eins an wohl fühlt."

Kimi Räikkönen macht sich diesbezüglich wie immer weniger Sorgen: "Ferraris Managementstruktur wird einen nahtlosen Übergang sicherstellen. Er hat großartige Leute um sich herum, die ihm helfen, daher sehe ich keine Probleme", so der Iceman. "Ich bin sicher, dass er alles in seiner Macht stehende tun wird, um die Dinge voranzutreiben." Für den Finnen ist Mattiaccis bisher allerdings ein unbeschriebenes Blatt: "Ich kenne ihn nicht. Vielleicht hab ich ihn ja schonmal getroffen..."

Das Prinzip Hoffnung

Auch Teamkollege Alonso habe mit dem neuen Teamchef nach der Bekanntgabe noch nicht gesprochen. Doch er wüsste auch nicht so recht, was er sagen soll, meint er auf der Pressekonferenz heute. Er und Kimi Räikkönen fahren einfach das Auto, und versuchen Mattiacci dabei den Einstieg so gut es geht zu erleichtern. Der Rest liege sowieso nicht in seiner Hand. Er könne nichts weiter machen, als seinem neuen Vorgesetzten erst einmal zu vertrauen.

"Er wird gut genug sein, um die Schwächen und Stärken des Teams auszumachen, und sie hoffentlich zu verbessern", so der Spanier. Hoffnung ist übrigens das richtige Stichwort. Mehr als hoffen kann man derzeit nicht, dass Mattiacci Ferrari wieder zu alten Erfolgen führt, denn außerhalb Ferraris kennt kaum einer die Stärken und die Arbeitsweise des Neueinsteigers - und selbst innerhalb der Scuderia ist es mehr Hoffen als Wissen. "Wir hoffen wirklich, dass das Team erfolgreich gemanagt werden wird", unterstreicht Alonso noch einmal.

Doch natürlich ist auch er sich bewusst, dass der Aufschwung nicht von jetzt auf gleich passieren kann: "Mit Sicherheit werden wir in diesem Rennen nicht plötzlich eine Sekunde schneller sein, weil ich nicht denke, dass Stefano den Front- oder Heckflügel oder was auch immer mit seinen Händen gemacht hat." Auch Räikkönen muss dem uneingeschränkt zustimmen: "Selbst wenn man Dinge drumherum verändert, kann man kein Wunder erschaffen. Wir wissen, wo wir stehen, und wir müssen uns verbessern. Doch das geht nicht über Nacht." Irgendwann soll sich allerdings wieder etwas in der Trophäenschatulle von Ferrari tun. "Wir werden versuchen, wieder zum Erfolg der Vergangenheit zurückzukehren", so Alonso.

Domenicali ohne Fortune

Doch genau das hat Stefano Domenicali bei Ferrari das Rückgrat gebrochen: Seit er das Zepter bei Ferrari übernommen hatte, gelang ihm mit der Scuderia kein WM-Titel. Zwar war er häufig nah dran, doch bei den nackten Zahlen bleibt eben doch nur die Null. "Wir haben 2010 und 2012 die Möglichkeit ausgelassen, genau wie sie es 2008 mit Felipe getan haben", sagt Alonso. "Wenn nicht, dann hätte er vermutlich schon drei Weltmeisterschaften in der Tasche haben können", stärkt der Spanier seinem Ex-Teamchef den Rücken.

Doch hätte, wäre, wenn und aber zählen in der Formel 1 nichts. "Die Resultate im Sport sind wichtig", nickt Alonso, "und der Druck bei Ferrari ist enorm." Der Spanier respektiert daher die Entscheidung Domenicalis, als Teamchef der Roten zurückzutreten - auch unter dem Gesichtspunkt, dass es nicht einfach sei, einen so privilegierten Posten abzutreten. "Aber er hat es getan, rein für das Interesse und die Verbesserung Ferraris. Das können wir nicht vergessen, aber wir müssen nun versuchen, voranzukommen. Ich bin glücklich mit der Zeit, die wir zusammen verbracht haben", verabschiedet sich Alonso.

Auch Räikkönen zeigt sich zwar von der Entscheidung Domenicalis überrascht, doch auch der Finne kann den Rückzug nachvollziehen: "So wie ich das verstehe, war es seine eigene Entscheidung. Wenn er so fühlt, bitte. Das Leben geht weiter", hängt er nicht allzu sehr am Italiener. Zwar hält auch der Iceman Domenicali für "einen großartigen Kerl", doch ansonsten beschäftigt ihn das Thema eher wenig. "So ist es nun einmal, wir kommen damit zurecht."

Gute Wünsche für den Ex-Chef

Jemand, der sich schon vor einigen Monaten vom Team verabschiedet hat, ist Felipe Massa. Der Brasilianer musste im Zuge einiger Veränderungen bei Ferrari gehen, daher überrascht ihn auch das Aus seines ehemaligen Teamchefs nicht sonderlich - auch wenn er es persönlich bedauerlich findet: "Ich habe eine großartige Beziehung zu Stefano und hoffe das Beste für ihn", betont der neue Williams-Pilot. "Ich hoffe, dass er eine großartige Zukunft haben wird, auch wenn es nicht in der Formel 1 und in einem andere Unternehmen sein wird."

"Ich finde es schade, dass er nicht mehr da ist, aber wünsche ihm natürlich alles Gute für die Zukunft - egal wo man ihn vielleicht wiedersieht", hört man auch aus dem Lager der Konkurrenz. Sebastian Vettel hat zwar nichts mit dem Ferrari-Team zu tun, doch auch ihn interessiert natürlich das Schicksal seines Fahrerlager-Kollegen. "Ich war selbst überrascht, als ich es gehört habe. Ich selbst kam immer gut mit dem Stefano aus."

"Was die Hintergründe und Personalfragen in anderen Teams angeht, so ist es für mich sehr, sehr schwer zu beurteilen", wagt er sich allerdings kein tiefblickenderes Urteil. Das kann sowieso nur Ferrari selbst treffen, die sich mit einer internen Lösung auch ein wenig Druck auferlegt haben. "Ich hoffe, dass er Ferrari helfen kann, besser zu werden", wünscht Felipe Massa seinem Ex-Team das nötige Glück, während bei Fernando Alonso zumindest das Prinzip Hoffnung bleibt: "Hoffentlich können wir später in der Saison sehr konkurrenzfähig sein." Hoffnungsträger Mattiacci soll's richten...

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