Vettel und die Affären: "Ehrlichkeit währt am längsten"

, 26.11.2012

Der Red-Bull-Pilot glaubt, "unterhalb der Gürtellinie" attackiert worden zu sein und sieht sich selbst als fairen Sportsmann, aber "keinen Heiligen"

Eine Aufholjagd in Abu Dhabi, ein Motorsport-Thriller in Interlagos, makellose Fahrten bei vielen der Asien-Grands-Prix: Mit tollen Rennen in der Saison 2012 hat Sebastian Vettel keinen Zweifel daran gelassen, dass er auf dem Asphalt ein würdiger Weltmeister ist. Allerdings gehört zur Königsklasse längst nicht mehr nur das Geschehen auf der Strecke, sondern auch abseits davon. Sportpolitisch war sein Red-Bull-Team immer wieder im Visier der Gegner - meistens ging es dabei um Regelverstöße.

An Vettel sind die Kontroversen nicht spurlos vorbeigegangen: "Die Menge an Fragen, mit denen wir uns beschäftigen mussten, hat es nicht einfacher gemacht", bemerkt der Deutsche. Und es war in der Tat ein Katalog: Löcher im Unterboden in Monaco, ein im Nachhinein zu korrigierendes Motorenmapping in Hockenheim, angebliche "Wackelflügel" in Budapest - und und und. "Wir sind immer unseren Weg gegangen, das hat am Ende den Unterschied gemacht", erklärt Vettel das Erfolgsgeheimnis.

Fairer Sportsmann dank guter Kinderstube?

Den Vorwürfen begegnet der 25-Jährige mit Aufrichtigkeit, ohne sie inhaltlich zu bewerten. Er würde Fehler zugeben, wie er es am Samstag nach dem Qualifying in Sao Paulo getan hätte, als ihm ein fahrerischer Patzer unterlief: "In gewisser Weise bin ich so erzogen worden. Lügen haben kurze Beine und Ehrlichkeit währt am längsten", betont Vettel seine gute Kinderstube. "Für mich ist es wichtig, glücklich damit zu sein, was ich im Rückspiegel sehe und ehrlich zu sich selbst zu sein", so der Heppenheimer weiter.

Auch im harten Formel-1-Business will er so bleiben, wie er einst als Teenager den Beruf des Rennfahrers ergriff: "Denn was ist, wenn man versucht, sich zu verstellen?", fragt sich Vettel, der mit sich selbst im Reinen sein will. "Du bist immer der Erste, der er erkennt, dass betrogen wird." Da sich die Kontroversen - darunter auch eine Behinderung gegen Alonso in Suzuka - allen voran zwischen Ferrari und Red Bull abspielten, bleibt offen, wie das Interesse der Scuderia an einer Verpflichtung Vettels dazu passt.

Angriffe "unterhalb der Gürtellinie"

Schließlich hatten sowohl Präsident Luca di Montezemolo als auch Teamchef Stefano Domenicali den roten Teppich ausgerollt, als es um ein mögliches Maranello-Engagement in der Zukunft ging. Auch nur ein italienisches Störfeuer, um Unruhe in den Rennstall des Brauseproduzenten zu bringen? Für Christian Horner ist die Reaktion und nicht der Sachverhalt an sich entscheidend: "Wir waren nie abgelenkt", deutet der Teamchef an, was das wirkliche Ziel allen Handelns gewesen sein könnte.

Vettel findet deutliche Worte, wenn es um die Angriffe der Konkurrenz geht, die nicht auf der Strecke erfolgten: "Die Leute haben alles versucht, um uns zu schlagen", erinnert sich der frisch gebackene Weltmeister. "Oberhalb der Gürtellinie, unterhalb der Gürtellinie." Er selbst wolle sich nicht auf Schlammschlachten einlassen, betont er und erwähnt, selbst "kein Heiliger" zu sein: "Ich bin in gewisser Weise so erzogen worden. Dafür vielen Dank. Ehrlichkeit währt am längsten."

Erfolg macht unbeliebt

Red Bull allerdings befand sich 2012 nicht nur in der Rolle des Angeklagten, sondern auch in der des Anklägers: Etwa bei der Safety-Car-Affäre in Valencia oder in Austin, als Ferrari bei Felipe Massa das FIA-Siegel am Getriebe brach, um eine Strafversetzung zugunsten Fernando Alonsos zu provozieren. "Viele Leute haben versucht, schmutzige Tricks anzuwenden. Bestimmte Dinge waren aus unserer Sicht jenseits des guten Geschmacks", blickt Christian Horner zurück, ohne konkrete Vorfälle zu nennen.

Doch auch die Konkurrenz glaubt, ihrerseits den richtigen Pfad eingeschlagen zu haben: "Wir haben uns das ganze Jahr die Treue gehalten, sind unseren Weg gegangen", erklärt Domenicali. Und plötzlich klingt der Ferrari-Teamchef ganz ähnlich wie der Kollege aus dem blauen Lager: "Wir haben uns nicht einschüchtern und von dem beirren lassen, was die anderen gemacht haben. Wir haben einfach weiter Gas gegeben und Spaß gehabt." Das war doch schon mal zu hören, oder?

Horner scheint nicht zu glauben, dass nach dem sechsten WM-Titel binnen drei Jahre für seine Farben Harmonie in das Multi-Millionen-Dollar-Business Formel 1 einkehrt: "Der schnellste Weg, sich unbeliebt zu machen, ist, ständig Erfolg zu haben", erinnert der Verantwortliche daran, dass Red Bull sich eine Zielscheibe auf die Stirn geklebt hat. An seiner Reaktion wird das nichts ändern: "Wir haben ignoriert, was andere Teams getan haben und uns auf uns selbst konzentriert."

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