Le Mans 2012: Audis großer Triumph - Hybrid im Angriffsmodus

, 19.06.2012


Spannende Positionskämpfe, Dramen und einen Publikumshelden bot das diesjährige 24-Stunden-Rennen von Le Mans (16. - 17. Juni 2012), aus dem Audi mit einem Dreifach-Erfolg hervorging und den ersten Sieg eines Hybrid-Fahrzeuges bei dem berühmten Langstrecken-Klassiker feierte. Über 240.000 Zuschauer, so der Veranstalter des Rennens, verfolgten das lebhafte Geschehen der 80. Auflage von Le Mans mit einem Erfolg der Vorjahressieger Marcel Fässler (Schweiz), André Lotterer (Deutschland) und Benoît Tréluyer (Frankreich). Neuigkeit: 2014 plant Porsche voraussichtlich eine Rückkehr als Werksteam. Meister der Herzen wurde Satoshi Motoyama mit dem Nissan DeltaWing.


56 Fahrzeuge traten in je zwei Klassen für Sportprototypen (LMP) und Gran Turismos (GTE) an. Ziel des Rennens ist es, möglichst viele Runden innerhalb von 24 Stunden zurückzulegen und nach 24 Stunden die Ziellinie zu überqueren. Gefahren wird auf dem 13,629 Kilometer langen „Circuit des 24 Heures“, von dem 9,207 Kilometer aus öffentlichen Landstraßen bestehen, die für das Rennen abgesperrt werden. Die Rennstrecke besitzt einen Vollgasanteil von über 85 Prozent und unterstreicht damit die Herausforderung von Mensch und Maschine. 378 Runden meisterte das Gewinnerteam im Jahre 2012, nur 33 Fahrzeuge erreichten das Ziel.

Audi brachte zwei R18 e-tron quattro mit Hybrid-Antrieb und zwei R18 ultra an den Start. Im Heck aller vier Audi R18 arbeitete die neueste Ausbaustufe des 2011 erstmals in Le Mans eingesetzten kompakten 3.7-Liter-V6-Dieselmotors mit Mono-Turbolader, der über 510 PS leistet. Beim Hybrid-Antrieb kommen dazu an der Vorderachse zwei Elektromotoren, die kurzzeitig bis zu 150 kW/204 PS an die Vorderachse abgeben. Diese Allradtechnik, bei der die Kardanwelle durch Stromkabel ersetzt wird, erprobt Audi im Motorsport bereits für den Einsatz in der Serie.

Doch nicht Audi allein trat mit einem Hybrid-Antrieb an: Toyota kehrte nach einer 12-jährigen Pause nach Le Mans zurück und setzte bei seinem TS030 Hybrid ebenfalls auf den kombinierten Antrieb.

Rennen: Hauptdarsteller mit packenden Duellen

Beendete Audis harter Konkurrent Peugeot sein Engagement in Le Mans, kam Toyota beim um 15.00 Uhr gestarteten Rennen richtig auf Touren und lag am Samstagabend sogar temporär in Führung, nachdem die beiden Rennwagen des japanischen Teams bei höherer Laufleistung und sinkenden Temperaturen immer bessere Zeiten fuhren und sich Stück für Stück weiter der Spitze näherten.


In Schlagdistanz zu den Führenden liegend, kam es kurz vor Ablauf der 5. Rennstunde zu einem schweren Unfall: Anthony Davidson (Großbritannien) wollte mit seinem Toyota TS030 Hybrid den Ferrari 458 Italia GTC von Pierguiseppe Perazzini überholen. Doch der Italiener übersah den Toyota vor der Mulsanne-Kurve und touchierte dessen Heck. Der Toyota hob ab und landete nach einem Überschlag erbarmungslos im Reifenstapel. Anthony Davidson konnte das zerstörte Fahrzeug zwar selbständig verlassen, erlitt jedoch Verletzungen am 11. und 12. Rückenwirbel und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die vollständige Genesung soll etwa drei Monate in Anspruch nehmen.

Auch der zweite TS030 Hybrid musste das Rennen vorzeitig beenden. Nach rund 10,5 Stunden zwangen technische Probleme und ein anschließender Motorschaden das Team mit den Piloten Alex Wurz (Österreich), Nicolas Lapierre (Frankreich) und Kazuki Nakajima (Japan), das zwischenzeitlich sogar die Führung im Rennen innehatte, zur Aufgabe.

Jetzt schien der Weg für Audi frei. Eine Chance auf den insgesamt 11. Le Mans-Sieg der Marke mit den vier Ringen besaßen alle vier Audi R18. So lieferten sich nach den vorzeitigen Ausfällen der schärfsten Konkurrenten die beiden R18 e-tron quattro die ganze Nacht hindurch bis Sonntagmittag ein packendes Duell um den Sieg, bei dem die Führung mehrfach wechselte und die beiden Diesel-Hybrid-Sportwagen oft nur um wenige Sekunden getrennt waren. Keine Spur von einer Herausnahme des Tempos und echtes Racing.

Audi erhöhte Spannung durch Unfälle

Gleich durch zwei fast identische Ausrutscher verlor der Audi R18 ultra mit der Startnummer 3 jedoch seine Siegchance. Am Samstagabend kam Romain Dumas (Frankreich) durch einen Fahrfehler in der ersten Schikane beim Überrunden eines GT-Fahrzeuges auf den schmutzigen Teil der Strecke und rutschte gegen die Streckenbegrenzung. Dumas dachte nicht an eine Aufgabe, stieg aus und riss den Vorderaufbau ab, um mit einer gebrochenen Aufhängung an die Box fahren zu können. Glück im Unglück: Durch den spektakulären Abflug des Toyotas erfolgte wenig später eine rund einstündige Safety-Car-Phase, in welche auch die Reparatur fiel.

Ein ähnliches Missgeschick passierte Marc Gené (Spanien) im gleichen Fahrzeug am Sonntagmittag in der Schlussphase des Rennens. In beiden Fällen gelang es dem Audi Sport Team Joest, den R18 in kürzester Zeit wieder zu reparieren. Insgesamt gingen aber 12 Runden verloren. Am Ende hieß es für Marc Gené, Romain Dumas und Loïc Duval aus Frankreich Platz 5.

 

Der am Ende drittplatzierte Audi R18 ultra mit der Startnummer 4 verlor gleich zu Beginn des Rennens eine Runde durch einen Check der Hinterradaufhängung. Am späten Sonntagvormittag blieb zweimal ein Gang stecken, was jeweils durch das Ein- und Ausschalten der Zündung vom Fahrer behoben werden konnte. Anschließend lief der R18 einwandfrei und ermöglichte Marco Bonanomi (Italien), Oliver Jarvis (Großbritannien) und Mike Rockenfeller (Deutschland) die erste Podiumsplatzierung in Le Mans.


Weniger als drei Stunden vor Ablauf des Rennens sorgte ein Unfall von Allan McNish (Schottland) in den schnellen Porsche-Kurven für die Vorentscheidung. Dem Audi Sport Team Joest gelang es, den im Bereich der Frontpartie stark beschädigten R18 e-tron quattro in rekordverdächtiger Zeit zu reparieren und so den zweiten Platz zu retten. In der Anfangsphase verlor das Team mit den Fahrern Allan McNish (Schottland), Tom Kristensen (Dänemark) und Rinaldo „Dindo“ Capello (Italien) fast eine Runde, nachdem sich ein massives Stück Gummiabrieb im Bereich der Hinterradaufhängung festsetzte.

Auch der Erstplatzierte des Rennens, ein Audi R18 e-tron quattro mit der Startnummer 2 und den Vorjahressiegern Marcel Fässler (Schweiz), André Lotterer (Deutschland) und Benoît Tréluyer (Frankreich) am Steuer, blieb nicht von Zwischenfällen verschont. Marcel Fässler touchierte am Sonntagmorgen zweimal die Streckenbegrenzung: das erste Mal nach einem Dreher bei hoher Geschwindigkeit, das zweite Mal, als er in der Mulsanne-Kurve einem quer auf der Strecke stehenden GT-Fahrzeug ausweichen musste. Benoît Tréluyer, der unter einer starken Erkältung litt, die er sich am Freitag bei der verregneten Fahrerparade in der Innenstadt von Le Mans einfing, drehte sich einmal in der Boxeneinfahrt.

Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich: „Das ist fraglos ein historischer Sieg für Audi. Wir waren die ersten, die Le Mans mit einem direkteinspritzenden Turbo-Benziner gewonnen haben und die ersten, die mit einem Dieselmotor erfolgreich waren. Es ist ein tolles Ergebnis, dass Audi nun auch die erste Marke ist, die es geschafft hat, mit einem Hybrid-Fahrzeug zu siegen - und zwar wie auch mit den beiden anderen Technologien im ersten Anlauf. Und das auch noch mit beiden R18 e-tron quattro auf den ersten beiden Plätzen.“

Zwischen die Audis setzte sich auf Platz 4 mit einer starken Fahrt im Lola-Toyota B12/60 das Schweizer Team „Rebellion Racing“ mit den Fahrern Nick Heidfeld (Deutschland), Nicolas Prost (Frankreich) und Neel Jani (Schweiz). Das Team profitierte von einer Fahrt ohne Zwischenfälle - außer einem Dreher Heidfelds - und dem Abflug Genés im Audi.


LMP2: Schnellstes Privat-Team auf Platz 7

Gilt die LMP1-Klasse der Sportwagen-Prototypen für Werksteams, fahren die Privatteams in der LMP2-Klasse gegeneinander. Hier konnte sich am Ende das Team „Starworks Motorsport“ mit einem HPD ARX-03a und den Fahrern Ryan Dalziel (Großbritannien), Thomas Kimber-Smith (Großbritannien) sowie Vicente Potolicchio (Venezuela) durchsetzen. Im Gesamtklassement war es sogar ein beachtlicher Platz 7.

GTE-Klasse: Sieg durch Ferrari

In der GTE-Klasse treten seriennahe GT-Sportwagen an. Hier unterscheidet sich das Klassement durch eine Besetzung mit professionellen Fahrern (GTE Pro) und eine Fahrerbesetzung mit Amateuren (GTE Am). Richtig zur Sache gingen die Teams in der GTE Pro-Klasse, die sich untereinander einen harten Kampf auf der Strecke lieferten. Am Ende hießen die Gewinner Giancarlo Fisichella (Italien), Gianmaria Bruni (Italien) und Toni Vilander (Finnland) in einem Ferrari 458 Italia GTC vom Team „AF Corse“. In der Gesamtwertung erreichten sie Rang 17 mit 42 Runden Rückstand auf den Gesamtsieger. Bei den Amateuren siegte die Corvette C6.R von Larbre Compétition (Gesamtklassement Rang 20).

Held der Herzen: Satoshi Motoyama

Unmittelbar nach dem Ende einer Safety-Car-Phase übersah Toyota LMP1-Pilot Kazuki Nakajima im dichten Pulk seinen rechts neben ihm fahrenden Landsmann Satoshi Motoyama im Nissan DeltaWing von Highcroft Racing und drückte diesen heftig in die Begrenzungsmauer. Der kaum Englisch sprechende und unverletzte Motoyama sollte den in der Experimentalklasse außer Konkurrenz fahrenden DeltaWing noch vor Ort am Rand der Strecke reparieren, da das Fahrzeug nicht mehr geradeaus fuhr und die Box erreichen konnte. So entschied das nur Englisch sprechende Team, seinen Team-Manager Phil Barker und einen Ingenieur per Motorroller mit einer Werkzeugtasche zum Unfallort zu entsenden. Ebenfalls dabei: ein Dolmetscher.

Der Übersetzer rief Motoyama durch den Abgrenzungszaun zur Rennstrecke die Anweisungen des Teams zu. Nach etwa 1,5 Stunden setzte sich Motoyama wieder ans Steuer. Der DeltaWing wollte nicht geradeaus fahren, sondern drehte sich eher im Kreis. Die Ursache lag leider nicht, wie vermutet, am Differenzial im hinteren Bereich, sondern an der beschädigten Lenkung vorne. Der Japaner war sichtlich erschöpft, eroberte aber die Herzen der Fans, die das Geschehen über Bildschirme an der Rennstrecke verfolgten. Auch das ist Motorsport und ein großer Einsatz dazu!

1 Kommentar > Kommentar schreiben

25.06.2012

Unter normalen Umständen hätte Audi es nicht so leicht gehabt ... Die TS030 waren dem Etron und dem R18 Ultra ebenbürtig.


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