Interview mit Jann Mardenborough: Ex-Zocker wirbelt Motorsport-Welt auf

, 18.08.2014


Diese Rennfahrer-Karriere, welche die Nissan GT Academy hervorbrachte, hätte niemand für möglich gehalten: 2011 gewann der Brite Jann Mardenborough die heiß begehrte Talentsuche unter den Konsolenspielern und nutzte die einmalige Chance der echten Rennfahrerausbildung. Mit großem Erfolg: 2013 fuhr Jann Mardenborough auf das Podium beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans und konnte am 20. Juli 2014 auf dem Hockenheimring sogar sein erstes GP3-Rennen gewinnen. Eine Woche später holte der Ex-Zocker erneut einen Podiumsplatz: er wurde Dritter auf dem Hungaroring in Ungarn.

Mit dem GP3-Sieg zeigte der 1991 geborene Gamer, dass sich das Können der virtuellen Welt auf eine echte Rennstrecke übertragen lässt - und das bereits in seinem Rookie-Jahr in der GP3. Die GP3 findet im Rahmenprogramm der Formel 1 in Europa statt. Ehemalige GP3-Fahrer wie Esteban Gutiérrez und Valtteri Bottas schafften sogar den Sprung in die Formel 1. Damit nicht genug: Jann Mardenborough wurde in das Förderprogramm von Red Bull aufgenommen.

Jasmin Müller traf für Speed Heads den Senkrechtstarter, um in einem Interview mit dem ehemaligen Videospiel-Zocker über sein neues Leben als Rennfahrer und seine Erlebnisse seit dem Gewinn der Nissan GT Academy zu sprechen.

Jann, noch vor einigen Jahren hast Du an der Play Station gezockt. Nun bist Du ein echter Rennfahrer und fährst gegen die besten jungen Talente in der GP3-Serie. Fühlt es sich nach wie vor an wie in einem Traum?

Es ist nach wie vor ein komisches Gefühl. Seit ich denken kann, verfolge ich die Formel 1 und hoffte immer, mal nahe an die Boxengasse zu kommen. Jetzt fahre ich in der GP3 und bin der Formel 1 so nah und fahre zu den gleichen Rennstrecken wie die Königsklasse. Ich muss mich immer noch ab und zu zwicken, um zu begreifen, dass ich nicht träume.

2011 hast Du die GT Academy gewonnen, keine zwei Jahre später warst Du mit dem 3. Platz in der LMP2-Klasse auf dem Podium beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Am 24. Juli 2014 konntest Du Dein erstes GP3-Rennen auf dem Hockenheimring gewinnen. Welches Ereignis bedeutet Dir bis heute am meisten?

Beide Male in Le Mans 2013 und 2014, das sind definitiv die besten Momente meiner noch jungen Karriere. In Le Mans zu fahren, ist einfach gigantisch. Wir waren in beiden Jahren sehr konkurrenzfähig und es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Das gleiche gilt eigentlich auch für die GP3-Serie. Hier bekam ich die Möglichkeit, eng mit Arden an der Entwicklung des Autos zu arbeiten - und das war ganz klar auch ein Highlight für mich.

Du hast nun Dein erstes GP3-Rennen gewonnen - ganz cool vom Start bis ins Ziel. Wie bist Du so ruhig geblieben?

Wir waren bereits im ersten Rennen auf dem Hockenheimring sehr konkurrenzfähig und lernten eine Menge in Silverstone, wo wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. Für das zweite Rennen setzte mich das Team nicht unter Druck, es ging schließlich darum, erst einmal mit dieser neuen Situation umzugehen und einfach das Beste daraus zu machen. Ich hatte einen guten Start und war fähig, den Speed zu kontrollieren. Ich trinke nur Champagner, wenn ich ein Rennen gewinne, nicht mal wenn ich auf dem Podium stehe. Ich nenne es meinen „Winners-Juice“!

Als Du noch jung warst, bist Du viel Kart gefahren. Warum hast Du damit aufgehört?

Mit acht Jahren fing ich mit Indoor-Karting an und mir machte es sehr viel Spaß. Doch als ich dann 11 Jahre alt war, wurde die Kartbahn geschlossen und in der Nähe gab es keine andere Möglichkeit. Also hörte ich mit dem Kartfahren auf. Ich begann erst wieder damit, als ich die GT Academy gewann.

Als Du mit dem Kartsport aufhören musstest, wurden dann auch Deine Träume einer Rennfahrerkarriere begraben?

Ja, in einer gewissen Weise schon. Ich begriff früh: Wenn Du nicht das nötige Kleingeld besitzt, findest Du keine Chance, im Motorsport Fuß zu fassen. Da hätte ich schon im Lotto gewinnen müssen. Anstatt vom Leben als Rennfahrer zu träumen, konzentrierte ich mich lieber auf meine Schule und mein Studium.

Wie bist Du zur Play Station gekommen?

Am Anfang war es einfach nur Spaß für mich und ein Hobby. Ich fand aber bald diesen europäischen Wettkampf sehr spannend: denn man ist online gegen die besten virtuellen Fahrer aus so vielen Ländern gefahren. So fing ich an, das Ganze etwas ernster zu nehmen, machte bei der GT Academy mit und fand mich auf einmal im großen Finale wieder. Ich arbeitete so hart dafür und konnte mir einfach diese großartige Chance von Nissan nicht entgehen lassen.

Was lässt sich von der Play Station lernen, das man auf die echte Rennstrecke übertragen kann?

Man lernt vor allem die Rennstrecken und die Streckenführungen. Ich nutze das Gaming und den Simulator als Lernmittel für neue Strecken.

Spielst Du in Deiner Freizeit noch oft Play Station?

Ich spielte sehr viel vor Le Mans, um mich mit der Strecke genauestens vertraut zu machen. Aber ich spiele auch so noch gelegentlich zu Hause, weil es mir einfach so viel Spaß noch macht.

Als Du damals die GT Academy gewonnen hast und dann nach und nach nur noch in richtigen Rennautos gefahren bist, was war für Dich das Überraschendste?

Die Geschwindigkeit war definitiv überraschend. Wenn Du als 19-jähriger in einem Nissan GT-R mit über 150 mph (240 km/h) in Silverstone fährst, das ist einfach gewaltig, da fehlen Dir die Worte. Es gibt Dir so einen Adrenalinstoß, dass Du immer mehr davon haben möchtest. Die reine Geschwindigkeit war nicht nur das Überraschendste, sondern auch die größte Sucht, die ich je erfuhr.

Wenn man das LMP2-Fahrzeug mit dem GP3-Auto vergleicht: Was sind die größten Unterschiede?

Das LMP2-Auto besitzt viel mehr Abtrieb, ist insgesamt stabiler und verfügt über viel bessere Bremsen. Aber den eigentlichen Rennstil kann man nicht miteinander vergleichen. In Le Mans zum Beispiel, achtet man auf den Spritverbrauch und auf die Reifen. Man will auf keinen Fall einen Reifenblocker oder einen Plattfuß. In einem GP3-Rennen gibst Du 18 Runden Vollgas. Du fährst absolut am Limit bis zur schwarz-weiß-karierten Flagge. Ich mag beide Rennserien und könnte keine favorisieren. Ich mag die unterschiedlichen Herausforderungen.

Hast Du jemals an die Gefahren gedacht oder spielen die bei Dir im Kopf gar keine Rolle?

Wenn Du so jung bist, machst Du Dir anfangs über die Gefahren und Konsequenzen keine großen Gedanken. Du verarbeitest so viele andere Eindrücke, dass Du das andere eigentlich verdrängst. Aber wir wissen alle, dass Motorsport gefährlich ist und man geht mit einem gehörigen Respekt an die Sache ran. Es ist wichtig, das zu verstehen. Aber ich mache mir jetzt nicht täglich Gedanken, dass mein Job Risiken mit sich bringt.

Der Motorsport-Zirkus veränderte sich in den vergangenen 30 Jahren stark. Glaubst Du, dass das Thema Gaming ein neuer Bereich im Motorsport sein könnte?

Ja, auf jeden Fall. Immer mehr Teams vertrauen auf Simulatoren, um das Auto zu testen, weil meistens richtige Testfahrten entweder verboten sind oder wenn sie stattfinden, jede Menge Geld kosten. Die Lücke zwischen einem Simulator und richtigem Rennfahren ist extrem klein geworden und ich glaube, dass Simulatoren in der Zukunft ein wichtiger Bestandteil eines jeden Rennteams sein werden.

Lass uns über die Fitness sprechen. Wie stark ist hier die Anforderung?

Das stellt einen ganz großen Aspekt dar. Es ist nicht so, dass wir einfach im Wohnzimmer sitzen und mit unserem Lenkrad an der Play Station sitzen. Insbesondere in einem GP3-Fahrzeug spielt die Fitness einen enorm großen Teil, weil man sehr hohen G-Kräften ausgesetzt ist. Mit unserem GT Academy-Programm stehen uns außerdem Trainer und Mentoren zur Seite, die uns für jedes Rennen bestens vorbereiten. Das zahlt sich auf jeden Fall aus.

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