Jetzt wird es richtig scharf: In Japan eine feste Größe und so bekannt wie hierzulande Mercedes-AMG oder BMW M, möchte Nissans Motorsportabteilung und Werkstuner Nismo jetzt auch in Europa durchstarten und jedes Jahr ein neues, erschwingliches Nismo-Modell auf den Markt bringen. Selbst vom erfolgreichen Supersportwagen Nissan GT-R befindet sich bereits eine Nismo-Version in der Entwicklung. Grund genug, auf die ruhmreiche, fast 50-jährige Geschichte von Nismo einzugehen, die - was viele nicht wissen - eng mit Europa, glorreichen Rennsiegen und mehreren Sportwagen-Ikonen verbunden ist, welche die wenigsten Leute mit dem Namen „Nismo“ in Verbindung bringen würden.
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Nissan GT-R Nismo GT3 (2013)
Nismo: Eine Saga aus Passion und Erfindermut
Die Story beginnt 1964, als die Prince Motor Company - ein von Nissan zwei Jahre später übernommener lokaler Hersteller - auf die Idee kommt, seinen Absatz durch Erfolge im Motorsport zu steigern. Dazu nahmen die Ingenieure den 2,0 Liter großen Sechszylinderblock aus der Luxuslimousine Gloria und zwängten ihn unter die Haube des deutlich kleineren, jedoch zu diesem Zweck im vorderen Bereich um 20 Zentimeter verlängerten Skyline.
Mit dem Wissen um das in diesem Auto schlummernde Potenzial machten sie sich dann schleunigst daran, die für die Homologation nötigen 100 Einheiten auf Kiel zu legen, die es wahlweise mit 105 PS oder 125 PS aus einem 2.0-Liter-Benziner gab. Am 1. Mai 1964 traf das heiß ersehnte Dokument für den auf den Namen „Skyline 2000 GT“ getauften Wagen gerade noch rechtzeitig ein. Nur zwei Tage später bestritt der „S54“ sein erstes Rennen in Suzuka. Gegen den lupenreinen Rennwagen Porsche 904 GTS war zwar kein Kraut gewachsen, doch hinter dem europäischen Gegner liefen fünf Nissan geschlossen auf den Plätzen 2 bis 6 ein.
Noch ahnten die mutigen Ingenieure nicht, welchen Mythos sie mit diesem Einsatz begründeten. Ihre Passion für den Motorsport, die sie freiwillig unzählige Überstunden nach Feierabend verrichten ließ, führte zur Geburt der Skyline-GT-R-Legende. Zugleich schien hier erstmals der Spirit der allerdings erst 1984 gegründeten Nissan-Motorsportabteilung Nismo durch. 1966 ging Prince in der expandierenden Marke Nissan auf. Bereits im Jahr darauf erschien der Skyline (S57) mit dem stärksten 1.5-Liter-Motor seiner Ära, der 90 PS leistete.
Der erste Skyline GT-R gewann in nur 34 Monaten 50 Rennen
1969 führte Nissan erstmals das heute legendäre Kürzel GT-R ein: zunächst für eine Skyline Limousine, 1971 ebenfalls für ein besonders rassiges Coupé namens KPGC-10. Der Erfolg des jeweils 160 PS starken Duos im japanischen Motorsport sucht bis heute seinesgleichen: Die Limousine siegte in 33 Rennen, das Coupé baute diese Erfolgsserie bis 1972 auf 50 Siege aus - und das alles in einer Zeitspanne von lediglich zwei Jahren und zehn Monaten.
Im September 1984 entschloss sich Nissan, die Aktivitäten des Werksteams und der privaten Rennställe unter einem Dach zusammenzuführen. Die neue Motorsportabteilung erhielt den Namen „Nissan Motorsports International Co. Ltd”, kurz Nismo - eine eigenständig operierende, gleichwohl hundertprozentige Nissan-Tochter. Der Auftrag von Nismo zeigte sich klar definiert. Ziel war und ist die perfekte Verkörperung der Marke Nissan, die sich Innovation, Technologie und Fahrspaß für jedermann auf die Fahnen schrieb.
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Nissan KPGC-10 GT-R Testlauf (1971)
1986 nahm Nissan unter Federführung von Nismo erstmals am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teil. Es war der Beginn einer langjährigen Beziehung, die in den folgenden Jahren zum Einsatz zahlreicher von Nismo präparierter GT und Prototypen auf dem berühmten Kurs im französischen Departement Sarthe führte.
R32 GT-R (1989 - 1994): Der als Godzilla die Australier das Fürchten lehrte
1988 debütierte der erste reinrassige Nissan-Rennwagen von Nismo: ein offener Einsitzer auf Basis der Roadster-Studie Saurus, konzipiert für einen Markenpokal und später von Rennfahrerschulen gern genutzt. Das folgende Jahr sah die Enthüllung eines Tourenwagens von Nissan, der nicht nur die japanische, sondern auch die weltweite Gemeinde der Motorsportfans aufhorchen ließ: des Nissan Skyline GT-R R32, der von Nismo quasi auf dem Nürburgring entwickelt wurde. Die Modelle nach Gruppe-A-Reglement gewannen auf nationaler Ebene 29 Rennen in Folge und hatten zwischen 1990 und 1993 ein Dauer-Abonnement auf die japanische GT-Meisterschaft.
Das 2,6 Liter große Sechszylinder-Biturbo-Triebwerk der Straßenversion leistete auf dem Papier 280 PS aufgrund einer damaligen Selbstbeschränkung unter den japanischen Herstellern, nicht 280 PS zu überschreiten. In Wirklichkeit generierte der Motor nach einem kleinen Handgriff durch den Besitzer rund 320 PS. Mit Allradantrieb und Allradlenkung trug der R32 von Beginn an eine totale Dominanz zur Schau und avancierte zum Porsche-Schreck. Der Spurt von 0 auf Tempo 100 dauerte nur 4,7 Sekunden.
Beim berühmten „Bathurst 1000“-Rennen in Australien trat der R32 gegen die mächtigen Holden- und Ford-V8 an und besiegte diese zweimal. Keine leichte Aufgabe auf dem für Mensch und Maschine anspruchsvollen Kurs auf einer Distanz von 1.000 Kilometern: Der „Mount Panorama Circuit“ von Bathurst ist 6,213 Kilometer lang und weist einen Höhenunterschied von 174 Metern und Anstiege mit bis zu 16 Prozent Steigung auf. Der Kurs verläuft über öffentliche Straßen, die für Rennveranstaltungen gesperrt werden.
Auch die australische Tourenwagen-Meisterschaft stand zwischen 1990 und 1993 ganz im Zeichen des Nissan GT-R R32. Ob dieser Überlegenheit ersann ein australischer Journalist den ehrfürchtigen Spitznamen „Godzilla“ in Anspielung auf das grausame Trickfilm-Monster aus Japan.