Lewis Hamiltons Auslaufrunde: Wollte er wie Senna abhauen?

, 29.05.2015

Parallelen zwischen Ayrton Senna 1988 und Lewis Hamilton 2015: Wollte der Mercedes-Fahrer statt der Siegerehrung am liebsten in seine Wohnung abhauen?

Lewis Hamilton war nach dem Grand Prix von Monaco am vergangenen Sonntag maßlos enttäuscht, und das ist verständlich. Eine falsche Mercedes-Strategie, geschuldet der Tatsache, dass seine Boxencrew lieber Computerdaten statt gesundem Menschenverstand vertraute, raubte ihm den sicher scheinenden Sieg. Nach der Zieldurchfahrt nahm er trotzdem all seine Sportlichkeit zusammen und gratulierte Teamkollege Nico Rosberg zum Sieg - was ihm sicher nicht leicht gefallen ist.

Beinahe wäre Hamilton bei der Siegerehrung in der Fürstenloge gar nicht dabei gewesen. Auf dem Weg dorthin blieb er nämlich in der Portier-Kurve vor dem Tunnel stehen. Erster Verdacht in jenem Moment: Mercedes könnte ihn zu knapp betankt haben, sodass ihm der Sprit ausgegangen ist. Aber kurz darauf fuhr er scheinbar problemlos weiter, sodass das keine Erklärung sein konnte. Und Mercedes stellt gegenüber 'Motorsport-Total.com' auf Anfrage klar: "Es gab dafür keinen technischen Grund."

Hamilton, so mutmaßt das Team, wollte "seine Gedanken sammeln", bevor er in den Paddock zurückkehrte. Fast wie in Zeitlupe stieg er auf der Start- und Zielgerade aus dem Auto aus, gratulierte Rosberg artig, absolvierte die Prozedur bei der Fürstenfamilie, streckte den Pokal für den dritten Platz zwar halbherzig, aber doch in die Luft. Aber was war ihm in jenen Sekunden in der Portier-Kurve durch den Kopf gegangen?

Keine Lust auf die Fürstenloge?

Der Verdacht liegt nahe, dass Hamilton wenig Lust darauf hatte, die Siegerehrung und die anschließenden Interviews über sich ergehen zu lassen - wohl wissend, dass er seinem Ärger keine Luft machen, sondern vor laufenden Kameras die Harmonie im Team nicht zerstören darf. Da wäre es nur nachvollziehbar gewesen, wenn er das Auto abgestellt und direkt in seine Wohnung zurückgegangen wäre. Auf dem Weg von Portier in sein Appartement hätten ihn auch keine Journalisten gestört.

Doch man darf spekulieren, dass Hamilton entweder selbst wieder zu Sinnen kam oder vom Team via Funk dazu aufgefordert wurde. Erfahren werden wir dies, sollte es so gewesen sein, womöglich nie. Solche Fälle hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Kimi Räikkönen etwa genehmigte sich nach seinem Ausfall 2006 (übrigens ebenfalls in der Portier-Kurve) lieber ein paar Frust-Bierchen mit Freunden auf seiner Jacht, anstatt zu seinem McLaren-Team zurückzukehren.

Senna 1988: Wie von einem anderen Stern

Und selbst Ayrton Senna schenkte es sich 1988, nach seinem Crash (ja, immer wieder Portier...) zu McLaren-Boss Ron Dennis beichten zu gehen. Der Brasilianer hatte bereits im Qualifying Teamkollege Alain Prost um eineinhalb, Ferrari-Pilot Gerhard Berger um zweieinhalb und den Rest der Welt um mehr als drei Sekunden deklassiert und fuhr nach eigener Beschreibung in einem Trance-ähnlichen Zustand - bis er die Konzentration verlor und das Auto mit 50 Sekunden Vorsprung in die Leitplanken setzte.

Senna, bekanntermaßen Hamiltons großes Vorbild, ging damals zurück in seine Wohnung und ließ sein McLaren-Team stundenlang warten, ehe er erst am Abend auftauchte, als die Crew längst zusammenpackte. Josef Leberer, 1988 im ersten Jahr Physiotherapeut der McLaren-Stars Senna und Prost, erinnert sich: "Ayrton hatte den Unfall beim Tunnel, er hat ganz in der Nähe gewohnt. Und er ist nach dem Unfall nicht zum Team gekommen, sondern in seine Wohnung zurückgegangen."

"Alle haben auf ihn gewartet, aber er ist einfach nicht gekommen", so Leberer gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Ich bin dann rübergegangen. Die Haushälterin kannte mich, sonst hätte sie ja niemanden reingelassen. Ich bin nach oben, Ayrton hat geschlafen. Ich habe ihn dann aufgeweckt und ihm gesagt, dass er dann schon rüberkommen sollte. 'Die wollen dich ja sehen und ein Debriefing machen.' Er war natürlich enttäuscht."

Parallelen zwischen 1988 und 2015

"Ayrton ist 1988 in Monaco gefahren wie in Trance. Er wollte einfach noch mehr", sagt Leberer. "Sie haben Ayrton per Funk gesagt, er soll langsamer fahren, und das war dann vielleicht ein bisschen eine Konzentrationsfrage. Das war wirklich unglaublich, wie er davor die Limits immer weiter versetzt hat. Dazu benötigt man so ein Gefühl, das war schon genial. Aber er hat nicht gewonnen, sondern Prost hat gewonnen."

Und am vergangenen Wochenende war es nicht Hamilton, sondern Rosberg. Die Parallelen zwischen Mercedes 2015 und McLaren 1988 sind unübersehbar: Hamilton gilt als das größere Naturtalent als Rosberg, ist vom Ehrgeiz zerfressen, fährt, genau wie Senna, mit einem gelben Helm. Sein größter Traum ist, einmal wie Senna drei WM-Titel gewonnen zu haben. Nur in einem unterscheidet sich die Situation gänzlich: Senna hat seinen Sieg selbst weggeworfen, während Hamilton nichts dafür konnte...

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