Marko zweifelt: Sind Siege ohne Zuschauer nichts mehr wert?

, 20.03.2015

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko hat seine Zweifel, ob Siege ohne Zuschauer etwas wert sind, und macht erneut das Motorenreglement verantwortlich

Bei Red Bull hat sich nach dem Saisonauftakt in Australien ein neues Hobby breitgemacht: Schwarzmalen. Nach dem ernüchternden Beginn mit Rang sechs für Daniel Ricciardo und der technisch bedingten Nicht-Teilnahme von Daniil Kwjat ist der Rennstall aktuell nicht positiv auf die Formel 1 zu sprechen. Red Bull drohte bereits mit einem Ausstieg, motzte über die Dominanz von Mercedes und ging sogar so weit mit den Aussagen, dass man den Rückstand auf die Silberpfeile definitiv nicht mehr aufholen könne.

Vor allem das neue Motorenkonzept wird von den Bullen mit kritischen Augen betrachtet. Vor der Einführung der V6-Hybride war der Rennstall das Maß aller Dinge, doch seit 2014 hat man mit dem schwachbrüstigen Renault-Antrieb einen immensen Nachteil und keine Chance mehr auf eine Wiederholung der Erfolge. Mehr noch: Bei Red Bull macht man dieses neue Motorenkonzept für die schlechte Situation der Formel 1 verantwortlich.

Denn dass die Königsklasse mittlerweile drastisch an Fans verliert, ist nicht von der Hand zu weisen. Zwar waren die Zuschauerzahlen seit Jahren rückläufig, doch in der Saison 2014 wurde nach Rechnung von Red Bull noch einmal ein deutlicher Rückschritt von 25 Prozent gemacht, und RTL fuhr die schlechtesten Quoten seit 20 Jahren ein. Beim Australien-Grand-Prix vor einer Woche schauten dann noch einmal 45 Prozent weniger Leute als im Vorjahr zu.

Power-Units Schuld am Zuschauerschwund?

"Diese Zuschauerrückgänge sind vorhanden, seit 2014 mit diesen Power-Units gefahren wird", unterstreicht Motorsportberater Helmut Marko gegenüber 'Speedweek.de'. Die Gründe dafür wurden in der Vergangenheit schon eingehend analysiert: Die Technologie ist für viele Ottonormal-Zuschauer zu komplex und nicht interessant, die Taktikspielchen mit Spritsparen & Co. kommen genauso wenig an, wie der fehlende Sound, der häufig moniert wird.

Hinzu kommt, dass kleine Teams durch die gestiegenen Kosten in arge finanzielle Nöte geraten. Caterham musste seine Pforten bereits schließen, Marussia stand kurz davor, konnte der Insolvenz aber gerade noch einmal von der Schippe springen - zu einem Start in Australien hat es dennoch nicht gereicht. Auch Sauber, Force India und Lotus nagen am Hungertuch, während vorne ein Team die Siege unter sich ausmacht. In Melbourne standen gar nur 15 Autos in der Startaufstellung, was nicht zur Attraktivität der Formel 1 beigetragen haben dürfte.

Und obwohl man sowieso schon so wenige Autos hat, tut man alles, um den Fans an der Strecke noch weniger Fahrbetrieb zu bieten. "Das heißt zum Beispiel: Am Freitag kann keiner fahren, weil du mit vier Motoren pro Fahrer und Saison nicht über die Runden kommst", schüttelt Marko über das aktuelle Reglement wieder einmal den Kopf. "Wenn dann am Freitag keiner fährt, ist es verständlich, wenn die Zuschauer daheim bleiben."

Mercedes-Teams blocken Änderungen

Nach Meinung des Österreichers trägt der Automobilweltverband FIA dafür die Verantwortung: "Es geht damit los, dass von der FIA ein Motorenkonzept durchgedrückt wurde, das letztlich in der Praxis nicht den Anforderungen der Formel 1 entspricht." Zwar gibt es aktuell immer wieder Gespräche, wie man die Königsklasse diesbezüglich wieder in richtige Bahnen lenken kann (Stichwort: 1000-PS-Motoren beispielsweise), doch eine Lösung ist zumindest kurzfristig nicht in Sicht.

Auch für eine langfristige Lösung sieht Marko in der Formel 1 zu viele Hindernisse - natürlich auch wieder hausgemacht. Denn notwendige Regeländerungen werden zumeist blockiert, weil sie keine Einstimmigkeit oder Mehrheit unter den Teams finden. "Weil die Mercedes-Teams verständlicherweise alle Änderungswünsche blockieren, um ihren Vorsprung zu halten", sagt der Red-Bull-Mann. "Und dieses Reglement ist schlecht."

Er fände am besten, wenn es in der Formel 1 wieder ein Führung gäbe, die Entscheidungen auch durchsetzen kann: "So wie es unter FIA-Präsident Max Mosley war", meint er. Doch aktuell muss die Königsklasse mit den Auswirkungen ihrer Entscheidungen leben, und Marko weiß nicht, wie lange Red Bull das noch mitmacht. Und auch bei Mercedes hat er seine Zweifel, ob man länger mit der Situation leben kann: "Wenn die Formel-1-Rennen niemand mehr anschaut, ist auch der Wert der Siege zumindest mittelfristig in Frage zu stellen."

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