Man nehme einen ohnehin bereits bösartigen Lamborghini Aventador mit 700 Pferden im Rücken, rasiere ihm dem Skalp vom Haupt und setze ihn auf Radikaldiät. Heraus kommt eines der bösesten Schöpfungen für die Straße, die Lamborghini je auf die Pisten brachte. Geschickt windet sich Lamborghini im Pressetext um Fakten in Form von Beschleunigungswerten und Gewicht des Aventador J. Dennoch wird bei der Beschreibung recht deutlich, wie viel potentielle Boshaftigkeit in diesem Stier steckt.
© Foto: Lamborghini
Bereits die Vorlage in Form des Lamborghini Aventador LP 700-4 strotzt vor Selbstbewusstsein. 700 PS aus einem 6,5 Liter großen V12 werden ohne Erbarmen mittels des permanenten Allradantriebes auf die Straße gebracht. Schon hier erreichten die Italiener dank konsequenten Leichtbaues mit höchster Steifigkeit ein Leistungsgewicht von nur 1,575 Kilogramm pro PS bei einem Trockengewicht von 1.575 Kilogramm.
Dabei bietet das mit Kohlefaser verstärkte Monocoque eine extreme Verwindungssteiffigkeit und höchste Sicherheit. Der Sprint von 0 auf 100 gelingt in unter 3 Sekunden, die Top-Speed liegt bei phänomenalen 350 km/h. Auch der „J“ soll weit über 300 km/h fahren können.
Beim Aventador J wurde nochmals kräftig an der Gewichtsschraube gedreht. Der im Kundenauftrag gebaute Supersportler gibt sich durch die Entfernung des Daches und der Scheiben als komplette Neukonstruktion. Lamborghini verzichtete ebenso auf die Klimaanlage und das Multimedia/Navigationssystem. Als Bestuhlung kommen Sitzschalen aus einem neuartigen flexiblen Kohlefasermaterial zum Einsatz.
Dass Lamborghini besonders stolz auf seine weitreichenden Kenntnisse in puncto Leichtbau ist, wird auch hier deutlich. So kommt beim Aventador J eine neue Variante des Kohlefaserwerkstoffes zum Einsatz: Carbon Skin. Mit einem speziellen Harz getränkt, soll die Faserstruktur stabil, als Material dennoch weich bleiben. So passen sich die Kohlefasermatten perfekt jeder Form an. Das komplette Cockpit und Teile der Sitze bezogen die Macher mit dem matt schwarzen Material. Die Einsatzgebiete dieses gerade erst patentierten Materials scheinen vielseitig. So sind auch andere Einsatzbereiche denkbar, wie zum Beispiel bei hochwertiger Bekleidung.
Das Exterieur-Design des voll straßentauglichen Lamborghini Aventador J ist wohl das auffälligste Merkmal. Mit seinen scharf geschnittenen Linien und dem offenen Cockpit bereitet der wilde Stier noch vor dem Einsteigen gewaltig Spaß. Hier springt das Kopfkino sofort an: Konkurrenz? Einzig der SLR Stirling Moss 722 schießt einem in die Gedankengänge. Ein Duett der beiden in den kurvigen Alpen - V8 versus V12 - das wäre etwas.
© Foto: Lamborghini
Nahezu jedes Teil des „J“ entwickelte Lamborghini neu. Gerade 1,11 Meter streckt sich die Karosserie in die Höhe. Die höchsten Punkte markieren der wie ein Periskop auf einem Arm thronende Rückspiegel und die beiden Sicherheitsbügel hinter den Sitzen. Statt der klassischen Frontscheibe kommen zwei kleine Windreflektoren zum Einsatz. Ohne passende Kluft in Form eines Rennanzuges und dazugehörigen Helmes sollten Fahrer und Beifahrer sich nicht in das Gefährt trauen - es sei denn, sie stehen auf eiweißreiche Kost in Form von Insekten.
Die Front des Aventador J ist etwas schmaler als im Original und wird von einem Frontflügel aus Kohlefaser dominiert. Von der Seite betrachtet, soll die Front den Eindruck eines Formel-1-Rennwagens rüberbringen. Sichtcarbon dominiert auch sonst die Karosserie. Von den deutlich breiteren Seitenschwellern bis hin zum mächtigen Heckdiffusor - alles was nach Carbon ausschaut, ist auch welches. Als Kontrast glänzt der Rest der Karosserie in einem speziell für das Einzelstück entwickelten Rot-Ton.
Ebenso wurden die Räder extra entwickelt. Vorne kommen 20 Zoll große, hinten 21 Zoll messende Aluminium-Räder im Fünfspeichen-Design zum Einsatz, die einen Zentralverschluss und einen zusätzlichen Kohlefasereinsatz besitzen, der wie eine kleine Turbine für optimale Belüftung der Bremsen sorgen soll.
Wie beim Coupé öffnen sich die deutlich flacheren Türen nach oben und tragen jeweils eine kleine fest stehende Seitenscheibe. Auch ohne vorher einmal innen gesessen zu haben, darf man sich sicher sein, dass die vier großen Endrohre ein fanatisches Konzert der Emotionen entfachten. Im Gegensatz zum Original, verwendten die Italiener spezielle Heck- und Frontstoßfänger, die mit Kohlefaserlamellen ausgestattet wurden, um den Luftfluss zu regeln und so den Anpressdruck des Fahrzeuges an Vorder- und Hinterachse zu optimieren.
Ein Farbband schafft eine optisch Trennung zwischen dem Fahrer- und dem Beifahrerraum und wird allein durch eine kleine Bedienleiste unterbrochen, die den Starterknopf, die Schalter für das Licht sowie für das Getriebe beherbergt. Navigations- und Entertainmentanlage samt Bildschirm und Klimabedienung besitzt der Aventador J nicht, sie würden nur von seinem einzigen Wesenszweck ablenken. Was bleibt, sind die beiden programmierbaren TFT-Displays hinter dem Lenkrad.
Wer dieses Exemplar in natura sehen möchte, sollte schnell sein. Der Aventador J geht nach Ende des Genfer Autosalons (08.03.2012 - 18.03.2012) direkt in die Hände des Eigentümers über. Nur dieses eine Exemplar wurde gebaut. Hoffen wir, dass der glückliche Besitzer damit auch umzugehen weiß. Der Buchstabe „J“ entstammt übrigens dem Internationalen Sportgesetz des Weltautomobilverbandes FIA. Dort definiert der „Anhang J“ die technische Ausstattung von Rennfahrzeugen der verschiedenen Klassen.