Die Party ist im Gange, die Stimmung gewaltig und rund 220.000 Menschen zelebrieren das legendäre 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife. Dass BMW mit dem M3 GT2 das Rennen gewann, wissen wir aus den News. Dieses Special ist der besonderen Atmosphäre, den Rennteams und selbstverständlich den Motorsportfans gewidmet, die eine riesige Party feiern, bei der man nirgendwo anders dieses einmalige Flair erlebt und gleichzeitig hautnah den Motorsport erlebt. Dabei geben alle auf ihre Art mit vollem Enthusiasmus Vollgas, wie man auch in der großen Fotogalerie sehen kann.
© Foto: Speed Heads
Zusammen mit Seat Motorsport bin ich vom 15. - 16. Mai 2010 vor Ort und erhalte exklusive Einblicke und ein authentisches Motorsporterlebnis. Ein ruhiges Zimmer in einem Grand Hotel gibt es nicht, dafür bei kühlen 5 Grad nächtlicher Außentemperatur ein eigenes Camp inmitten der Nordschleife, um das wahre 24-Stunden-Feeling in seiner ursprünglichsten Form zu erleben. Es ist ein Spektakel, bei dem insbesondere in der Nacht die Zeltstädte an einen riesigen Jahrmarkt mit etlichen Open Air-Partys erinnern.
Vorfeld: Seat Leon Supercopa als heißer Markenpokal
Der Samstagmorgen zeigt sich nebelig und frisch. Das 24-Stunden-Rennen beginnt um 15.00 Uhr. Einen ersten spannenden Vorgeschmack auf das Großspektakel liefert im Vorfeld die Seat Leon Supercopa. Der seit 2004 im Rahmenprogramm der DTM (Deutsche Tourenwagen Meisterschaft) ausgetragene Seat-Markenpokal findet erstmals im Vorfeld des 24-Stunden-Rennens auf der Nürburgring-Nordschleife statt. Für die Supercopa-Fahrer ein ganz besonderer Reiz, im Rennbetrieb die Berg- und Talbahn der „Grünen Hölle“ in der Eifel meistern zu dürfen.
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Das Supercopa-Rennen gewinnt Andreas Simonsen aus Schweden. Trotz des ungemütlichen Wetters kamen alle Fahrer unbeschadet ins Ziel. Das Arbeitsgerät: Ein Seat Leon Supercopa mit 300 PS, der ca. 70.000 Euro kostet - für ein Cup-Fahrzeug vergleichsweise günstig.
Nach dem Prinzip der Chancengleichheit, sind die Cup-Fahrzeuge identisch und die Motoren verplombt, um Änderungen seitens der Fahrer und deren Techniker zu vermeiden. Oliver Schielein, Leiter Seat Motorsport in Deutschland, der den Markenpokal ins Leben rief, nimmt sich Zeit und erläutert alle Details, während im Hintergrund die offiziellen Vertreter der ITR (Internationale Tourenwagen Rennen) jeden Boliden genau inspizieren, ob keine Modifikationen außerhalb des Reglements erfolgten.
Interessant: Es werden Reifenproben entnommen, um festzustellen, dass die Reifen nicht in eine spezielle Mixtur eingelegt wurden, die mehr Grip ermöglicht. Gerne behaupten Fahrer, sie würden am Limit fahren, doch es wird alles aufgezeichnet: Auf einem Notebook wird mir das gesamte Streckenprofil der Nordschleife gezeigt und es lässt sich an wirklich jeder Stelle einsehen, was der Fahrer machte, wie weit er das Gaspedal durchdrückte, wo genau er bremste etc. Es wird alles getrackt - Ausreden eines Rennfahrers gibt es nicht.
24 Stunden: Das Großspektakel beginnt wahrlich spektakulär
Das Wetter in der Eifel ist unberechenbar. Doch als sich um 12.30 Uhr die rund 200 qualifizierten Rennwagen zur Startaufstellung begeben, zieht der Nebel von dannen und die Sonne zeigt sich - trocken soll das Wetter in diesem Jahr bis zum Ende bleiben. Gefahren wird bei dem Rennen auf der Grand-Prix-Strecke und der berüchtigten Nordschleife als eine der schwierigsten Rennstrecken der Welt. Eine Runde ist genau 25,378 Kilometer lang.
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Bereits die Rennwagen in der Startaufstellung ziehen jeden Betrachter in den Bann: BMW M3 GT2, Lexus LFA, Ferrari F430 GTC, Porsche GT3 Hybrid, Porsche 911 GT3 R, Audi R8 LMS, Aston Martin V12 Vantage, Dodge Viper und viele weitere heißblütige Sportwagen. Dazu kommen etliche Privatteams, die mit ihren oftmals kompakten Rennsemmeln ebenfalls zum besonderen Flair beitragen und denen ich höchsten Respekt zolle - das sind die Teams, die jeden Cent zusammenkratzen, um einfach dabei sein zu können und die 24 Stunden durchzuhalten, die Mechaniker kostenlos arbeiten und mit vollem Eifer dabei sind.
Dieser Breitensportcharakter macht das Flair des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring ebenfalls aus, wenn Audi R8 und Porsche GT3 mit namhaften Profis am Steuer im selben Rennen wie Renault Clio und Ford Fiesta mit Amateuren fahren - allerdings in unterschiedliche Klassen unterteilt.
Absoluter Kult ist der Opel Manta von Kissling Motorsport, der stilecht mit einem Fuchsschwanz an der Antenne bestückt ist und mit seinem Relikt der 1980er-Jahre den Spaßfaktor lebt. Die Fahrer und Teams kommen aber nicht nur aus Deutschland, Mitteleuropa oder Großbritannien, sondern auch aus Skandinavien, Nord- und Südamerika, Russland, Japan und sogar aus Australien sowie Neuseeland.
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Die Stimmung ist locker, doch das Rennen wird ernst genommen. BMW, Volkswagen, Aston Martin und Lexus sind beispielsweise mit ihren Werksteams vertreten, Porsche und Audi mit Kundenteams und namhaften Fahrern. Unter den Fahrern befinden sich keine geringeren Rennfahrergrößen, wie zum Beispiel Mattias Ekström, Timo Scheider, Hans-Joachim Stuck, Andy Priaulx und Uwe Alzen. Die Liste bekannter Namen würde sich problemlos fortsetzen lassen, aber den Rahmen sprengen.
In der Startaufstellung erblicke ich allerdings auch Aston Martin-Boss Dr. Ulrich Bez in voller Rennmontur bei seinem sechsten 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife mit dem neuen Rapide, der noch einmal vor dem Marktstart im Extremeinsatz auf Herz und Nieren geprüft wird. Ein wenig weiter steht vor dem VW Scirocco GT24 CNG Volkswagen-Vorstand Dr. Ulrich Hackenberg, der ebenfalls aktiv mitfährt.
Wie lang die Startaufstellung mit den rund 200 Rennwagen ist, lässt sich nur schwer vorstellen; denn das Ende kann man nicht mehr sehen und dürfte bis zur Döttinger Höhe reichen, die ein gutes Stück entfernt liegt.
Respekt: 24 Stunden Sisyphus-Arbeit für die Teams
Das Rennen startet und die packenden Zweikämpfe auf der Bahn beginnen zur Freude der Zuschauer an der langen Strecke. An einem TV-Bildschirm lässt sich das reine Renngeschehen der gesamten Strecke sicherlich besser beobachten. Helikopter kreisen stetig über der „Grünen Hölle“ und übertragen die Action an den heimischen Fernseher und auch an die Bildschirme der Kommandostände und Boxen der Teams, wo alles mit Spannung verfolgt wird.
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Es riecht nach Benzin und heißen Bremsen. In der Luft der Boxengasse liegt das pure Motorsport-Flair. Die Sounds von Porsche-Motoren ertönen, während der Lexus LFA markant wie ein Formel-1-Motor an einem vorbeizischt. Lexus mit seiner riesigen Crew beim Boxenstopps zu beobachten ist besonders interessant, wenn unzählige Japaner in roten Jacken auf den Supersportwagen stürmen und diesen in Windeseile abfertigen.
Doch auch BMW & Co. gehen akribisch und mit vollem Tatendrang vor und es ist toll, alles geradezu im „Hautkontakt“ direkt neben den Mechanikern und neben den Fahrzeugen im Detail erleben zu können, wenn die Räder gewechselt, die Windschutzscheibe gewischt, die Technik überprüft und aufgetankt wird.
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Einen mehr als beeindruckenden Job erledigen auch die Reifenlieferanten, die für die Teams 24 Stunden lang wie am Fließband die Felgen mit neuen Gummis bestücken. Das Tempo der Service-Mitarbeiter und Mechaniker ist teuflisch. Yokohama versorgte beispielsweise mit 15 Mann 39 der insgesamt 197 gestarteten Einsatzfahrzeuge der unterschiedlichsten Klassen mit dem schwarzen Gold.
Das scheinbar moderate Verhältnis von 2,6 Fahrzeugen pro Person täuscht; denn
die PS-Monster der Langstrecke verschlangen bei der Hatz rund 3.000 Pneus. Somit hieß es für jeden 200 Mal Reifen runter, Reifen rauf - eine wahre Sisyphus-Arbeit und ein wichtiger Beitrag zum reibungslosen Ablauf des Geschehens. Anders als bei dem griechischen Sagenhelden nahm diese nach 24 Stunden dann doch ein Ende.
Die Nacht: Eine Party auf bizarrste Weise
Wie autarke Städte als letzter Zufluchtsort nach der Apokalypse wirken die Zelthochburgen; denn der Großteil der rund 220.000 Zuschauer zeltet auf Wiesen und in Wäldern direkt an der Rennstrecke, bauen sich Hochstände mit Sofasa drauf, Mini-Discos mitten im Wald und mehr. Fließendes Wasser und Strom gibt es nicht. Man improvisiert: Stromgeneratoren werden mitgebracht und überall leuchtet es bunt.
Allerorts stehen brennende Ölfässer und Grills, die neben dem Licht auch Wärme spendieren. Eine Welt für sich, in der friedlich und extrem bei den zahllosen kleinen Open-Air-Partys gefeiert wird. Skurille Gestalten säumen den Pfad an der Rennstrecke. Nicht wundern, wenn am Wegesrand im Wald ein benebelter junger Mann in Tarnklamotten steht und eine pinkfarbene „Hello Kitty“ Plastikgitarre um den Hals trägt - auch das gehört irgendwie dazu.
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Zelt, Schlafsack, Isomatte, warme Klamotten und ein Feuer zum Grillen müssen auch bei uns im Seat Camp reichen - nicht anders erleben das Rennen die zahlreichen Zuschauer, die überall fast direkt an der Rennstrecke campen, wo sich die Boliden die ganze Nacht hindurch packende Duelle liefern und der grandiose Motorsound einen in den Schlaf wiegt oder man das Renngeschehen aus bester Sicht verfolgt. Ein paar Stunden Schlaf gönne ich mir. Kalt ist es - besonders, wenn man beim Schlaf von der Isomatte rollt.
Großes Favoritensterben: Das Rennen in aller Härte
Frisch gestärkt geht es am Sonntag wieder zurück an die Rennstrecke. Etliche Autos sind von dem Extremeinsatz des langen Rennens auf einer der weltweit härtesten Rennstrecken gekennzeichnet: Tapes halten die Aerodynamik-Kits zusammen, Motorhauben fehlen und ein Audi R8 fährt unbehelligt mit einer stark lädierten Front weiter. Alle Teams haben nur ein Ziel: Hauptsache fahrtüchtig bleiben.
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Die Nacht kennzeichnete ein großes Favoritensterben und die Fans rund um die Nordschleife erleben eines der turbulentesten 24-Stunden-Rennen der vergangenen Jahre. Vom Start weg übernahmen die Vorjahressieger Marc Lieb, Timo Bernhard, Romain Dumas und Marcel Tiemann im Porsche GT3-R die Führung, die sie in den ersten sieben Rennstunden souverän behielten. Nach einer unverschuldeten Kollision mit einem anderen Teilnehmer endete die Fahrt dann aber am Haken eines Abschleppwagens.
Zurück in die Gegenwart: Teamchef Olaf Manthey, dessen Porsche-Rennwagen in den vergangenen vier Jahren jedes Mal den Sieg beim 24h-Rennen holten, blieb anschließend zunächst der Trost, dass der von ihm eingesetzte GT3-R mit Hybrid-Antrieb die Führungsarbeit übernahm. Doch auch dieser fällt knapp zwei Stunden vor dem Zieleinlauf, bis dahin souverän in Führung liegend, aus. Bis dahin konnte der orange-weiße Hybrid-Rennwagen den Beweis antreten, dass die von Porsche entwickelte Hybrid-Technologie auf der Rennstrecke absolut konkurrenzfähig ist und zugleich einen deutlichen Verbrauchsvorteil darstellt.
Hart trifft es ebenfalls die Audi-Fraktion: Mit Abt Sportsline und den Lokalmatadoren von Phoenix Racing initiieren zwei Top-Teams Kundensporteinsätze mit dem Audi R8 LMS, mit denen sie das Renngeschehen über lange Phasen entscheidend mitgestalten. Beide Mannschaften sammeln Führungskilometer; vier der insgesamt fünf eingesetzten Fahrzeuge können in den Kampf um die Spitze des Klassements eingreifen. Doch fast alle werden durch Unfälle oder Defekte zurückgeworfen. Als einzige Speerspitze bleibt zum Schluss jener Audi R8 LMS von Phoenix, der mit der dritten Gesamtposition noch für einen versöhnlichen Abschluss aus Audi-Sicht sorgte.
24 Stunden voller Leidenschaft und Hingabe
Für eine Wertung im Rennergebnis müssen die Teilnehmer am Ende noch fahren; ob man dies in der Zwischenzeit durchgehend tat, ist dagegen unerheblich. Die Top-Teams ziehen ihr Pensum mit vollem Eifer durch, kämpfen hart um jede Runde und fahren zum Ende hin noch einmal an die Boxen.
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Die Mechaniker sind ebenfalls vom Rennen gekennzeichnet, doch der Adrenalinkick hält sie wach: Jeder steht an seiner Position, das Auto kommt an die Box ran, Reifen wechseln, Auftanken, die Windschutzscheibe von den aufgeklatschten Insekten befreien, gegebenenfalls den Motor durchchecken, den Wagen anschieben und fertig.
15.00 Uhr, das Rennen ist vorbei und die Ziellinie das letzte Vorhaben. Vor Freude und Erleichterung springen Mechaniker Arm in Arm umher und freuen sich mit ihren Teams, diese großartige Leistung erfolgreich gemeistert zu haben. Dieses Rennen ist ein Härtetest für Mensch und Maschine - nicht nur für die Fahrer, sondern für das gesamte Team, das auch im Hintergrund aktiv ist. Von den 197 Startern kommen nur 123 Teams in die Wertung.
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Auch die Fahrer sind erleichtert, was man bei der enthusiastischen Champagnerdusche auf dem Siegerpodest mit dem erfolgreichen BMW-Werksteam in der Mitte unverkennbar sieht. Beim Spielen der deutschen Nationalhymne schwenken die BMW-Fans für „ihr“ Team frenetisch die Flaggen mit dem BMW-Logo. Doch auch die Klassensiege sind zu würdigen. Heico Sportiv konnte beispielsweise mit seinem Volvo C30 als erstes Team überhaupt mit Bioethanol einen Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife erreichen.
Derweil lautet meine Herausforderung: Den langen Stau der Abreisewelle zu überwinden. Da habe ich genug Zeit, all die tollen Erlebnisse der letzten 24 Stunden Revue passieren zu lassen, die mir ewig in Erinnerung bleiben werden. Es war eine tolle Party mit permanentem Motorengeheul!
Große Fotogalerie über das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2010:
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