Honda Mean Mower Test: Der Rasen und das Biest

, 30.04.2014


1,27 kg/PS Leistungsgewicht, freistehende Räder und 98 dB Klangkulisse: Klingt nach einem Formel-Rennwagen, ist aber ein Rasenmäher. Jedoch nicht irgendeiner, sondern der „Mean Mower“ („böser Mäher“). Laut Guinness-Buch der Weltrekorde handelt es sich sogar um den schnellsten Rasenmäher der Welt mit einer atemberaubenden Top-Speed von 187,6 km/h. Und wie fährt sich sowas? Bitterböse eben, wie der Name des Mean Mower schon sagt.

Eigentlich ist „Team Dynamics“ Partner von Honda in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC). Aber wenn es sein muss, legen die Rennfachleute auch mal an einem Gartengerät massiv Hand an. So hauchten die motorsportverrückten Briten dem Rasentraktor Honda HF2620 richtig Leben ein. Statt eines 660er-Motors mit 13,8 kW/19 PS für 12 km/h Mähgeschwindigkeit pflanzten die Macher dem Gartengerät ein neues Herz ein: den Einliter-V2-Motor aus dem Sportmotorrad VTR 1000 „Firestorm“ mit 81 kW/110 PS für stattliche 24 km/h Mähtempo und rein rechnerisch maximale 210 km/h.

Die neue, auf das viel höhere Tempo ausgelegte Zahnstangenlenkung des getunten Rasenmähers stammt aus einem Morris Minor, der für zierliche Rennfahrer maßgeschneiderte Sportsitz von Cobra, die Anregung zu einem paddelgeschalteten Sechsgang-Getriebe kam von den BTCC-Piloten Matt Neal und Gordon Shedden, dem amtierenden Champion der beliebten Rennserie.

Ein großer analoger Drehzahlmesser aus einem Motorrad zeigt jetzt an, inwieweit sich der Firestorm-V2 seinen maximalen 9.000 Touren entgegen bewegt. Die neuen Reifen für einen guten Kompromiss aus Fahreigenschaften auf Rasen und Asphalt stammen derweil von einem Honda-Quad - vorne in der Dimension 6 x 10 Zoll, hinten in 10 x10 Zoll.

Gleichauf mit einem Koenigsegg Agera R

Warum sich der Rekordfahrer damit begnügte, die neue Guinness-Bestmarke um 45 km/h auf 187,6 km/h zu erhöhen, erleben wir auf der Dynamikfläche der Honda Akademie Erlensee: Das Ding ist wirklich schwer zu fahren. Das beginnt damit, dass größere Menschen einfach zu breit für den Rennsitz sind und somit leicht über der Sitzfläche thronen.

Es geht damit weiter, dass sich Langbeiner regelrecht zusammenfalten müssen, um ihre Füße bei der Pedalerie unterzubringen. Die Knie schweben dabei in der Nähe der Ohren und verdecken bisweilen den Blick auf die freistehenden Vorderräder, die vom ersten Meter an unentwegt Steinchen in Richtung Visier hochschleudern.

Aber: Je mehr man die ersten Hindernisse überwunden hat, desto stärker drängt sich die Neugier auf das Erleben von 1,27 kg/PS Leistungsgewicht in den Vordergrund. Zum Vergleich: Die aktuellen Formel 1-Boliden schleppen mit knapp 1,2 kg/PS kaum weniger Ballast mit sich herum. Fast exakt gleichauf mit dem Mäher liegt der Koenigsegg Agera R (1,26 kg/PS).

Ein schlechteres Leistungsgewicht als der Honda Mean Mower haben keine geringeren Supersportwagen, wie zum Beispiel der Mosler Raptor GTR (1,40 kg/PS), der Edo Ferrari Enzo XX Evolution (1,51 kg/PS), der Bugatti Veyron 16.4 SuperSport (1,69 kg/PS), der Gumpert Apollo (1,71 kg/PS), der Pagani Huayra (1,85 kg/PS) oder der Caterham Seven Superlight R500 (1,92 kg/PS).

Deshalb ist es nur logisch, dass einen die Längsdynamik des rasenden Mähers förmlich übermannt. Die Querdynamik hingegen stößt auf Asphalt schnell an ihre Grenzen - ganz im Sinne der Betreuer von „Team Dynamics“, die vor der Testfahrt vor allzu schnellen Richtungswechseln gewarnt haben.

Die quälende Enge im Sitz ist willkommen

Geschaltet wird per Druckknöpfen am Lenkrad: links hoch, rechts runter. Gas gibt der rechte Fuß. Das entsprechende Pedal liegt außen, daneben innen die Bremse. Der linke Fuß kuppelt - damit hat er allerhand zu tun; denn die Rennkupplung trennt messerscharf. Jedenfalls kommt es dem frischgebackenen Mäher-Piloten so vor, als würde von einem Millimeter Pedalweg zum anderen der Kraftschluss komplett erfolgen.

Einmal in Fahrt, schießt der Mean Mower pfeilschnell in die gewünschte Fahrtrichtung. Plötzlich ist die quälende Enge im Sitz willkommen; denn die strenge Fixierung vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Bald erfolgt das Hochschalten in Gang zwei und drei, und nach wie vor ist eine brachiale Beschleunigung zu spüren. Gefühlte 130 km/h sind in Wahrheit kaum mehr als Tempo 70, aber wer kann das schon richtig einschätzen beim so ungewöhnlichen Ritt mit dem Rasenmäher über den Asphalt?

Nur gut, dass die britischen Rennsport-Techniker wenigstens noch den infernalischen Lärm eindämmten, den der Mean Mower ursprünglich in die Welt hinaus brüllte. Eigentlich lag der Wert mit 130 dB auf dem Niveau eines Düsenjägers, ehe ein Auspufftopf von Scorpion die Krawall-Quelle nach hinten verlagerte und auf 98 dB begrenzte. Mit eben jenem Wert war es erst möglich, auf einer Rennstrecke wie Tarragona in Spanien die Rekordfahrten für das Guinness-Buch durchzuführen.

Rekord-Rasenrakete mäht sogar mit neuer Top-Speed

In dem allgemein eher unbekannten Qualitätskriterium „Grasfangsackvolumen“ besticht der Mean Mower wie sein käufliches Vorbild HF2620 mit vorbildlichen 350 Litern. Da man bei Tempo-Rekorden dieses großzügige Volumen kaum in Gänze beansprucht, brachten die Honda-Techniker hier einen von 5,4 Liter auf 15 Liter gewachsenen Benzintank sowie einen Hochleistungs-Ölkühler und ein zweites Kühlwassersystem unter, um mit den höheren thermischen Anforderungen fertig zu werden.

Trotzdem: Der Mean Mower taugt nicht nur zum Rasen, sondern auch nach wie vor zum Rasen mähen. Mit bis zu 24 km/h trimmt der Mean Mower schnödes Gras auf Länge und Fasson eines Wembley-Rasens. Das ist deutlich schneller als das serienmäßige Vorbild, mit dem die Rasenpflege bei höchstens 12 km/h möglich ist. Der Kniff: Beim Rekord-Rasenmäher erledigen zwei Elektromotoren die grüne Drecksarbeit, indem sie einen drei Millimeter dünnen Stahlfaden mit 4.000 U/min rotieren lassen.

Doch zurück zur reinen Fahrt mit der Rekord-Rasenrakete: Etwa 10 Minuten auf dem brettharten Rasen-Renngerät genügen, um jeden einzelnen Knochen und Muskel im Körper zu spüren. Doch bis zuletzt überwiegen die Lust an der Beschleunigung und der ständig steigende Genuss des pladdernden V2-Sounds. Dieses Gartengerät steht für britische Extravaganz pur. Mit dem Mean Mower entpuppen sich die Briten erneut als Menschen mit außergewöhnlichem Humor, Hang zum Extremen und jeder Menge Benzin im Blut. Wahre Speed Heads eben.


Technische Daten Honda Mean Mower:

Antriebsart: Heckantrieb | Hubraum: 996 cm³ | Leistung: 81 kW/110 PS bei 9.000/min| Drehmoment: 96 Nm | Vmax: 187,6 km/h | Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 4,0 Sekunden | Leergewicht: ca. 140 kg | Leistungsgewicht: 1,27 kg/PS | Tankinhalt: 15 l | Durchschnittsverbrauch: 4,2 l/100 km | Preis: unverkäuflich (technische Basis Honda HF2620 für 6.099 Euro)

1 Kommentar > Kommentar schreiben

28.08.2021

Wahnsinn - dieser Rasenmäher! Hab bis jetzt nicht gewusst, dass es einen Titel für den schnellsten Rasentraktor der Welt gibt. Die Briten haben schon einen außergewöhnlichem Humor!


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