Lexus LFA Test - Eine Drehorgel im Großstadtverkehr

, 08.12.2011


Er dreht und dreht und dreht immer höher. Das Display springt auf Rot - jetzt ist ein kurzer Druck auf die rechte Wippe zum Hochschalten angesagt. Kaum leuchtet die Skala weiß, eilt das 4,8 Liter große V10-Triebwerk schon wieder der Höchstdrehzahl von 9.500 U/min entgegen. Dabei klingt der Motor bereits ab 4.000 Touren wie am Drehzahlbegrenzer. Ab 6.000 U/min glaubt man, Sebastian Vettel persönlich rase gerade mit 370 km/h und mehr als 18.000 U/min die Zielgerade von Monza hinab.

Passanten staunen, trauen ihren Ohren nicht, manche erschrecken: Mitten am Frankfurter Ring im Norden Münchens, um 14.30 Uhr an einem ganz normalen Werktag, hören sie ein unbekanntes, schrilles Geräusch - so als hätte Oberbürgermeister Christian Ude mit Bernie Ecclestone den Coup vom Grand Prix in München ausgeheckt.

Kein Formel-1-Bolide zerschneidet den ganz normalen Nachmittagslärm an der Ringstraße, sondern ein Supersportwagen der besonders exklusiven Sorte: einer von 500 Lexus LFA, die es weltweit jemals geben wird. Ich sitze drin und staune mindestens so sehr wie jeder andere im Umkreis mehrerer hundert Meter. So wird eine Testfahrt vom routinemäßigen Termin zum unvergesslichen Ereignis.

Carbon-Keramik, Kohlefaser oder Titan zeugen vom enormen Budget

Der mit Unterstützung von Yamaha entwickelte, im idealen 72°-Winkel konstruierte V10 erinnert an die Formel-1-Motoren vergangener Tage, als der Mutterkonzern Toyota noch im großen Motorsport-Zirkus mitfuhr. Von 2000 an entwarf Lexus parallel dazu einen kompromisslosen Supersportwagen. Von enormer Tragweite und riesigem Budget des Prestige-Projekts LFA zeugt die üppige Nutzung hochwertigster Materialien wie Kohlefaser, Carbon-Keramik oder Titan.

Mit der Entwicklung und dem Bau des LFA konnte Lexus sein Leichtbau-Knowhow nochmals erweitern, was den Hybrid-Vorreitern künftig auch beim Bau besonders leichter und sparsamer Serienautos zu gute kommen dürfte. Das gesamte Chassis besteht aus eigens entwickeltem, kohlefaserverstärkten Kunststoff (CRFP), während für die Negativ-Beschleunigung Bremsscheiben aus Carbon-Keramik gnadenlos effizient zum Einsatz kommen.

Wo die attraktiv schimmernde Gewebestruktur von Kohlefaser, dem ultraleichten und dabei megafesten Baustoff der Formel 1, ins Auge springt, darf Geld keine große Rolle spielen. Chef-Ingenieur Tanahashi-san konnte den LFA von Beginn an ohne die sonst üblichen Barrieren entwickeln. Kein Wunder, dass er heute mit Euphorie auf diese Zeit zurückblickt: „Der LFA ist ein Vollblut-Supersportwagen, entwickelt mit dem Ziel, ein einzigartiges Fahrerlebnis zu vermitteln. In den vergangenen 10 Jahren sind wir bei der Verfolgung dieses Ziels bis an die Grenzen des Möglichen gegangen.“

Inzwischen hat der LFA Fabelrunden auf den Asphalt der Nordschleife gezaubert

Auf diese höchst seltene Weise wurde der LFA beinahe zwingend zur exklusiven Fahrmaschine. Konzentrierter Highend-Automobilbau auf 4,51 Metern Länge. Dank brutaler Motorpower, einer ausgefeilten Aerodynamik mit Ground-Effekt, einem ausfahrbaren Heckspoiler und einem Heckdiffusor sowie wirkungsvollem Leichtbau (die 560 PS müssen nur mit 1.480 Kilogramm Leergewicht fertig werden, macht ein Leistungsgewicht von 2,64 kg pro PS) zaubert der LFA Fabelzeiten auf den legendären Asphalt der Nordschleife: 7:29 Minuten die Bestmarke für den käuflichen LFA. Damit liegt der Lexus LFA etwa gleichauf mit dem Porsche Carrera GT und deutlich vor dem brandneuen 911er (7:40 Minuten), der wiederum die bisherige Baureihe 997-2 um immerhin 14 Sekunden abledern konnte.

Mit solch einem Potenzial etablierte sich der dynamische Lexus längst unter den aktuellen Supersportlern. Dennoch zeigten unsere Testfahrten, dass er sich auch im normalen Straßenverkehr erstaunlich locker bewegen lässt: kein Verzicht auf Klimaautomatik oder Highend-Audioanlage, sanfte Gangwechsel im Automatik-Modus, viel Schmalz schon aus dem Drehzahlkeller heraus.

Allein die fast manische Verfolgung jeder Spurrille strengt den Piloten an. Wenigstens gleicht er die lästige Verfolgungsarbeit der Breitreifen (vorn 265er, hinten 305er) mit Hilfe direkt umgesetzter Lenkimpulse über das speziell entwickelte Carbon-Lenkrad aus.

Der LFA-Pilot könnte getrost auf die hochwertige Audio-Anlage verzichten, da der Sound aus dem Auspuff-Trio oberhalb des Heckdiffusors so markerschütternd und einzigartig ist. An der Entwicklung des V10-Motors waren übrigens die japanischen Landsleute von Yamaha mit beteiligt. Yamaha glänzt bekanntlich nicht nur mit Formel-1-Knowhow, sondern trägt aus gutem Grund drei gekreuzte Stimmgabeln im Logo: Lange vor Motoren und Motorrädern begann Yamaha im Jahre 1900 mit dem Bau von Pianos und fertigt die edlen Instrumente bis heute ebenso wie Gitarren oder Hifi-Anlagen.

Neben den PS-Profis von Yamaha mussten auch die Akustik-Tüftler beim Lexus LFA ran. Sie analysierten die Geräuschkulisse, wie zum Beispiel des Ansaugtraktes, kreierten so eine Art Oktaven-Harmonie und waren erst zufrieden mit dem heute so beeindruckenden Sound, der innen wie außen am LFA immer nach viel mehr Umdrehungen klingt: bei 3.000 wie 7.000 Touren, bei Höchstdrehzahl wie weniger als 20.000 Touren.

Vieles am LFA stammt aus der Formel 1

Man darf den LFA nicht auf seinen einzigartigen Klang reduzieren. Vielmehr ist der japanische Supersportwagen fernab jeglicher Geräuschkulisse ein absoluter Blickfang. Satt steht der Front-Mittelmotor-Sportwagen auf der Straße, auffällig springen aerodynamische Stilelemente ins Auge. Beispiel Hinterteil: Wie Fanfaren sitzen die drei Auspuffrohre über dem Heckdiffusor, der die unter dem Fahrzeug durchgleitende Luft ideal nach hinten ableitet und so den rasenden Japaner förmlich an der Straße festsaugt. Diese Technologie ergänzt sich bei der Abtriebsarbeit mit dem ausfahrbaren Heckspoiler und stammt ebenso aus der Formel 1 wie der V10-Motor mit seinen sündhaft teuren Titan-Ventilen.

Doch wie fährt er sich nun? Zunächst cruisen wir gemütlich am Münchner Altstadtring entlang, geradewegs zum Schmelztiegel für Luxus, Noblesse, Eleganz und Eitelkeit: In der Maximilianstraße sind die oberen Zehntausend beim Shoppen oder im Straßen-Café sitzend dank ständiger Reizüberflutung unglaublich abgebrüht. Ein gewöhnlicher Ferrari, Porsche, Maybach oder Aston Martin bringt kaum jemanden dazu, den Kopf parallel zur Fahrtrichtung der Nobelkarosse zu bewegen.

Anders der Lexus LFA: Akustisch und optisch ein Leckerbissen mit Exotenstatus, schafft er das Unglaubliche und erregt spürbar Aufsehen. Offensichtlich hilfreich: Man sieht ihm an, dass er etwa so viel kostet wie ein Lamborghini Gallardo und ein Porsche 911 Turbo zusammen - und dass er dabei noch wesentlich exklusiver ist.

Von den insgesamt 500 Exemplaren, die in Portionen von monatlich 20 Stück in Handarbeit entstehen, gehen nur 13 handverlesene nach Deutschland. Momentan sind davon vier Exemplare ausgeliefert. Obwohl einer der Kunden laut Lexus Deutschland in den ersten drei Monaten sage und schreibe 7.000 Kilometer auf das edle Geschoss schrubbte, muss man sich trotzdem fragen: Wann wird Münchens Hautevolée jemals wieder in den Genuss eines LFA kommen?

Sogar in der von Porsches überlaufenen Maximilianstraße erregt der LFA Aufsehen

Wir lassen die bayerische Edelmeile darüber im Ungewissen und bewegen den Lexus LFA nach dem artfremden Fortbewegen im Großstadtgewühl und einer Fotosession am Rangierbahnhof endlich in sein Stammrevier. Auf dem teils unbegrenzten Autobahnring A99 lassen wir PS und Nm freien Lauf und stellen begeistert fest, wie hochgeschwindigkeitsstabil der Lexus LFA jenseits der 300 km/h läuft.

Beim Beschleunigen schnellt der Lexus LFA blitzartig der Top-Speed entgegen, die immerhin bei 325 km/h liegt. Die Formel-1-Fanfaren am Heck ertönen derweil in voller Pracht. Ein kurzes Tippen der Wippen, schon ist in 0,2 Sekunden der Wechsel in einen anderen Gang vollzogen.

Beim Hochschalten wird die nahe der Höchstdrehzahl rot gefärbte Skala kurzfristig wieder weiß, beim Runterschalten spotzt der V10 einen kräftigen Zwischengas-Stoß hinaus. Die Carbon-Keramik-Bremsen von Brembo machen schlagartig jene Geschwindigkeit zunichte, die atemberaubende Beschleunigung zuvor aufbaute.

Die beim Cruisen schier gemütlichen Carbon-Sitzschalen saugen den Piloten währenddessen bei den Bleifuss-Orgien förmlich auf und neutralisieren die Seitenkräfte. Das ESP lässt sogar leichte Driftwinkel zu. Kurz: Mission erfüllt, der LFA ist ein überzeugendes Renommierstück für Lexus.

Technische Daten Lexus LFA:

Antriebsart: Heckantrieb | Hubraum: 4.805 cm³ | Leistung: 412 kW/560 PS bei 8.900 U/min | Drehmoment: 480 Nm bei 6.800 U/min | Vmax: 325 km/h | Beschleunigung 0 - 100 km/h: 3,7 Sekunden | Leergewicht: 1.480 Kilogramm | Leistungsgewicht: 2,64 kg/PS | Durchschnittsverbrauch: 16,3 l/100 km | Preis: 375.000 Euro

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