Dass der Porsche 911 Targa 4 GTS Test kein langweiliger Testbericht wird, lässt die Überschrift unschwer erkennen. Doch bevor wir das Geheimnis um das „geile Turbo-Schwein“ lüften, gibt es etwas zur Geschichte des 911 Targa. Der Porsche 991 Targa 4 GTS ist der erste Targa, der als performance-orientierter GTS vom Band läuft: selbstbewusst mit satter Turbo-Aufladung. Die typische Targa-Form mit dem Bügel hinter dem Fahrerkopf und dem herausnehmbaren Dachmittelteil hat der aktuelle Targa noch immer mit dem Ur-Targa von 1965 gemeinsam. Unterschied: Das Targa-Glasdach lässt sich jetzt eindrucksvoll per Knopfdruck hydropneumatisch in nur 20 Sekunden öffnen und schließen. Dass das ein echter Hingucker ist, zum Beispiel beim Warten an der Ampel, zeigt eindrucksvoll unsere Fotogalerie zum 991 Targa 4 GTS.
Woher kommt eigentlich der Begriff Targa?
Der Begriff „Targa“ stammt aus dem Italienischen und bedeutet übersetzt ins Deutsche ungefähr soviel wie „Schild“. Durch das von 1906 bis 1977 ausgeführte Langstreckenrennen „Targa Florio“, bei dem Porsche viele eindrucksvolle Siege einfahren konnte, wurde der Begriff besonders bekannt. Selbstredend, dass sich Porsche den Begriff „Targa“ markenrechtlich schützen ließ. Der Targa-Bügel war übrigens den strengeren Zulassungsrichtlinien des für Porsche wichtigen US-amerikanischen Exportmarktes geschuldet und fungiert seitdem als Überrollschutzsystem. Das Porsche „Sicherheitscabriolet“ war damit geboren.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Gut geschützt und ohne auf die frische Luft des Offenfahrens verzichten zu müssen, braust man im heutigen Porsche 991 Targa 4 GTS mit 450 PS, generiert aus einem 3,0 Liter großen Sechszylinder-Biturbo-Boxermotor im Heck, durch die Gegend. 550 Nm, die zwischen 2.150 und 5.000 U/min anliegen, sorgen in Kombination mit dem 7-Gang-PDK-Getriebe für beeindruckende Fahrleistungen wie einer Höchstgeschwindigkeit von 306 km/h (309 km/h als Schalter) und Beschleunigungswerten von 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h (4,1 Sekunden als Schalter). Dem gegenüber steht ein durchschnittlicher Spritverbrauch von 8,7 Litern auf 100 Kilometern (CO2-Ausstoß 196 g/km), der sich allerdings in unserem einwöchigen performance-orientierten Test auf ca. 10 bis 11 Liter erhöhte. Ein immer noch beeindruckender Wert für einen solch potenten Sportwagen.
Im GTS sorgt ein intelligenter Allradantrieb für Fahrspaß in jedem Terrain
Die für Porsche typische, hecklastige Auslegung des Allradantriebes bietet Fahrspaß in jedem Terrain und bei allen Wetterbedingungen. Für die Kraftverteilung auf alle vier Räder sorgt indes die intelligente Allradsteuerung „Porsche Traction Management (PTM)“. Das PTM besteht aus einem aktiven Allradantrieb mit elektronisch geregelter, kennfeldgesteuerter Lamellenkupplung, dem automatischen Bremsendifferenzial (ABD) und der Antriebsschlupfregelung (ASR).
Das Allradsystem sorgt für noch mehr Fahrstabilität, Traktion und agilem Handling. Dazu leitet das PTM den in jeder Fahrsituation optimalen Anteil des Motormomentes über die Lamellenkupplung zusätzlich an die Vorderräder. Für den Fahrer ist das jederzeit im 4,6 Zoll großen TFT-Farbbildschirm des Kombiinstrumentes ersichtlich. Im Test machte sich das deutlich bemerkbar: Der Targa 4 GTS ist zu jeder Zeit für seinen Piloten einfach zu beherrschen und mit hohem sportlichen Anspruch zu bewegen.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Im „Sport Plus“-Modus lässt sich die Performance weiter erhöhen und der Grenzbereich des Porsche 911 Targa 4 GTS neu erfahren. Weiteres Gimmick des serienmäßigen „Sport Chrono“-Paketes: Aktiviert der Fahrer die „Launch Control“, so wird die Kupplung vorgespannt, um eine noch bessere Beschleunigung aus dem Stand zu erreichen. Die Launch Control funktioniert wie folgt: „Sport Plus“ aktivieren, „ESP – Traction Control“ deaktivieren, gleichzeitig Bremse und Gas treten und dann schnell die Bremse lösen, während man weiterhin voll auf dem Gas bleibt. Der sogenannte „Ampelstart“ ist beeindruckend. Eine zu häufige Anwendung sorgt allerdings für neue Freundschaften beim Reifenhändler des Vertrauens, wie man sich denken kann.
Auf Wunsch auch mit Hinterachslenkung
Auf Wunsch ist der 911 Targa 4 GTS mit der neuen Hinterachslenkung erhältlich, die für noch mehr Performance und Alltagstauglichkeit sorgt. Bei niedrigen Geschwindigkeiten sorgt diese für ein Einlenken der Hinterräder entgegen den eingeschlagenen Vorderrädern, was zu einem kleineren Wendekreis und spürbar erleichtertem Einparken führt. Bei höheren Geschwindigkeiten lenkt das System die Hinterräder in die gleiche Richtung wie die eingeschlagenen Vorderräder, was Fahrstabilität und Agilität steigert und zu besserer Fahrperformance führt.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Auch der Innenraum des Porsche 911 Targa 4 GTS kann sich sehen lassen. So nimmt man stilvoll im vierfach verstellbaren „Sportsitz Plus“ mit schwarzem GTS-Schriftzug auf den Kopfstützen Platz, der für gleichermaßen guten Seitenhalt und Langstreckenkomfort sorgt. Schwarzes Alcantara, das nur halb so schwer wie Leder ist, dominiert den Innenraum. Farblich abgesetzte Ziernähte sorgen für ein stimmiges Gesamtbild und zusammen mit Zierleisten aus schwarzem, gebürstetem Aluminium für eine zusätzliche sportliche Note. Altbekannt: Zentral in der Armaturentafel integrierte Porsche die Stoppuhr des Sport-Chrono-Paketes.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Über den Mode-Schalter am GT-Sportlenkrad mit reduziertem Lenkraddurchmesser und griffigem Alcantara erhält der Fahrer die Wahl zwischen vier Fahrmodi. Vom Alltagsmodus bis zum „Sport Plus“ steht für jeden Einsatzzweck das passende Programm zur Verfügung. Mit dem 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe (PDK) erhalten zudem zwei Schaltpaddles aus massivem Leichtmetall und der „Sport Response Button“ am Mode-Schalter, der Motor und Getriebe für 20 Sekunden auf maximales Ansprechverhalten vorbereitet, Einzug im Cockpit des Targas.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Das Porsche Communication Management (PCM) ist bereits aus anderen Porsche Modellen bekannt und fungiert nun auch im Targa als zentrale Steuereinheit für alle Infotainment-Anwendungen. Das System besitzt ein hochauflösendes Touchdisplay mit integriertem Näherungssensor, der eine einfache und komfortable Bedienung ermöglicht. Mit der Handyvorbereitung verbinden sich Smartphones wie das iPhone komfortabel über Bluetooth und natürlich lässt sich auch auf Musiktitel im PCM zugreifen.
GTS steht das wirklich für „Geiles Turbo-Schwein“?
GTS: Diese drei Buchstaben stehen selbstverständlich oder leider nicht für „Geiles Turbo-Schwein“ - auch wenn es sich so anfühlt - sondern offiziell für „Gran Turismo Sport“. Die drei kleinen Buchstaben sind das Symbol für noch mehr Leistung und eine noch sportlichere Ausstattung. Inoffiziell stehen diese aber dann doch für den extra geilen Turbo-Bumms.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Mit der Sport-Design-Frontverkleidung, den großen Lufteinlässen und den schwarzen LED-Hauptscheinwerfern zeigt die Frontansicht direkt ihre GTS-Zugehörigkeit und einen auffälligen Kontrast zum Standard-911er. Insbesondere bei der Lackierung in Karminrot, die mit dem GTS erstmals für die Porsche 911-Modelle optional erhältlich ist, kommen die in Schwarz gehaltenen Elemente des Exterieurs besonders gut zur Geltung. Das GTS-Modell mit Allradantrieb fällt im Vergleich zu den zweiradgetriebenen 911 Carrera-Modellen ebenfalls durch die hinteren um jeweils 22 Millimeter weiter herausgezogenen Radhäuser auf.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Als charakteristische GTS-Attribute in der Seitenansicht erweisen sich die 20 Zoll großen, seidig schwarz glänzenden „911 Turbo S“-Räder mit Zentralverschluss, die Sport-Design-Außenspiegel und die „GTS“-Schriftzüge auf den Türen. In seidenglänzendem Schwarz lackierten die Macher den „Targa”-Schriftzug auf dem silbernen Überrollbügel. Am Heck setzen die glänzenden Leisten auf dem Lufteinlassgitter, der Modellschriftzug und die verchromten Endrohre der serienmäßigen Sportabgasanlage schwarze Akzente.
Der 911 Targa 4 GTS ist der ideale Kurvenräuber
Die breite Spur an der Hinterachse sorgt zusammen mit dem PTM-Allradantrieb für hohe Kurvenstabilität. In Verbindung mit dem bei allen GTS-Modellen serienmäßig verbauten „Porsche Active Suspension Management“ (PASM), das kontinuierlich die Dämpferkraft regelt, zeigt sich das besonders gut. Die Dämpfereigenschaften lassen sich vom Piloten zudem selbst regeln: Im Normal-Modus ist die Dämpfung sportlich-komfortabel, im Sport-Modus sportlich-straff.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Das Porsche Torque Vectoring (PTV), das im Porsche 911 Targa 4 GTS zur Serienausstattung gehört, sorgt für noch mehr Agilität und verbessert die Lenkpräzision durch gezielte Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad. Die Quersperre sorgt dabei für ein verbessertes Beschleunigungspotenzial am Kurvenausgang. Mehr Fahrdynamik und -komfort bietet die optionale „Porsche Dynamic Chassis Control“ (PDCC), welche die Querbeschleunigung und das Handling weiter optimiert.
Die Seitenneigung des Fahrzeuges wird durch das variable Stabilisatorsystem, zum Beispiel beim Einlenken in die Kurve, bei Kurvenfahrt und schnellen Spurwechseln bis zur maximalen Querbeschleunigung, nahezu vollständig kompensiert. So stehen die Reifen immer optimal zur Fahrbahn und können ein Maximum an Kräften in jede Richtung übertragen. Dadurch steigen die möglichen Kurvengeschwindigkeiten und auf Geraden wird durch die Entkoppelung der Fahrkomfort auf Langstrecken gesteigert. Das konnte man im Porsche 911 Targa 4 GTS Test deutlich spüren.
© Foto: Christian Motzek, Speed Heads
Porsche 911 Targa 4 GTS Fazit: Der Spagat zwischen Turbo-Schwein und kultiviertem Gleiter ist perfekt gelungen
Man kann es nicht anders sagen: Der Porsche 911 Targa 4 GTS ist einfach ein „geiles Turbo Schwein“. Bei jedem kleinen „Drückerchen“ auf das Gaspedal setzen die Turbolader prompt ein und das Dauergrinsen im Gesicht ist beim Voranpeitschen des Targa 4 GTS vorprogrammiert. Das Turbo-Schwein kommt unweigerlich schnell zum Vorschein und wird von einer eindrucksvollen Klangcharakteristik begleitet. Dafür sorgen nicht nur die frei atmenden Lader, sondern auch das blitzschnell einsetzende Knallen beim Schaltvorgang des PDK bei geöffneter Abgasklappe.
Doch der 911 Targa 4 GTS kann auch anders: Das „Sport Chrono“ deaktiviert und die Auspuffklappenanlage wieder geschlossen, gleitet man im Targa 4 GTS durch kurvige Landstraßen und langgezogene Geraden wie Gott in Frankreich, ohne dabei groß an sportlichem Anspruch einzubüßen. Ein unbeschreibliches Fahrgefühl ist das Resultat, das einen auf seiner Reise in Richtung Sonnenuntergang mitnimmt - selbstverständlich mit wehendem Haar im Fahrtwind dank geöffnetem Targa-Verdeck.
Der Porsche 911 Targa 4 GTS ist der ideale Reisesportwagen, der seine Charakteristik auf Knopfdruck, je nach Fahrerwunsch, komplett und prompt verändert. Der Spagat ist perfekt gelungen.