Hintergrund: Das passiert an einem DTM-Testtag

, 02.03.2015

Wie läuft ein DTM-Testtag ab? Welche Punkte stehen auf der Tagesordnung? Wie viel Schlaf kriegt ein Fahrer? Und gibt es auch mal ein Feierabend-Bier?

In Portimao haben die ersten DTM-Probefahrten des Jahres begonnen. Drei Tage lang testen die drei Hersteller Audi, BMW und Mercedes, um sich auf die DTM-Saison 2015 vorzubereiten. Doch wie läuft eigentlich ein typischer Testtag ab und was genau steht dabei auf der Tagesordnung? 'Motorsport-Total.com' hat nachgefragt und Ex-DTM-Champion Gary Paffett hat ausführlich geantwortet.

Der britische Rennfahrer ist einer der erfahrensten Piloten im Starterfeld und hat daher schon etliche DTM-Testtage absolviert. Und die beginnen meist mit dem Aufwachen in einem Hotel in Südeuropa, gegen halb sieben Uhr früh. Eine Dreiviertelstunde später sitzen Fahrer und Crew beim Frühstück, direkt danach geht es weiter an die Rennstrecke, wo kurz nach der Ankunft ein erstes Meeting ansteht.

"Das Treffen mit den Ingenieuren ist der erste Programmpunkt", erklärt Paffett. "Natürlich könnte man diese Besprechung schon am Abend vorher ansetzen, aber die Ingenieure brüten meist die ganze Nacht über den Plänen und ändern noch dies und das an den Abläufen. Deshalb treffen wir uns am Vormittag. Alle Fahrer und Ingenieure sind da, wir diskutieren den Tag und den Plan für jedes Auto."

Endlich: Es wird praktisch!

Und nach diesem theoretischen Teil wird es alsbald praktisch. Auch deshalb ist frühes Aufstehen Pflicht, wie Paffett hinzufügt. "Man trifft die notwendigen Vorbereitungen. Denn wenn der Test beginnt, willst du auch gleich hinausfahren. Daher ziehst du als Fahrer zehn Minuten vor Beginn der Einheit den Helm über und kletterst ins Auto." Nach dem Funkcheck ist dann alles bereit für den Testauftakt.

In Portimao schaltet die Boxenampel um 8:30 Uhr auf Grün. Für Paffett und Co. ist dies das Signal zum Losfahren, allerdings noch nicht gleich im Renntempo. "Ein Testtag beginnt normalerweise mit einer Installationsrunde", meint Paffett. "Du fährst entweder einmal über Start und Ziel oder direkt zurück in die Boxengasse." In der Garage wird das Auto daraufhin einmal komplett überprüft.

Haben sich die Mechaniker davon überzeugt, dass sämtliche Systeme einwandfrei funktionieren und alle Bauteile sicher sitzen, kann der Testbetrieb beginnen. Und bei diesen ersten Runden steht der Fahrer ganz im Mittelpunkt: "Es geht darum, sich wieder an das Fahrzeug und an die Rennstrecke zu gewöhnen. Das macht man auch, wenn man schon am Vortag auf diesem Kurs getestet hat", so Paffett.

Welche Rolle spielt das Wetter?

Der Grund: das Wetter. "Die Bedingungen könnten sich über Nacht verändert haben. Daher nimmt man sich die Zeit, um sich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen", meint der Mercedes-Pilot. Doch dieser Prozess nimmt nicht viel Zeit in Anspruch. Und so widmen sich die Beteiligten nach wenigen Minuten dem normalen Tagesgeschäft. Aber wie sieht eben dieses eigentlich aus?

"Das Testprogramm", so Paffett, "kann alles Mögliche beinhalten." Zum Beispiel die Arbeit am Setup des Autos. "Es könnte eine Setupvariante geben, die wir zuvor noch nie ausprobiert haben. Und so verbringt man drei, vier Versuche damit, sich mit diesem Setup zu beschäftigen und das Auto präzise darauf abzustimmen." Mal über eine Renndistanz, mal über wenige Runden, um ein Qualifying zu simulieren.

Der Fahrer ist dabei ständig gefordert, fährt auf der Strecke oder spricht in der Garage mit den Ingenieuren. "Da musst du frisch bleiben, weil sich nach ein paar Stunden doch eine gewisse Müdigkeit einstellt. Dann wird man träge", sagt Paffett. "Deshalb unterbricht man den Vormittag mehrfach, um kurze Pausen einzulegen, um sich mal zu strecken, um kurz durchzuatmen."

Eine Stunde Pause, dann geht's von vorne los

Zur Mittagszeit wird eine obligatorische, einstündige Pause eingelegt. "Diese Unterbrechung", so der DTM-Routinier, "ist dazu da, die Akkus neu aufzuladen, Flüssigkeit und Nahrung aufzunehmen, damit du auch Nachmittag noch leistungsfähig bist. Man trifft sich auch kurz mit den Ingenieuren und spricht über die Erkenntnisse des Vormittags. Kurz diskutiert man dann auch den Ablauf für den Nachmittag."

Weitere vier Stunden verbringen Fahrer und Crew damit, verschiedene Einstellungen am Fahrzeug auszuprobieren und Neuentwicklungen zu testen. "Der Testtag endet gegen 17 oder 18 Uhr und hoffentlich nach über einhundert Runden. Sobald diese im Kasten sind, geht es für dich als Fahrer wieder darum, frische Kraft zu tanken", erklärt Paffett. "Am besten, man nimmt einen Protein-Shake oder -Riegel zu sich."

Der nächste Termin wartet allerdings bereits: Abends um 19 Uhr steht die nächste Besprechung mit den Ingenieuren an. "Dieses Treffen dauert meist eine halbe bis eine ganze Stunde. Man spricht über die Erkenntnisse des Tages, die einzelnen Tests, die Ergebnisse, die Eindrücke der Fahrer", meint Paffett und fügt hinzu: "Abschließend gibt es noch einen Ausblick auf den folgenden Testtag."

Ein kleines Feierabend-Bier oder nicht?

Und noch ist der Tag nicht zu Ende: "Zwischen 19:30 und 20 Uhr folgt das Abendessen. Wir Fahrer plaudern dabei gern über den Tag und auch über alles andere. Danach geht es zurück ins Hotel, das wir gegen 7:30 Uhr verlassen haben. Und wer müde ist, legt sich vielleicht gleich hin, schaut noch einen Film und geht zu Bett. Es bleibt nämlich nicht viel Zeit zum Schlafen vor dem nächsten Testtag."

Den einen oder anderen Fahrer zieht es allerdings noch an die Hotelbar. Für ein Feierabend-Bier? "Wenn es dein letzter Testtag war, dann kannst du dir eines genehmigen, ansonsten nicht", meint Paffett. "Aber nach einem langen Testtag kann man schon mal für ein schnelles Bier in der Bar vorbeischauen." Solange der Fahrer am nächsten Morgen wieder fit auf der Matte steht, ist alles in Ordnung.

Überhaupt ist eine gute Fitness von großer Bedeutung für das Testen. "Solche Tage sind einfach viel anstrengender als Renntage", erklärt Paffett. "Deine Fitness ist viel mehr gefordert, weil du von neun Uhr früh bis 17 Uhr abends im Auto sitzt. Zwischendurch gibt es nur kurze Pausen. Du musst schauen, immer genug Flüssigkeiten und Nahrung zu dir zu nehmen, um leistungsfähig zu bleiben."

Neun Tage sind nicht genug

Was insgesamt recht eintönig und kräftezehrend klingt. Wo also bleibt da der Spaßfaktor? Paffett meint, eben diesen in der Harmonie zwischen Rennfahrer und Rennauto zu erkennen: "Wenn das Auto auf der Strecke immer besser wird, sich über einen Longrun hinweg prima verhält, es auch noch schnell ist - das ist das Tolle. Die besten Testtage sind die, an deren Ende du das Gefühl hast, wirklich etwas geschafft zu haben."

Der Haken daran: "Es gelingt nicht immer", so Paffett. "Es gibt auch Tage, da arbeitest du am Auto, aber es klappt nichts so richtig." Und nicht immer spiegelt der Zeitenmonitor die Realität wider. "Die Zeiten können eine Hilfe sein, sagen aber nicht viel darüber aus, was du erreicht hast", sagt Paffett. "Natürlich ist eine schnelle Runde schön, doch damit weißt du trotzdem noch nicht, wo du stehst."

Und viel Vorbereitungszeit haben die DTM-Piloten nicht: Insgesamt neun Tage sind für die Tests vor Saisonbeginn veranschlagt. "Wir Fahrer bekommen jeweils zwischen drei und fünf Testtage", meint Paffett. "Das ist natürlich nicht so viel, wie wir gern hätten. Als Rennfahrer willst du nämlich immer noch mehr testen. Deshalb muss man schauen, wie man mit den zur Verfügung stehenden Testtagen hinkommt."

Das Programm wird von Testwoche zu Testwoche immer intensiver. "Beim ersten Test in Portimao geht es vorrangig darum, sich wieder an alles zu gewöhnen. In Estoril und Oschersleben arbeiten wir dann verstärkt am Verfeinern des Setups", sagt Paffett und merkt an: "Drei Tests hören sich nach viel Zeit an, doch das ist es nicht, wenn man das Arbeitspensum bedenkt. Aber wir sitzen ja alle im selben Boot."

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