Alonso redet Klartext: Verschwörung? Windböe? Quatsch!

, 26.03.2015

McLaren-Star nennt Problem mit dem Auto Unfallursache, die nie identifiziert werden könnte - Zukünftig keine Bedenken - Kritik an McLarens Krisenmanagement

Fernando Alonsos Auftritt in der FIA-Pressekonferenz zum Malaysia-Grand-Prix am Donnerstag war mit Spannung erwartet worden. Bahnbrechende Erkenntnisse zu seinem Testunfall in Barcelona vor knapp fünf Wochen lieferte der Auftritt nicht, diversen Verschwörungstheorien widersprach der Spanier im Vorfeld seines Formel-1-Comebacks jedoch. Die unfallbedingte Amnesie sei verflogen, die Lenkung wahrscheinlich schuld am Crash und diverse "Alonso-Teile" ausgebaut. Kritik erntet McLarens Krisenmanagement.

Auf die Berichte über seinen verwirrten Geisteszustand direkt nach dem Einschlag angesprochen kann sich Alonso das Schmunzeln nicht verkneifen. "Ich bin nicht im Jahre 1995 aufgewacht, ich habe nicht Italienisch gesprochen - und nichts von dem, was herumgeisterte", kommentiert er die Schlagzeilen spanischer und italienischer Gazetten süffisant. Seine Schilderung der Ereignisse nach dem Zwischenfall klingt unspektakulärer. Alonso beschreibt, wie er zunächst an der Mauer entlangschlitterte.

Er habe den Schalter für den aktivierten Funk sowie den Hauptschalter umgelegt, um das ERS und die Energiespeicher abzuschalten. Er hätte die Streckenposten kommen sehen und es ihnen ermöglichen wollen, den Boliden zu berühren. Warum sie das Augenzeugenberichten zufolge letztlich aber nicht taten, will Alonso nicht bewerten. "Das Bewusstsein habe ich dann erst im Krankenwagen oder im Streckenhospital verloren", meint der Ex-Weltmeister. Der Grund war aber nicht der Einschlag.

Alonso sicher: Technischer Defekt war Ursache

Alonso erklärt: "Alles war wie bei einer normalen Gehirnerschütterung. Als ich ins Krankenhaus kam, war ich in guter Verfassung. An die Zeit von 14 bis 18 Uhr erinnere ich mich nicht, aber das ist aufgrund der medikamentösen Behandlung vor Abflug des Helikopters und den Untersuchungen normal." Werden Kopfverletzungen vermutet, verabreichen Ärzte Beruhigungsmittel, um eine Verschlimmerung durch Bewegungen zu vermeiden und die bildgebende Verfahren problemlos erledigen zu können.

Gedächtnislücken, die ihn drei bis vier Tage nach dem Unfall plagten, sind nicht mehr vorhanden. Alonso spricht über den viel diskutierten Sonntagmittag und die Geschehnisse vor dem Crash: "Ich erinnere noch mich an die Setupänderungen, an die Rundenzeiten und daran, dass Vettel in Kurve drei vor mir war. Ich erinnere mich an den Unfall und alles am folgenden Tag." Bezüglich der Ursache wird der Spanier deutlich, ohne Details zu kennen: "Es ist klar, dass es ein Problem mit dem Auto gab."

Die Krux: McLaren weiß nicht, welches. "Es gab definitiv ein Lenkungsproblem mitten in Kurve drei, wo sie sich nach rechts arretiert und nicht mehr hat lösen lassen", ist sich Alonso sicher. "Ich bin in Richtung Mauer gefahren, habe im letzten Moment gebremst und nicht mehr vom fünften in den dritten Gang geschaltet." Es fehlen auf den Datenaufzeichnungen jedoch Segmente, weil McLaren zu diesem Zeitpunkt auf Teile vertraute, deren Entwicklung sich nicht in der neuesten Ausbaustufe befand.

Spezielle "Alonso-Teile" an der Lenkung ausgebaut

Zum Malaysia-Grand-Prix ist das behoben: Im MP4-30 arbeiten mittlerweile andere Sensoren. Jedoch ist selbst mit diesen Fühlern nicht klar, ob sie in der Lage wären, ein Problem wie das von Barcelona zu protokollieren. "Vielleicht in zehn Jahren, wenn es Technologie dafür gibt", schätzt Alonso. "Es gibt Anhaltspunkte, keine klare Antwort." In den Daten ist nichts zu erkennen, was als eindeutige Ursache auszumachen wäre. "Wenn wir es nach einem Monat nicht gefunden haben, können wir es vielleicht nie."

An der Lenksäule wurde in der Zwischenzeit gearbeitet. Teile, die beim zweiten Wintertest speziell auf Wunsch Alonsos angefertigt und eingebaut wurden, befinden sich derzeit nicht mehr am Auto. Stattdessen sind Versionen in Gebrauch, die Jenson Button und Ex-Stammpilot Kevin Magnussen geraume Zeit problemlos genutzt haben. "Mit der FIA und dem Team wurde alles überprüft. Ich vertraue der Mannschaft, die sich einen Monat lang jede Schraube angesehen und viele Tests gemacht hat", so Alonso.

Auch der Gesundheit und der medizinischen Vorgeschichte des Asturiers widmete sich eine Armee von Experten intensiv, um etwa Herzprobleme oder versteckte Schlaganfälle auszuschließen. "Wir haben jetzt wohl das sicherste Auto überhaupt. Ich bin der medizinisch am intensivsten untersuchte Fahrer in der Geschichte", flachst ein nach der FIA-Startfreigabe gut aufgelegter Alonso. "Ich habe überhaupt keine Zweifel." Dass die Ursache für den Crash vielleicht entdeckt wird, bereite ihm kein Unbehagen.

"Nicht einmal ein Hurrikan...": Alonso kritisiert McLaren

Die erste McLaren-These, der Wind habe den MP4-30 aus der Kurve getrieben, verbannt Alonso in das Reich der Fabeln: "Bestimmt nicht", schüttelt er auf eine tags nach dem Unfall herausgegebene Pressemitteilung angesprochen den Kopf. "Wenn man das Video sieht: Nicht einmal ein Hurrikan könnte das Auto bewegen, nicht bei dieser Geschwindigkeit." Auch Gerüchten um Bewusstlosigkeit durch Batteriedämpfe setzt Alonso ein Ende: "Hat man ein medizinisches Problem, verliert man Vortrieb und fährt geradewegs nach außen - nie nach innen. Man muss ein Formel-1-Auto auch noch lenken."

Dass sein Arbeitgeber dennoch mit der fadenscheinigen Behauptung an die Öffentlichkeit ging und die Verschwörungstheorien nur weiter fütterte, führt Alonso auf verunglücktes Krisenmanagement zurück: "Es war Stochern im Nebel", meint er und hat Verständnis für die Reaktion von Patron Ron Dennis sowie Rennleiter Eric Boullier. "Man kann nicht drei oder vier Tage - bis ich mich an alles erinnere - gar nichts sagen, sonst wird alles nur noch schlimmer. Die Windtheorie war trotzdem keine Hilfe."

Auf sein Comeback in Sepang vorbereitet hat sich Alonso im Simulator in Woking, wo er sich in der vergangenen Woche mit der neuesten Konfiguration des Autos vertraut machte - schließlich geschah seit Ende der Testfahrten vieles, was er nur als Beobachter mitbekam. Zweifel an der Berufswahl haben die Ereignisse der vergangenen Wochen nicht aufkommen lassen: "Ich habe nicht mehr Respekt als zuvor. Es fühlt sich alles normal an", versichert Alonso im Rahmen der FIA-Pressekonferenz.

Formel 1 im TV? Nichts für Morgenmuffel Alonso

Er sei sich des Risikos bewusst: "Motorsport ist gefährlich", sagt Alonso und wundert sich, welchen Ausgang manche Szenen erleben und sein harmlos wirkender Abflug gravierende Folgen hatte: "Es gibt Unfälle, da ist das Auto komplett zerstört und es passiert überhaupt nichts. Dann fliegt man in einer langsamen Kurve ab und es liegt an dem Winkel und an dem Körperteil, mit dem man einschlägt, ob mach sich schwer oder leicht verletzt. So ist auch im Alltag: Man lebt gefährlich und nichts passiert, dann läuft man eines Tages über die Straße und es gibt ein gewaltiges Problem", sinniert Alonso.

Seinen Humor hat ihm die Angelegenheit nicht geraubt. Er spricht darüber, nach 14 Jahren erstmals ein Formel-1-Rennen live im Fernsehen verfolgt zu haben. "Da habe ich mir wohl nicht den besten Grand Prix ausgesucht", sagt er lachend und zählt auf: "Es war schwierig mitanzusehen, wie sich das Team nicht so gut geschlagen hat. Es war am frühen Morgen und das hat mich auch nicht gerade euphorisch gestimmt. Außerdem waren nach ein paar Runden nicht mehr so viele Autos mit von der Partie."

Dennoch hätten die vielleicht schwierigsten fünf Wochen seiner Karriere auch etwas Gutes gehabt, befindet Alonso: "Ich habe erlebt, wie viele Leute mich unterstützen. Es war überwältigend, wie viele Nachrichten und Genesungswünsche ich erhalten habe: Viele Sportler, die Regierung und das Formel-1-Paddock, da gab es so viel Anteilnahme", schildert er. "Sogar auf dem Flug am Dienstag war es noch schön zu sehen, wie viele ernst gemeinte Genesungswünsche es gab."

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