Alonso-Testcrash: Augenzeuge widerspricht McLaren

, 24.02.2015

Bislang sah es so aus, als hätte niemand den mysteriösen Testcrash von Fernando Alonso in Spanien gesehen, doch nun widerspricht ein Fotograf der McLaren-Version

Fernando Alonsos unkonventioneller Testunfall in Barcelona sorgt zwei Tage danach weiter für Verwirrung. Und das, obwohl McLaren am Montag endlich zum Unfallhergang Stellung genommen hat. Das Problem: Die Ausführungen von Augenzeugen widersprechen teilweise der offiziellen Version von McLaren, was Verschwörungstheorien, ein Problem mit dem Energierückgewinnungssystem könnte Auslöser des Crashs gewesen sein, weiter befeuert.

Seit dem Unfall halten sich Gerüchte, Alonso könnte Opfer eines Stromschlages oder giftiger Batteriedämpfe geworden sein, habe dadurch das Bewusstsein verloren und sei deshalb gerasht. Interessant ist, dass McLaren laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' in Jerez ausschließlich mit dem Verbrennungsmotor getestet hat, zudem wurden in der Nacht auf Sonntag in Barcelona neue Komponenten für den Hybridantrieb MGU-K eingebaut, mit dem es an den Tagen davor stets Probleme gab.

Würde sich herausstellen, dass Alonso wirklich Opfer eines Stromschlages geworden sei, so wäre dies ein PR-Desaster für Honda: Die Japaner zeigen Anfang März auf dem prestigeträchtigen Genfer Automobilsalon die Serienversion des Hybridsportlers NSX.

Erste Zweifel durch Vettels Aussagen

Aber zunächst zu den Fakten: Am Sonntag um 12:34 Uhr verunfallte der Spanier in Kurve drei. Als die Rettungskräfte eintrafen, stand sein McLaren-Bolide nach der schnellen Rechtskurve auf der Innenseite der Strecke. Das Auto war dabei auf den ersten Blick kaum beschädigt, doch der Spanier wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus in Barcelona geflogen. Das hat er seitdem nicht verlassen, obwohl McLaren noch am Tag des Unfalls meinte, der zweifache Weltmeister sei "unverletzt".

Abgesehen davon hüllte sich McLaren in Schweigen, wodurch man die Kontrolle über die Debatte verlor, dabei wird in jedem Anfängerkurs für Krisenmanagement sofort gepredigt, dass dies der größtmögliche Fehler in derartigen Situationen sei. Den Diskurs bestimmten nun andere, zum Beispiel Ferrari-Pilot Sebastian Vettel, der Alonso beim Crash unmittelbar folgte, wie auch ein auf YouTube kursierendes Video bestätigt.

"Er war relativ langsam - ich schätze so 150 km/h. Er ist dann einfach rechts rübergezogen - es sah gar nicht wie ein Unfall aus. Er ist dann ein paar Mal an der Mauer angeschlagen. Dann habe ich ihn aus den Augen verloren", sagte der Deutsche noch am Unfalltag. McLaren schwieg weiter, dabei sind moderne Formel-1-Boliden überall mit Sensoren versehen, über die der Kommandostand selbst während des Rennens rasch über eventuelle Probleme informiert ist.

Die offizielle McLaren-Version

Als man über 24 Stunden nach dem Crash endlich unter großem medialen Druck via Pressemitteilung zum Unfall Stellung nahm, schloss man einen technischen Defekt aus und nannte einen Fahrfehler Alonsos sowie den böigen Wind als Unfallursache. Der McLaren-Rückkehrer sei auf der Außenbahn von Kurve drei auf den Kunstrasen gekommen, habe die Kontrolle über den Boliden verloren, gegengelenkt, das Auto habe plötzlich wieder Grip erlangt, sei rechts in die Mauer gekracht und rund 15 Sekunden danach zum Stillstand gekommen.

Wenn man bedenkt, dass Vettel von einem für Formel-1-Boliden an dieser Stelle (normal 200 km/h) langsamen Tempo von rund 150 km/h sprach, klingt ein derart heftiger Unfall wegen einer Windböe unüblich. Dennoch war es möglicherweise aus dem Cockpit aus Vettels Blickwinkel schwer einzuschätzen, wie schnell Alonso wirklich war. Interessant ist aber, dass die Aussage des Deutschen nun von dem Fotografen gestützt wird, der die einzigen Unfallbilder geschossen hat: Jordi Vidal.

Augenzeuge widerspricht McLaren

Er meldete sich einen Tag nach dem Crash zu Wort, als Verschwörungstheorien bereits im Internet kursierten, und wollte "seine Sicht der Dinge schildern", ohne aber "für Kontroversen" sorgen zu wollen. Er meinte via 'Twitter', dass es in den ersten zwei Kurven windig war, allerdings nicht in Kurve 3, zu dem Zeitpunkt, als der Unfall passierte. Er sei dort eine Zeitlang geblieben.

Er widerspricht auch dem McLaren-Statement, Alonso sei mit den äußeren Rädern auf den Kunstrasen gekommen, und liefert ein Foto, das dies beweisen soll: "Er berührte den Kunstrasen überhaupt nicht, das Auto sah auch nicht beschädigt aus. Alles, was man sehen konnte, ist, dass es langsam fuhr. Auf einem meiner Fotos liegt Alonso direkt vor Vettel und berührt bereits die Mauer, aber Vettel war viel schneller." Der Anprall sei aus seiner Sicht "nicht heftig" gewesen. Bei der Analyse seiner Fotos erkannte der Fotograf, dass "weder die erste noch die zweite Verzögerung von Alonso ausgelöst wurde".

Später sei er von McLaren in die Box gerufen worden und habe die Bilder dem Chefingenieur gezeigt. Als der Spanier vom lokalen Radiosender 'Cadena Ser' nachträglich zu seinen Beobachtungen befragt wurde, meinte er: "Der Arzt hat Fernando mehrmals auf den Helm geklopft, aber er rührte sich nicht. Er saß zehn Minuten lang im Auto, ohne sich zu bewegen."

Überwachungsvideo würde Wahrheit zeigen

Doch der Fotograf ist nicht der einzige, dessen Aussagen für Zweifel an der offiziellen Variante sorgen. Ex-Formel-1-Pilot Martin Brundle zeigte sich - ebenfalls via 'Twitter' - über das McLaren-Statement, Alonso habe "während seiner Vollbremsung heruntergeschalten", verwundert: "Es ist unüblich herunterzuschalten, wenn man die Kontrolle über ein Rennauto verloren hat."

Sein ehemaliger Rennfahrerkollege, der Österreicher Gerhard Berger, fordert gegenüber ''f1-insider.com', dass McLaren endlich handfeste Beweise liefert: "Um alle noch bestehenden Zweifel zu beseitigen, sollte McLaren die Telemetriedaten offen legen!"

Die müsste es eigentlich geben, denn die Überwachungskameras zeichnen die Ereignisse bei jedem Test auf. Und das auch in Kurve 3, wie ein Foto aus dem Büro der Rennleitung beweist. Dennoch ist das Video derzeit unter Verschluss.

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