Formel 1 überreguliert: Regeln vereinfachen, aber wie?

, 16.11.2016

Die Regelbücher der Formel 1 quellen über: Fragwürdige Strafen, überregulierte Autos - Beteiligte fordern eine Vereinfachung, doch wie soll das gehen?

Am heutigen Mittwoch trifft sich wieder einmal die Strategiegruppe der Formel 1 zu einer Sitzung. Diesmal geht es nicht um technische Regularien für die Zukunft, sondern um eine Vereinfachung des sportlichen Reglements. Die Formel 1 hat sich im Zuge von asphaltierten Auslaufzonen, fragwürdigen Strafen und immer strikterer Regulierung des Zweikampfverhaltens in eine Situation manövriert, in der die Glaubwürdigkeit des Sports auf dem Spiel steht. Kaum mehr ein Rennen, in dem nicht mehr bestraft wird.

Die inflationäre Verwendung von Strafen in den vergangenen Jahren bringt immer mehr Kritiker auf den Plan. In Mexiko dauerte es drei Stunden, bis der Zuschauer wusste, wie eigentlich das Podium aussieht. Bernie Ecclestone tobte. Sebastian Vettel wurde für einen Vorfall bestraft, der bis vor kurzer Zeit noch völlig straffrei ausgegangen wäre - wegen einer neuen Regel für die Fahrweise Max Verstappens. Niki Lauda poltert: "Was soll eine Überholregel? Das müssen die Fahrer unter sich ausmachen." Deshalb wollen Mercedes und Red Bull sämtliche Regeln zu Überholmanövern wieder streichen und den Fahrern freie Fahrt geben.

Lauda bekommt viel Zuspruch. Nahezu alle Beteiligten im Formel-1-Fahrerlager sind sich einig, dass eine Vereinfachung des sportlichen Reglements her muss. "Wir können es nicht ignorieren, dass manche Fans sagen, dass die Regeln in vielerlei Hinsicht zu kompliziert sind", sagt Toto Wolff. "Die Rennkommissare haben einen immer schwierigeren Job, weil die Regeln immer umfangreicher werden. Wir müssen die Dinge bei Themen wie Auslaufzonen vereinfachen."

Selbst Daniel Ricciardo, der in Mexiko-Stadt von der Vettel-Strafe profitiert hat, spricht von einer Überregulierung der Formel 1: "Ich hätte es gern, wenn wir noch immer alles riskieren dürfen. Das macht die Spannung dieses Sports aus, es sorgt für Emotionen und lässt uns unsere Persönlichkeit entwickeln. Wir dürfen definitiv nicht dahin kommen, dass wir die Regeln so eng ziehen, dass wir Fahrer uns gar nichts mehr trauen." Die Strafe gegen Vettel beim Großen Preis von Mexiko hält er aber für gerechtfertigt.

Whiting hat wenig Hoffnung auf einfache Regeln

Rennleiter Charlie Whiting hat jedoch Zweifel, dass die alten Zeiten so einfach wieder auferstehen können: "Der gesamte Sport wird leider immer komplizierter. Wir sollen Dinge immer weiter klarstellen und je weiter wir das tun, umso detaillierter werden die Regeln. Natürlich könnten wir das Überholproblem mit einer einzigen Regel abdecken. Etwa: Die Fahrer müssen sicher fahren oder so ähnlich. Aber bei einer solch simplen Regel bekommt man ständig Anfragen: 'Können wir dies tun? Oder das?' Und dann wird die Regel immer länger."

Er sieht daher keine Möglichkeit, die Regeln wieder zu vereinfachen: "Wir reden über einen komplexen Sport. So hat er sich nun einmal über die vergangenen 20 Jahre entwickelt." Und Manor-Rennleiter Dave Ryan, der seit den 70er-Jahren in der Formel 1 beschäftigt ist, gibt zu bedenken: Es hat Zeiten in der Vergangenheit gegeben, in denen Fahrer zur Selbstjustiz gegriffen haben. Das war schon ziemlich gefährlich. Das will man sicherlich nicht." Ein prominentes Beispiel ist etwa Keke Rosberg beim Großen Preis von Europa 1985 in Brands Hatch, als er rundenlang Ayrton Senna blockierte, nachdem dieser ihn in einen Dreher gezwungen hatte.

Nicht nur das sportliche Reglement hat anno 2016 eine enorme Komplexität erreicht. Auch beim technischen Regelwerk stoßen die Ingenieure mittlerweile an ihre Grenzen. "Artikel 3 ging 1983 über eineinhalb Seiten. Heute sind es 20 oder 30", stöhnt Williams-Technikchef Pat Symonds. "In den heutigen Regelbüchern hat man Seiten über Seiten technischer Richtlinien. Man muss sie immer im Hinterkopf haben. Denn sie liegen nicht direkt vor einem aus, wenn man über ein Fahrzeug nachdenkt. Man muss sich immer wieder dran erinnern."

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