"Nocken-Paule" ist tot: Wie Paul Rosche die Formel 1 prägte

, 16.11.2016

Der legendäre BMW-Motorenpapst Paul Rosche ist im Alter von 82 Jahren verstorben: Wie er den leistungsstärksten Formel-1-Motor aller Zeiten baute

"Nocken-Paule" ist tot. Der legendäre BMW-Ingenieur Paul Rosche, der den mit 1.400 PS stärksten Formel-1-Motor aller Zeit gebaut hat, ist am 15. November im Alter von 82 Jahren in seiner Heimat München verstorben. Rosche war mit seiner unglaublichen Konsequenz und Improvisationsgabe eines der absoluten Genies im Motorenbau, der Weißbier-Liebhaber war aber auch für seinen bayrischen Humor und seine Späße bekannt.

"Einstein war für mich ein Genie", sagt er einmal. "Ich kann kein Genie sein, weil es von mir kein Foto gibt, auf dem ich die Zunge rausstrecke." Woher er seinen Spitznamen hat? Rosche war bei BMW zunächst die Berechnung von Nockenprofilen für Rennmotoren übertragen worden und so entwickelte er die erste Nockenwelle. Weil er das so ernst nahm, nannte man ihn bald "Nocken-Paule". "Dabei hatte ich keinen blassen Dunst von der geometrischen Form eines funktionierenden Nockens", gab er später zu.

Legendär ist auch sein Dialog mit dem ehemaligen Brabham-Formel-1-Piloten Marc Surer. "Ich hatte im vierten Gang durchdrehende Hinterräder", zeigte sich der Schweizer ob der Power des Triebwerks völlig verblüfft. Und wollte wissen: "Wie viel Leistung hat denn der Motor?"

Rosches Antwort: "Zumindest 1.300 PS." Surer gab sich damit nicht zufrieden und fragte noch einmal nach. "Wahrscheinlich sind es mehr, aber ich kann es nicht genau sagen, denn das ist das Limit unseres Prüfstandes", meinte Rosche. Später reichte er nach: "Es müssen um die 1400 PS gewesen sein." Diese Leistung konnte aber nur im Qualifying abgerufen werden.

Rosches Motor führt zu erstem Turbo-Titel in der Formel 1

Rosche, der 1957 im Alter von 23 Jahren auf Wunsch seiner Mutter bei BMW in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung anfing, war der "Vater" jenes M12/M13-Turbomotors, der den Brasilianer Nelson Piquet 1983 im Brabham-BMW zum Weltmeistertitel in der Formel 1 führte. Das war mit Sicherheit das Highlight in Rosches Karriere, aber bei weitem nicht der einzige Erfolg, der auf den Einfällen des Vollblut-Technikers beruhte.

Unter Rosches Federführung entstanden auch der 2,0 Liter große Vierzylinder-Vierventil-Motor, mit dem in der Formel-2-Europameisterschaft mehr als 150 Rennsiege und sechs Titel eingefahren wurden, sowie das 6,0 Liter-V12-Triebwerk der Le-Mans-Sieger von 1995 und 1999. Nach der Entwicklung des BMW-Motors für das Formel-1-Comeback mit Williams im Jahr 2000 trat er in den Ruhestand. Erneut war es unter seiner Führung gelungen, auf Anhieb einen der Top-Motoren zu bauen.

Ecclestone wollte BMW schon wieder loswerden

Der Formel-1-Einstieg im Jahr 1982 war höchsterfolgreich, aber auch eine absolute Gratwanderung. Rosche und der BMW-Vorsitzende Jochen Neerpasch hatten sich schon Jahre davor für ein Engagement in der Königsklasse des Motorsports ausgesprochen, doch der BMW-Vorstand blockierte dies. Erst Neerpaschs Nachfolger, Rennleiter Dieter Stappert, ein ehemaliger Journalist, hatte mehr Erfolg.

Rosche hatte mit seiner Mannschaft längst im Hintergrund am Formel-1-Turbotriebwerk gearbeitet. Diese Art der "Untergrundarbeit", die eigentlich eine Befehlsverweigerung war, hatte bei BMW Tradition. Schon nach dem Formel-2-Ausstieg Anfang der 1970er-Jahre hatte man eine dunkle Garage gemietet und außerhalb der Dienstzeit entwickelt.

Zunächst zeigte sich der damalige Brabham-Teamchef Ecclestone von der Idee begeistert, dass BMW mit einem Turbomotor die Formel 1 unsicher machen wolle. Doch als Brabham 1983 als amtierender Weltmeister unter den Kinderkrankheiten des Motors litt, kippte die Stimmung beim späteren Zampano.

In Detroit konnte sich Piquet wegen eines Motorschadens im ersten Qualifying und Regens in der zweiten Session nicht einmal qualifizieren. Daher verhöhnte der Brite Rosche: "Wir sind mächtig wettbewerbsfähig, nicht wahr?" Doch innerhalb von wenigen Monaten gelang dem Bayer das Kunststück, das neue Triebwerk zu einem Weltmeistermotor zu machen.

"Gut abgehangen": Warum Rosches Motoren so zuverlässig waren

Nur 630 Tage nach der Premiere errang Piquet 1983 den Titel und krönte BMW zum ersten Turbo-Weltmeister der Formel 1. Rosche nannte die gebrauchten Motorblöcke "gut abgehangen". Um die Gefahr von Rissen zu reduzieren, nutzte er ausschließlich Motorblöcke, die bereits mehr als 100.000 Kilometer auf dem Prüfstand zurückgelegt hatten - ein Geheimnis für die hervorragende Zuverlässigkeit.

Bis 1987 holte man neun Grand-Prix-Siege. Der letzte dieser Ära war Gerhard Bergers Benetton-Triumph 1986 in Mexiko-Stadt - der Österreicher feierte später mit Rosche als Motorsportdirektor auch den Le-Mans-Sieg 1999 und das Formel-1-Comeback im Jahr 2000.

Eine Legende war er damals schon längst. "Wir sind auf Knien hinter ihm her, um einen Motor von ihm fahren zu dürfen", erinnert sich Keke Rosberg an die 1980er-Jahre. Und Niki Lauda zeigte sich nicht nur von dessen technischen Fähigkeiten begeistert: "Er hatte nicht nur geniale Ideen, sondern man konnte mit ihm auch ein Bier trinken."

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