Rennvorschau Silverstone: Wird Rosberg zum Party-Crasher?

, 01.07.2015

Warum sich Lewis Hamilton beim Heimrennen in Silverstone vor Nico Rosberg in Acht nehmen sollte und der Klassiker für Nico Hülkenberg ein Schlüsselrennen ist

Eigentlich hatte es ihm nach dem Saisonstart kaum noch jemand zugetraut, doch nach dem Grand Prix von Österreich ist Nico Rosberg wieder zurück im Titelrennen. Und das ausgerechnet vor Lewis Hamiltons Heimrennen in Silverstone. Nur noch zehn WM-Punkte fehlen dem Wiesbadener, der eben erst seinen 30. Geburtstag gefeiert hat, auf den Briten. Feiert er in Großbritannien auch seinen vierten Saisonsieg und wird Hamilton nicht besser als Vierter, dann hat Rosberg plötzlich sogar die WM-Führung inne.

Der Sieg in Österreich war für Rosberg besonders wichtig: Nach dem Deutschland-Aus gilt das Rennen in Spielberg für ihn als halber Heim-Grand-Prix. Und nachdem der Triumph in Spanien noch als Eintagsfliege abgetan wurde und er in Monaco vom Pech seines Teamkollegen profitierte, gelang es ihm in Österreich erstmals in dieser Saison, Hamilton zu entnerven.

Momentum spricht für Rosberg

"Lewis ärgert sich grün und blau über seine Fehler", spielte Niki Lauda darauf an, dass Hamilton den Start verpatzte und dann bei der Boxenausfahrt über die weiße Linie fuhr. Und während Rosberg nach dem Rennen in Spielberg blieb, um sich bei den Tests auf Silverstone vorzubereiten, reiste Hamilton wider Erwarten ab und gab Testpilot Pascal Wehrlein den Vortritt.

Auch wenn Hamilton jetzt meint, dass er in Österreich keineswegs in Topform war und man in Silverstone einen anderen Lewis Hamilton zu Gesicht bekommen werde, befindet sich Rosberg ganz klar im Aufwind. "Ich freue mich, dass ich auch im Rennen schneller war. Daran habe ich seit letztem Jahr gearbeitet, und das scheint sich auszuzahlen", sieht er Spielberg durchaus als Durchbruch. Auch die Starts gelingen ihm seit einigen Rennen besser als dem amtierenden Weltmeister.

Wahrscheinlich werden sich die beiden Mercedes-Teamkollegen auch in Silverstone den Sprint zur ersten Kurve untereinander ausmachen, denn der britische Traditionskurs, der sich 2011 runderneuert präsentierte, gilt ganz klar als Silberpfeil-Terrain. "Die Strecke ist ein guter Prüfstand für die Aerodynamik, sie belohnt guten Abtrieb und belastet die Bremsen nicht besonders stark", erklärt der Technikverantwortliche Paddy Lowe. "Damit steht sie klar im Kontrast zu Kanada und Österreich. Theoretisch sollte dies den Stärken des F1 W06 entgegenkommen." Zudem ist der Faktor Motorleistung nicht zu unterschätzen, was ebenfalls Mercedes entgegenkommt.

Hamilton und Rosberg siegten bereits in Silverstone

Welcher der beiden Silberpfeil-Piloten im "Home of British Motor Racing" im Vorteil sein wird, ist schwer zu sagen: Hamilton siegte im Vorjahr, nachdem der Führende Rosberg mit Defekt ausgerollt war. Davor hatte ihn der Lokalmatador, der sich im Qualifying verpokerte, unter Druck gesetzt.

Der Mann aus Stevenage siegte bei seinem Heimrennen erstmals im Jahr 2008 und könnte damit dieses Jahr seinen dritten Großbritannien-Triumph einfahren. Aber auch Rosberg hat trotz seines Vorjahrespechs in Silverstone bereits gewonnen - und zwar 2013, als er nach Hamiltons Reifenschaden von einem Defekt bei Sebastian Vettels Red Bull profitierte. 2010 wurde Rosberg Dritter. Lowe bestätigt, dass man den Mercedes-Piloten nicht unterschätzen sollte: "Silverstone ist eine Strecke, auf der Nico in der Vergangenheit sehr stark gewesen ist."

Ferrari: Nur kein britisches Wetter...

Die größte Konkurrenz für Mercedes dürfte wieder von Ferrari drohen. In Österreich verlor die Scuderia vor allem beim Beschleunigen aus langsam Kurven Zeit auf Mercedes. "Es liegt am Abtrieb und der Traktion, daran arbeiten wir", bestätigte Teamchef Maurizio Arrivabene. Während Abtrieb in Silverstone enorm wichtig ist, spielt zumindest die Traktion keine so große Rolle. Der Italiener traut dem Braten noch nicht: "Ich habe gelesen, dass Silverstone uns entgegenkommen soll, aber das muss nicht der Fall sein."

Bislang hat sich in dieser Saison gezeigt, dass die Roten aus Maranello vor allem dann schnell sind, wenn die Quecksilbersäule nach oben steigt. Obwohl in Silverstone traditionell britisches Wetter nie auszuschließen ist, sieht es derzeit für Ferrari gut aus: Der Wetterbericht prognostiziert sommerliche Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad.

Wie oft wird in Silverstone gestoppt?

Pirelli hat sich wie im Vorjahr entschlossen, die härtesten Reifenmischungen nach Silverstone zu bringen. "In Silverstone erwarten die Reifen die stärksten seitlichen Fliehkräfte dieser Saison", argumentiert Motorsportchef Paul Hembery. Ein Beweis dafür waren die Reifenexplosionen im Jahr 2013. "Für das Rennen gehen wir von einem bis zwei Stopps aus, insbesondere dann, wenn es - wie prognostiziert - warm werden sollte", prophezeit der Brite.

"Allerdings wurden hier in den vergangenen Jahren mehrmals hohe Temperaturen angekündigt, und am Ende setzt sich dann stets das traditionelle britische Wetter durch." Genau das wäre nicht nach dem Geschmack Ferraris, denn der SF15-T benötigt länger als der Mercedes, um die Pneus auf Temperatur zu bringen.

Williams nach Spielberg voller Zuversicht

Genau das war bislang auch nicht gerade die Stärke von Williams - wo am Freitag übrigens wieder Susie Wolff zum Einsatz kommen wird - , doch nach dem Grand Prix von Österreich herrscht in Grove Zuversicht: Schon in Spielberg raste Felipe Massa, der von Vettels verpatztem Boxenstopp profitierte, auf das Podest - Chefingenieur Rob Smedley fühlt sich in den neuen Teilen bestätigt: "Der Abtrieb, den wir erwartet hatten, hat sich auch auf der Strecke gezeigt. Das ist gut, denn Silverstone verlangt viel Abtrieb, und daher dürfen wir jetzt mehr erwarten."

Red Bull hofft nach der erwarteten Schlappe beim Heimrennen, es in Silverstone Williams nachmachen zu können und die Krise hinter sich zu lassen. Das einstige Weltmeisterteam hatte zuhause ganz bewusst die erste Motorenstrafe akzeptiert, um dies für Silverstone und Budapest, wo man sich mehr ausrechnet, ausschließen zu können.

"Silverstone müsste der Charakteristik unseres Autos entgegenkommen", glaubt Teamchef Christian Horner, obwohl ihm bewusst ist, dass auch das Chassis nicht mehr so viel Abtrieb erzeugt wie in alten Zeiten. Zumindest gelten die schnellen Kurven aber nicht als Schwäche des RB11.

Force India: Das Warten hat ein Ende

Hinter Red Bull tobt diese Saison der Zweikampf zwischen Lotus und Force India um Platz fünf in der Konstrukteurs-WM. Die indische Truppe mit Sitz in Silverstone hat in Spielberg das Ruder herumgerissen und die Mannschaft aus Enstone überholt - nun erwartet man weitere Fortschritte, da erstmals die B-Version des VJM08 im Rennen eingesetzt werden soll.

Das Auto, dessen Nase mit den zwei Löchern sofort ins Auge sticht, wurde bei den Spielberg-Tests erstmals eingesetzt und von Testfahrer Esteban Ocon als "brillant" bezeichnet. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen bei Nico Hülkenberg: "Ich freue mich darauf, in Silverstone erstmals den verbesserten VJM08 zu fahren. Das wird uns einen guten Eindruck davon geben, was wir in der zweiten Saisonhälfte erwarten können." Lotus wird nach eigenen Angaben nur "kleine Updates" nach Silverstone bringen.

Dahinter lauert die kleine Toro-Rosso-Truppe auf seine Chance. Die Ausgangssituation ist ähnlich wie beim großen Red-Bull-Team: Während die schnellen Kurven dem STR10 liegen sollten, wird man auf den Geraden unter dem schwachen Renault-Triebwerk leiden. Bei Sauber ist die Situation währenddessen genau umgekehrt: Der Bolide aus Hinwil verfügt über einen guten Ferrari-Motor, erzeugt aber zu wenig Abtrieb - keine günstige Ausgangslage.

Button glaubt an Fortschritt bei Heimrennen

Und bei McLaren übt man sich überhaupt in Durchhalteparolen. Beim Heimrennen kommt endlich auch Lokalmatador Jenson Button in den Genuss der neuen Nase, die den Boliden laut Fernando Alonso um eine halbe Sekunde pro Runde schneller machen soll. "Silverstone wird ein weiterer Fortschritt", meint Button. "Hoffentlich können wir einige Probleme beseitigen, damit ich für meine Fans ein besseres Rennen zeigen kann."

Bei Alonsos Kollision in Spielberg mit Kimi Räikkönen wurde der Motor beschädigt, weshalb dieser erneut gewechselt werden muss. McLaren-Honda kommt aber vermutlich mit einem blauen Auge davon, weil man einen älteren Motor einbaut möchte - so kann eine erneute Gridstrafe verhindert werden.

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