Rosberg in Ungarn: Wie ihn der "Default-Tyre" gekostet hat

, 29.07.2015

Sportchef Toto Wolff analysiert, warum Mercedes in Ungarn gescheitert ist, und klärt auf, wie es zur fragwürdigen Reifenwahl bei Nico Rosberg kam

Dass Nico Rosberg bei seinem letzten planmäßigen Boxenstopp während des Grand Prix von Ungarn in Budapest den härteren Medium- anstelle des weicheren Soft-Reifens verlangt hat, ist für viele fachkundige Beobachter immer noch ein Rätsel. Doch wie sich inzwischen herausgestellt hat, orientierte er sich in jener Phase vor allem an Teamkollege Lewis Hamilton, dem er so viele WM-Punkte wie möglich abnehmen wollte.

Das führte dazu, dass Rosberg am Funk explizit die harten Reifen verlangte. Dennoch war es zum Teil auch unglücklicher Zufall, dass er von seiner Boxencrew nicht mit den weichen Pirellis ausgestattet wurde, als er in der 42. Runde zum Reifenwechsel kam. Toto Wolff erklärt gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Wir haben einen sogenannten Default-Tyre, einen Reservereifen. Wenn er sich zum Beispiel einen Frontflügel abfährt und er zum Wechseln reinkommt, liegt ein Reifen in der Mitte der Box, um getauscht zu werden."

"Dieser Reifen war der harte Reifen, denn es waren noch 28 oder 29 Runden bis zum Ende. In der Runde, in der das virtuelle Safety-Car rausgekommen ist, hätten wir den Default-Tyre vom harten auf den weichen gewechselt", sagt der Mercedes-Sportchef. "Es waren dann 27 Runden bis zum Ende. Das war genau das Limit, das wir ausgerechnet haben, das der weiche Reifen hält. Das heißt: Wenn er noch eine Runde hinter dem virtuellen Safety-Car geblieben wäre, wäre der weiche Reifen draufgekommen."

Zu sehr nur auf Hamilton geachtet

Dass Rosberg selbst explizit nach dem härteren Reifen verlangt hat, erklärt Wolff mit der Orientierung an Hamilton: "Nico wollte seine Position verteidigen. Aber er hatte nicht den Überblick, alles zu verstehen, was im Rennen vor sich geht. Das war zu dem Zeitpunkt auch schwierig." Zumal der Fahrer im Cockpit nur seine subjektiven Eindrücke hat, aber nicht die gleiche Fülle an Informationen über den Rest des Rennens wie der Kommandostand oder auch TV-Zuschauer, die vielleicht auch noch das Live-Timing konsumieren.

Davon abgesehen hatte Rosberg das ganze Wochenende mit der Balance zu kämpfen. Mercedes an sich war voll konkurrenzfähig, wie man an Hamiltons Rundenzeiten sehen konnte: "Die Pace bei Nico war nicht gut. Lewis hatte die Pace - und das mit einem Auto, das ein Aero-Problem hatte, weil der Unterboden beschädigt war. Insofern müssen wir analysieren, warum das Nico-Auto nicht gegangen ist", sagt Wolff und ergänzt: "Ferrari hat das verdient gewonnen. So, wie die am Anfang weggefahren sind, haben sie den Sieg verdient."

Aber ohne den verpatzten Start hätte sich das Rennen aus Mercedes-Sicht wohl ganz anders entwickelt: "Gerade bei der Hitze und auf einer Rennstrecke wie in Ungarn, wo du kaum überholen kannst, ist deine Chance einfach weg. Die 'dirty air' spielt eine Rolle. Wenn du das Rennen vorne kontrollieren kannst, fährst du weg. Es ist leichter, das Rennen strategisch zu kontrollieren, wenn du vorne bist, und es ist vorne auch leichter, weil du keine Luftverwirbelungen hast. Da kannst du mehr Pace aus dem Auto holen."

Kupplung überhitzt, zu wenig Grip gehabt

Immerhin haben die Ingenieure inzwischen einen Verdacht, warum nach Silverstone schon der zweite Start hintereinander schiefgegangen ist: "Bei Lewis glauben wir, dass die Kupplung nach der zweiten Einführungsrunde überhitzt hat. Nico schien auf seiner Seite der Startaufstellung einfach sehr wenig Grip zu haben", vermutet Technikchef Paddy Lowe und ergänzt: "Wir entschuldigen uns bei beiden Fahrern dafür, dass wir ihnen nicht die Basis gegeben haben, um so zu starten, wie sie es hätten sollen."

"In Ungarn war es Ferrari", fügt Wolff an, "beim letzten Rennen war es Williams. Vielleicht hat Ferrari so gut ausgesehen, weil wir keinen großartigen Eindruck hinterlassen haben." Und er kann sich vorstellen, dass sich die Vorläufer des neuen Reglements ausgewirkt haben: "Wir haben am Freitag Spa-Starts trainiert. Vielleicht haben wir da Zukunft gegen Gegenwart eingetauscht. Du solltest immer in der Jetzt-Zeit leben." Niki Lauda sagt nur kurz und knapp: "Es kann nicht sein, dass wir zweimal hintereinander nicht so gut wegkommen. Das darf nicht passieren."

Was Hamiltons Kollision mit Daniel Ricciardo und die damit verbundene Durchfahrtsstrafe angeht, beschwert sich bei Mercedes übrigens niemand über die Härte der Rennkommissare: "Lewis nimmt es voll auf sich", stellt Wolff klar. "Als er nach dem Rennen zum Team gekommen ist, hat er sich entschuldigt. Er ist ein Sportsmann. Er war auf dem harten Reifen, Ricciardo dahinter auf dem weichen. Der hat sich dann rangebremst - und Lewis' Reifen waren nicht auf Temperatur. Da hat er einfach in ihn hinein untersteuert."

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