Ein Bugatti Veyron Grand Sport an sich stellt bereits ein automobiles Kunstwerk dar. Jetzt schuf der französische Künstler Bernar Venet allerdings eine künstlerische Interpretation des 1001 PS starken Supersportwagens, die mit den mathematischen Formeln bedeckt ist, welche die Ingenieure bei der Entwicklung des Geschosses heranzogen. Wenn das nicht der wahre „Formel“-Wagen ist?
© Foto: Bugatti
Venet brachte auf dem Bugatti technische Formeln zur Errechnung der Leistungskraft des mächtigen Sechszehnzylinder-Motors nicht nur auf der Karosserie des Autos an, sondern griff die Formeln ebenfalls bei der Gestaltung des Innenraums auf. Hierbei übertrug der Künstler seine Leidenschaft für mathematische Formeln und wissenschaftliche Thesen, die Venet auch in seiner Malerei verarbeitet, auf eine dreidimensionale Form.
Die künstlerischen Avantgardisten beschäftigen sich bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Automobil und stilisierten es zur Inspirationsquelle und Objekt der Begierde. In Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen projizierten Künstler die absolute Geschwindigkeit als Bezugspunkt. In den 1970er-Jahren dienten Autos zahlreichen Künstlern als unkonventionelle Leinwand. So begründeten Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Andy Warhol die Praxis der sogenannten „Art Cars“, die bis in die 1980er-Jahre fortgesetzt wurde. Insbesondere das BMW M1 Art Car von Andy Warhol, das beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans sogar den 6. Rang belegte, ist bis heute unvergessen.
Seit den 1990er Jahren setzen sich Künstler in aller Welt stärker mit dem kulturhistorischen Bedeutungswandel des Autos auseinander. So zeigen zum Beispiel die skulpturalen und konzeptuellen Arbeiten von Erwin Wurm, Gabriel Orozco, Christoph Keller, Olafur Eliasson und Damian Ortega das Auto als Paradigma für gravierende gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen in einer globalisierten Welt.
Bernar Venets künstlerischer Ansatz unterscheidet sich deutlich von den vorangegangenen künstlerischen Bewegungen und Arbeiten, die formal im Bereich der Figuration als auch in der Abstraktion eher konventionelle Lösungen verfolgten. Die Wiedergabe wissenschaftlicher Formeln zur Errechnung der einzigartigen Leistungskraft eines Bugatti-Motors auf dem Fahrzeug selbst, entspricht Venets künstlerischem Credo, auf jeglichen Bezug zur Außenwelt zu verzichten und eine unabhängige Sprache zu entwickeln.
Mehr noch: Der Künstler möchte seine Interpretation des Veyron Grand Sport als Hommage an die Genialität der Technologie und das Know-how der Ingenieurskunst verstanden wissen. Dabei entspringen die Formeln an der Front aus einer orangen Lackierung und ziehen sich bis in die Flanken hinein. Als Kontrastfarbe kommt ein dunkles Braun zum Einsatz. Die Felgen bezog der Künstler mit orangen Akzenten vorne und braunen Betonungen hinten ebenso in sein schnelles Kunstobjekt ein. Die Türeinsätze im Innenraum verzierte Venet ebenfalls mit den wissenschaftlichen Formeln, welche die Leistung des Bugattis für Wissenschaftler sichtbar machen.
© Foto: Bugatti
Das mächtige W16-Triebwerk mit 8,0 Litern Hubraum generiert 1001 PS und 1250 Nm Drehmoment von 2200 bis 5500 U/min. Geschlossen erreicht der Bugatti Veyron 16.4 Grand Sport eine Spitzengeschwindigkeit von 407 km/h, offen ebenso imposante 360 km/h. Für den Spurt von 0 auf Tempo 100 vergehen derweil nur 2,7 Sekunden. Neben dem Genuss des Offenfahrens beeindruckt das außergewöhnliche Klangspektrum. Der sonore Sound des Sechzehnzylinder-Mittelmotors und das typische Ansauggeräusch der Lufthutzen beim Zurücknehmen des Gases entfachen eine einzigartige Akustik im Innenraum.
Über Bernar Venet
Der französische Künstler Bernar Venet lebt und arbeitet in New York. Er zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Bildhauern. Im Sommer 2011 zeigte Venet seine monumentalen Skulpturen im Schloss Versailles im Rahmen einer Einzelausstellung und ist damit einer von weltweit nur fünf zeitgenössischen Künstlern, denen diese Ehre zuteil wurde.
Von 1961 bis 1963 schuf Venet monochrome Teerbilder und machte sich insbesondere durch die Installation einer Skulptur aus aufgeschütteter Kohle, deren Masse variabel war, einen Namen. Bekannt für seine Radikalität, zog Venet 1966 von Nizza nach New York, wo er sich im Laufe der folgenden vier Jahrzehnte der Malerei, Poesie, Film und Performance-Kunst widmete.
Venets abstrakte Arbeiten, die sich auf die Sprache mathematischer Konzepte und wissenschaftlicher Theorien beziehen, transformieren die reine Wissenschaft in ein Sujet der Kunst und gründen auf dem Konzept der Monosemie. Sein Abstraktionsvermögen, gepaart mit seiner Begeisterung für die reine Vernunft und seiner Experimentierfreude, führten ihn zur Konzeptkunst, zu deren wichtigsten Vertretern er zählt.
1974 vertrat Venet Frankreich auf der Biennale in São Paulo. 1977 nahm der Franzose an der Documenta VI in Kassel teil. Die Arbeit an der Holzreliefserie „Arcs, Angles, Diagonals“ (1979) sowie die erste seiner „Indeterminate Lines“ stellte einen Bruch in seinem künstlerischen Schaffen dar. Im gleichen Jahr erhielt er ein Stipendium der US-amerikanischen Stiftung National Endowment for the Arts.
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1994 wurde Venet von Jacques Chirac, damaliger Bürgermeister von Paris, eingeladen, 12 Skulpturen aus seiner Serie „Indeterminate Lines“ auf dem Champs de Mars zu zeigen. Daraus ergab sich eine anschließende Welttournee durch Asien, Europa, Süd- und Nordamerika. Zum zweihundertjährigen Jubiläum des französischen Rechnungshofes Cour des Comptes im Jahr 2007 beauftragte das französische Kultusministerium Venet mit einem Deckengemälde für seinen Sitz, dem Pariser Palais Cambon. Im Mai 2010 weihte Nicolas Sarkozy „9 Lignes Obliques“ ein, eine 30 Meter hohe Skulptur zur Feier des 150-jährigen Jubiläums der Angliederung Nizzas an Frankreich.
Die Arbeiten Venets sind in vielen wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten, darunter im Museum of Modern Art (New York), im Solomon R. Guggenheim Museum (New York), im Centre Pompidou (Paris) und im Museum of Contemporary Art (Los Angeles). In den vergangenen Jahren fanden große Retrospektiven seines Werkes in Deutschland, Ungarn, Frankreich, Spanien und Südkorea statt. Nachdem Venet 2009 auf der Biennale von Venedig mit seinen stählernen „Arcs“ auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern vertreten war, wird er 2013 dorthin zurückkehren, um seine Arbeiten auf Leinwand zu zeigen.
Venet erhielt viele Auszeichnungen, unter anderem wurde er als Commandeur dans l´Ordre des Arts et Lettres aufgenommen, als Chevalier de la Légion d´Honneur geehrt, und ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. 2013 wird Venet vom Institut Valenci?BAD d’Art Modern der renommierte spanische Julio-González-Preis verliehen werden.
Die automobile Skulptur in Form des Bugatti Veyron Grand Sport Venet lässt sich derzeit in der „Rubell Family Collection“ während der „Art Basel“ in Miami Beach bewundern (5. bis 9. Dezember 2012).