Er sieht schnell aus, fühlt sich schnell an und ist auch schnell, verdammt schnell: Der neue Jaguar F-Type V8 S ist ein echter Krawall-Bursche, eine reine Fahrmaschine mit 495 PS, die bereits beim Drücken des Startknopfes unmissverständlich verdeutlicht, dass mit dieser Raubkatze nicht zu spaßen ist. Unter Vollgas entwickelt sich der Sound zu einem blutrünstigen Schmettern, das vehement unter die Haut geht. Doch der neue Sportwagen kann noch viel mehr als nur große Töne spucken. Wir testeten den neuen Jaguar F-Type, der sich selbstbewusst mit dem ewigen Klassenbesten Porsche 911 anlegt, und deckten seine Stärken sowie Schwächen auf.
Einmal in dem zweisitzigen Roadster Platz genommen, ist das Cockpit mit den elektronischen und mechanischen Komponenten auf den Fahrer konzentriert. Der im Stil eines Joysticks geformte Wählhebel der Achtstufen-Automatik („SportShift“) weckt dabei Assoziationen an die Luftfahrt und wartet nur darauf, genutzt zu werden. Als versteckter Hinweis auf das schlummernde Leistungspotenzial gestalteten die Macher die Markierungen des Drehzahlmessers größer und auffälliger als jene auf der Tachometer-Skala.
Das Kribbeln steigt. Ich muss den F-Type jetzt sofort spüren und erleben. Das Gaspedal komplett durchgedrückt, leitet das per Kompressor aufgeladene 5.0-Liter-V8-Triebwerk seine Kraft von 495 PS und einem maximalen Drehmoment von 625 Nm, das zwischen 2.500 und 5.500 Touren anliegt, an die Hinterräder weiter, die geradezu um Traktion winseln. Dennoch spurtet der Jaguar F-Type V8 S in nur 4,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, zu dem auch eine „Launch Control“ beiträgt. Der mich in den Bann ziehende Vortrieb endet erst bei elektronisch begrenzten 300 km/h.
Der Vortrieb ist gewaltig. Wer einen Jaguar für die komfortable Fahrt zum Golfplatz sucht, sollte vom F-Type seine Finger lassen; denn schon lange zeigte eine Raubkatze ihre Krallen nicht mehr so kompromisslos. Geraden auf der Straße betteln geradezu danach, mit Spurts erobert zu werden.
Während der Jaguar wie verrückt nach vorne prescht - für den Zwischenspurt von 80 auf 120 km/h vergehen nur 2,5 Sekunden - , öffnet das System oberhalb von 3.000 U/min Ventile im Auspuffstrang, woraufhin der Sound zu einem prickelnden Crescendo anschwillt und mir große Brocken meines Bewusstseins herausreißt – vom diesem Sound bleiben selbst Passanten am Straßenrand in den Städten nicht verschont.
Herrlich, dass sich ein Autohersteller noch traut, solch eine soundstarke Auspuffanlage serienmäßig zu verbauen, die im Jaguar F-Type V6 S ebenfalls zur Grundausstattung gehört. Zweifellos: Passionierte Sportwagen-Fahrer werden es zu danken wissen und sich bereits auf Tunnel und Pässe in den Bergen freuen, die das audiophile Gesamterlebnis weiter steigern.
Auf der Autobahn flößt der Jaguar F-Type selbst sonst sturen Linksfahrern einen derart großen Respekt ein, dass diese schnell Platz machen, wenn sich die Raubkatze mit Speed nähert und im Rückspiegel des Vorausfahrenden immer größer wird und dabei mit ihrem angriffslustigen Look zeigt, wer hier das Sagen hat.
Bei der Kurvenhatz die Verwandlung von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde
Der Jaguar F-Type V8 S besitzt serienmäßig ein adaptives und stufenlos regelndes Dämpfersystem (Adaptive Dynamics) mit einer gelungenen Grundabstimmung. Das Cruisen in der City ist mit den Fingerspitzen möglich, während die Gänge der Achtgang-Quickshift-Automatik im normalen Modus bewusst langsam und sanft schalten. Auf der Mittelkonsole befindet sich jedoch ein Schalter mit einer schwarz-weiß karierten Motorsportflagge und einer Start-Ziel-Linie, nach dessen Betätigung sich der F-Type an den Hörnern packen lässt, um im „Dynamic“-Modus Höchstleistungen abzurufen.
Im „Dynamic“-Modus verwandelt sich der F-Type vom gutherzigen Dr. Jekyll in den aufbrausenden Mr. Hyde. Das schreit geradezu danach, mit Mr. Hyde die Kurvenreviere zu erleben. Die enge Abstufung der Gänge im „Dynamic“-Modus ermöglicht es, das Potenzial des Motors über den gesamten Drehzahlbereich voll auszunutzen, während das Triebwerk nach jedem Gangwechsel weiter im optimalen Leistungsspektrum bleibt und mit Biss den Fahrspaß steigert.
Die Automatik dreht die Gänge hoch aus und schaltet entsprechend spät in die nächste Stufe. Selbst im manuellen Modus über die Schaltpaddles am Lenkrad verhindert das „Dynamic“-Programm ein automatisches Hochschalten. Beim Herunterschalten führt das System automatisch ein kurzes, geradezu süchtig machendes Zwischengasmanöver aus, um die Drehzahl optimal anzugleichen. Diese Funktion gestattet das sehr schnelle und mehrfache Herunterschalten während starker Bremsmanöver, um dann im richtigen Gang die nächste Kurve zu nehmen. Der Jaguar F-Type will herangenommen werden, der bestens abgestimmte Automat weiß emotionale Speed-Orgien zu unterstützen und ich liebe es.
Zum reinen Fahrvergnügen gehört immer weniger das knackige Herumrühren in einer Schaltkulisse. Die Handschaltung verliert immer mehr ihre Vorteile gegenüber einer Automatik, da diese mit fortschreitender Entwicklung immer leistungsfähiger und schneller wird. So offeriert Jaguar für den F-Type noch nicht einmal alternativ eine Handschaltung.
Keine Chance für Weicheier
Der Jaguar F-Type ist ein Auto, das man allein um des Fahrens willen fahren möchte. Mit „Grand Tourer“-Weichheiten gibt sich der Jaguar F-Type erst gar nicht ab: Beim „Dynamic“-Modus werden die Gaspedalbewegungen noch unmittelbarer umgesetzt und die Servounterstützung der Lenkung leicht zurückgenommen. Die Lenkung ist derart präzise und vor allen Dingen schnell, dass ich mich erst einmal daran gewöhnen muss, diesen Charakterzug aber nicht mehr missen möchte; denn der F-Type sprintet sauber und agil durch Kurven, wozu ebenfalls der kurze Radstand und der tiefe Schwerpunkt beitragen.
Dies allerdings war noch immer nicht alles. Im „Dynamic“-Modus erfolgt eine noch straffere Abstimmung des Fahrwerkes, das allein 500 Mal pro Sekunde die Stellung des Lenkrades und 100 Mal in der Sekunde die straßenbedingten Karosseriebewegungen kontrolliert und die Dämpferraten zur Optimierung der Stabilität und Agilität blitzschnell neu anpasst. Souverän meistert der F-Type die Kurvenpassagen, während die aktive elektronische Differentialsteuerung ADC die Antriebskraft stets zu dem Rad mit der besseren Traktion leitet, um die Stabilität zu erhöhen. Erst bei sehr starkem Antreiben in Kurven beginnt der F-Type leicht zu untersteuern.
So schnell wie der F-Type in eine Kurve eintaucht, spurtet die Raubkatze auch schon wieder heraus. Dazu das Gefühl der Leichtigkeit, das schnelle Ansprechverhalten und die Fähigkeit zum flinken Richtungswechsel - es ist eine automobile Raubkatze wie aus dem Bilderbuch. Elektronische Regelsysteme wie ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm) befinden sich an Bord, greifen aber den Fahrspaß fördernd erst relativ spät ein. Doch eines sollte niemand vergessen: Der Jaguar F-Type V8 S stellt ein echtes Biest dar, so dass die Deaktivierung von ESP bei diesem Sportwagen mit Bedacht erfolgen sollte.
Mittlerweile machen sich bei mir Schmerzen bemerkbar; denn der Jaguar F-Type malträtiert mich gleichzeitig bei aller Begeisterung: Aus meinem Gesicht weicht das stetige und weiter wachsende Grinsen keinen Millimeter und ich spüre einen Muskelkater. Wie schön ist es da, dass der F-Type überraschenderweise dank der adaptiven Dämpfer auf schlechter Wegstrecke eine richtig gute Figur macht und fast geschmeidig dahingleitet, während sich das Fahrwerk bei der Kurvenhatz mit Mr. Hyde idealerweise sehr straff zeigt. Stets in den Ohren liegt dabei dieser emotionale Sound, von dem ich einfach nicht genug bekommen kann.
Als Neuheit in einem Jaguar besitzen Kunden sogar die Option eines frei konfigurierbaren Dynamik-Programms: Hierbei kann der Fahrer auswählen, welche Parameter er verändern möchte. So ist es zum Beispiel möglich, die Lenkung und das Gaspedal in Richtung „sportlich“ zu verstellen, zugleich aber die Dämpfer im Normalprogramm zu belassen. Als weiteres Bonbon eröffnet das konfigurierbare Programm die Einblendung spezieller Informationen auf dem zentralen Touchscreen-Display, wie zum Beispiel eine Stoppuhr, die Zwischenzeiten misst, sowie Angaben zu den Verzögerungskräften oder den in Kurven aufgebauten G-Kräften.
Packend: Die größten Bremsen in einem Serien-Jaguar
Um den Jaguar F-Type zu zügeln, ist eine standfeste Hochleistungsbremsanlage unverzichtbar. Bei seiner Power und der Gier nach Vortrieb wartet der Jaguar F-Type V8 S mit den größten aktuell in einem Serien-Jaguar verbauten Scheibenbremsen auf. Die vorderen Einheiten besitzen einen Durchmesser von 380 Millimetern, die hinteren erweisen sich mit 376 Millimetern als fast identisch groß - die packen entschlossen zu und lassen sich außerdem bestens dosieren. Das Antiblockiersystem ABS, eine elektronische Bremskraftverteilung und ein Notfallbremsassistent sind serienmäßig vorhanden.
Designer-Anzug mit cleveren Features
Es ist die Zukunft von Jaguar, die der neue F-Type darstellt - und die fällt auch optisch so emotional wie schon lange nicht mehr aus. Der F-Type stellt sogar teilweise tradierte Vorstellungen der Briten in Frage - wie den breiten, leicht nach vorn geneigten Kühlergrill oder die neu geformten Heckleuchten von der Konzeptstudie Jaguar C-X 16 aus dem Jahr 2011. Wie einst beim E-Type öffnet die Motorhaube mit Powerdome und zwei Lufteinlässen nach vorn und greift seitlich bis in die Kotflügel über.
Kräftige Hüften symbolisieren die große Power auf der Hinterachse. Damit nichts die ästhetische Form stört, brachte Jaguar den Heckspoiler im Ruhestand unsichtbar unter. Erst ab einer Geschwindigkeit von knapp 100 km/h fährt der Heckspoiler automatisch aus und zeigt dem Fahrer dabei stolz die auf dem Spoiler abgebildete Raubkatze im Rückspiegel. Unterhalb von 65 km/h verschwindet der Heckspoiler wieder in der Versenkung.