Härter, schärfer und noch schneller: Das Kürzel „LT“ ist bei McLaren für die extremsten Hardcore-Modelle reserviert und wird daher nur selten vergeben. Jetzt ist es wieder soweit: Mit dem McLaren 600LT gibt es einen neuen „Longtail“ - allerdings verbunden mit einem Aufpreis von satten 41.000 Euro gegenüber dem Basismodell McLaren 570S. Was dahinter steckt, wo die Faszination des neuen Sportwagens liegt und ob sich der Mehrpreis lohnt, zeigt der McLaren 600LT Test. Damit nicht genug: Von Pirelli stammt eine ganz besondere Zutat.
Absoluten Kultstatus besitzt der erste „Longtail“: 1997 wurde der McLaren F1 GTR Longtail präsentiert - kreiert, um die Aerodynamik zu optimieren, einen höheren Abtrieb zu erzielen und das Gewicht signifikant zu reduzieren. Es folgten bedeutende Siege auf der Rennstrecke. 2015 kam die legendäre Bezeichnung mit dem McLaren 675LT in einem Supersportwagen für die Straße eindrucksvoll zurück, der all die Merkmale besaß, die einen „Longtail“ auszeichnen. Jetzt liegt es an dem McLaren 600LT, das große Erbe konsequent fortzuführen.
© Foto: Malcolm Griffith, McLaren
Weiter in die Extreme: Die Unterschiede des McLaren 600LT zum McLaren 570S
Tiefer, länger und noch leichter: Der McLaren 600LT ist ein echter „Longtail“, bestens verkörpert durch die um 7,4 Zentimeter verlängerte Silhouette zur Optimierung der Aerodynamik. Doch es sind mehrere auffälligere, aber auch eher unscheinbare Modifikationen, die den 600LT im Vergleich zum 570S weiter an das Limit des Machbaren bringen.
Sofort fallen beim McLaren 600LT der feste Heckflügel zur deutlichen Steigerung des Anpressdrucks und die extreme Auspuffanlage mit zwei nach oben mündenden Doppelendrohren auf. Buchstäblich über der Schulter des Fahrers positioniert, bringt die Abgasanlage den unglaublichen Sound des Motors direkt ins Cockpit. Nicht ohne Grund: Die neue Auspuffanlage des McLaren 600LT ist noch kürzer als die des McLaren Senna und besitzt einen weiter reduzierten Gegendruck, damit der Motor zusammen mit den vergrößerten seitlichen Lufteinlässe verzögerungsfrei auf jeden Befehl reagiert.
Fast unscheinbar wirken weitere, aber ebenso wichtige Modifikationen: Im Vergleich zum 570S legte McLaren die Karosserie des 600LT nochmals 8 Millimeter tiefer, um die Agilität bei niedrigen und die Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten weiter zu optimieren. Eine um 10 Millimeter verbreiterte Spur und damit weiter außen liegende Vorderräder sorgen für ein noch präziseres Fahrerlebnis. Dazu kommen unter anderem ein verlängerter Frontsplitter und ein größerer, leistungsstärkerer Heckdiffusor. Sogar die unscheinbaren Aero-Winglets direkt hinter den Vorderrädern verbessern mit den Seitenschwellern aus Carbon die aerodynamische Effizienz. Selbstredend, dass McLaren die adaptiven Dämpfer steifer ausführte.
Innenraum McLaren 600LT: Radikale Gewichtsreduzierung - was alles fehlt
Ein Blick in den Innenraum des McLaren 600LT: Auch dort setzten die Macher auf eine radikale Gewichtsreduzierung. Die tiefen, 21 Kilogramm einsparenden Carbon-Rennsitze gibt es serienmäßig und wurden einst für den McLaren P1 entwickelt und ebenfalls im McLaren 675LT verbaut. Für eine angenehme Haptik, aber auch eine weitere Gewichtseinsparung sorgt der umfangreiche Einsatz von Alcantara im Interieur. Auf Bodenteppiche verzichteten die Macher und entfernten ferner das Handschuhfach, während leichte Netze die Türtaschen ersetzen. Klimaanlage sowie Audio- und Navigationssystem fehlen ebenfalls - sind allerdings als kostenlose Option erhältlich.
© Foto: Malcolm Griffith, McLaren
96 Kilogramm weniger sind vorteilhafter als 60 PS mehr Leistung
Bei einem Sportwagen wie dem McLaren 600LT ist eine Gewichtsreduzierung von 96 Kilogramm gegenüber dem 570S deutlich vorteilhafter für die Performance, als weitere 60 PS hinzuzufügen. Andere Hersteller verpassen ihren Supersportwagen für noch extremere Derivate ein derart fettes Plus an Leistung, als ob es kein Ende gäbe. Doch das braucht es nicht, wie McLaren eindrucksvoll zeigt: Der 600LT besitzt nur 30 PS mehr Leistung als der 570S. Dieses kleine Plus an Power haut auf dem Blatt Papier erst einmal niemanden vom Hocker. Doch was viel wichtiger ist: Der 600LT wiegt nur 1.356 Kilogramm und ist damit erheblich leichter als der 570S - was daraus folgt, ist wirklich imposant.
Motor McLaren 600LT: Mitreißende Performance - so schnell ist der Longtail
Den Startknopf des McLaren 600LT gedrückt, erwachen die 600 PS des 3,8 Liter großen V8-Biturbo-Triebwerkes zum Leben. Dazu kommt ein Maximaldrehmoment von mächtigen 620 Nm, das zwischen 5.500 und 6.500 Touren zur Verfügung steht. Das Gaspedal richtig durchgedrückt, schreit der McLaren seine Kraft mit einem puren Rennwagen-Sound heraus, der süchtig macht und dabei den Sportwagen bissig aus dem Drehzahlkeller herauskatapultiert. Von 0 auf 100 km/h vergehen nur 2,9 Sekunden - das ist genauso schnell wie ein Traumwagen schlechthin: der McLaren 675LT Super Series.
Nach nur 8,2 Sekunden: Die 200-km/h-Marke ist gebrochen. 24,9 Sekunden: Der 600LT ist 300 km/h schnell. Erst bei einer Höchstgeschwindigkeit von 328 km/h endet der gewaltige Vortrieb. Mehr noch: Je höher die Drehzahlen, desto besser spricht der Motor an.
Die Zwischenspurts reißen einen regelrecht mit: Während auf der Straße viele bei Schleichern fluchen und sich aufgrund mangelnder Beschleunigung keine Möglichkeit zum Überholen ergibt, reicht beim McLaren 600LT ein kurzer Druck auf das Gaspedal - und das Hindernis verschwindet schnell im Rückspiegel. Insbesondere im Track-Modus geht der 600LT richtig aggressiv zur Sache. Die schnellen Gangwechsel des 7-Gang-Doppelkupplungsgtriebes münden in einem fetten Schub - dazu gibt es diesen wunderbaren, deutlich spürbaren Ruck, der das Gefühl von hemmungsloser Speed weiter steigert.
© Foto: Malcolm Griffith, McLaren
Handling McLaren 600LT: Die Kurven-Speed und Präzision sind unglaublich
So gewaltig das Spurtvermögen des McLaren 600LT ist, die am meisten beeindruckenden Eigenschaften sind die unglaublich hohe Kurven-Speed und die Präzision. Es wäre langweilig, geradezu ein Frevel, einen Hardcore-Sportwagen wie den 600LT nur schnell auf Geraden und der Autobahn zu bewegen. Was am meisten Spaß bereitet, sind die Asphaltbänder, die sich mit vielen Kurven und Kehren durch die Landschaft ziehen.
Die Unterschiede des McLaren 600LT zum kurz vorher gefahrenen 570S sind gewaltig. Kurven lassen sich beim 600LT wie bei reinrassigen Rennwagen dank der nochmals höheren Brems-Performance deutlich später anbremsen. Und dann kommt dieser Moment, in dem der Richtungswechsel ansteht: Die präzise, direkte Lenkung ist großartig und es ist unglaublich, wie kontrolliert, flüssig und zugleich dynamisch der 600LT durch die Kurve zieht. Es gibt so viel Rückmeldung von dem Fahrzeug - das fasziniert richtig.
Kann das bereits das Ende der Emotionen sein? Nein! Der Zeitpunkt ist gekommen, in dem der McLaren 600LT mit seiner immensen Beschleunigung aus der Kurve herausprescht und erneut mit seinem Sound mitreißt. Das sind die Zutaten, aus denen Träume gemacht sind - doch hier handelt es sich bereits um die Realität, eine süchtig machende Realität nach immer mehr Kurven.
Wunderwaffe Pirelli: Abartig viel Grip mit einer Änderung
Besonders beeindruckend ist der abartig hohe Grip des McLaren 600LT - im Vergleich zum 570S ein riesiger Unterschied. Die Wunderwaffe heißt Pirelli! Die maßgeschneiderten „Pirelli P Zero Trofeo R“-Reifen wurden zusammen mit dem 600LT entwickelt und genau auf diesen Sportwagen zugeschnitten - vorne im Format 225/35 R19 und hinten in 285/35 R20.
© Foto: Malcolm Griffith, McLaren
Um die Bodenhaftung zu verbessern, besitzt der Reifen eine weichere Seitenwandstruktur als üblich und in der Folge mehr Aufstandsfläche auch bei weniger perfekten Oberflächen. Im Gegensatz dazu führten die Macher den Gürtel des Reifens steifer aus, was wiederum für eine höhere Querbeschleunigung und ein verbessertes Kurvenverhalten sorgt. Ebenso wichtig: Die Lenkung des McLaren 600LT ist hervorragend, doch Reifen spielen mit ihrem Kontakt zum Asphalt ebenfalls eine entscheidende Rolle - und der „Pirelli P Zero Trofeo R“ sorgt in der Praxis für eine unglaublich hohe Lenkpräzision und ein sicheres Fahrgefühl, was beim sportlichen Fahren von grundlegender Bedeutung ist
Fazit und Preis McLaren 600LT:
Der neue McLaren 600LT erweist sich als echter Hardcore-Sportwagen. Insbesondere die Agilität und die messerscharfe Präzision sind bei schneller Fahrt unfassbar faszinierend. In der Preisliste steht der McLaren 600LT ab 230.000 Euro - und ist damit 41.000 Euro teurer als das Basismodell McLaren 570S, einem bereits sehr guten Sportwagen. Doch der Aufpreis für den 600LT ist jeden Cent wert. Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt ebenfalls, wie attraktiv der Preis des 600LT ausfällt: einen Porsche 911 GT2 RS gibt es erst ab 285.220 Euro. Wer es lieber offen mag: 2019 folgt der McLaren 600LT Spider.
Technische Daten McLaren 600LT:
Länge x Breite x Höhe: 4,604 x 1,930 x 1,194 Meter (Breite mit Außenspiegel: 2,095 Meter)
Radstand: 2,670 Meter
Antriebsart: Heckantrieb
Hubraum V8-Biturbobenziner: 3.799 cm³
Leistung: 441 kW/600 PS bei 7.500 U/min
Drehmoment: 620 Nm bei 5.500-6.500 U/min
Getriebeart: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Höchstgeschwindigkeit: 328 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 2,9 Sekunden
Leergewicht (nach DIN): 1.356 Kilogramm
Durchschnittsverbrauch (nach WLTP): 12,2 l/100 km
CO2-Emission: 276 g/km
Gepäckraumvolumen: 150 Liter (vorne)
Preis: ab 230.000 EUR