Gut oder schlecht? Das sagen die DTM-Fahrer zum Funkverbot

, 10.05.2017

Mit Beginn der neuen DTM-Saison trat das kürzlich eingeführte Funkverbot in Kraft und sorgte in Hockenheim für Chaos in der Box - "Ich war etwas verloren"

Der Saisonauftakt in Hockenheim am vergangenen Wochenende war die Premiere des in der Saison 2017 eingeführten Funkverbots. Das Team am Kommandostand darf dem Fahrer keine Fahrhilfen oder Informationen über den Funk geben. Sicherheitsrelevante Hinweise, Safety-Car-Phasen oder wenn sich das Auto in der Box befindet stellen eine Ausnahme dar. Andernfalls ist nur die traditionelle Boxentafel als Kommunikationsmittel erlaubt. Die Fahrer hingegen dürfen uneingeschränkt mit ihrer Mannschaft funken.

Die Meinungen der Beteiligten darüber, ob das Funkverbot gut oder schlecht ist, gehen auseinander. Vor dem ersten Rennen äußerte sich Phoenix-Pilot Mike Rockenfeller noch relativ gleichgültig darüber, dass ihm sein Team keine Informationen und Fahrhilfen über Funk mitteilen darf. Auf die Frage, welche Hinweise er von seinem Ingenieur während dem Rennen vermissen wird, antwortete der 33-Jährige trocken: "Keine." Er sei ohnehin nicht der große Redner am Funk, so "Rocky".

Doch als er im Samstagsrennen seine erste reale Erfahrung mit dem Funkverbot machte, änderte er seine Meinung. "Ich war manchmal etwas verloren: wie viele Runden sind noch zu fahren?", erklärte Rockenfeller, den ein technisches Problem mit dem Dashboard heimsuchte, "auf dem plötzlich manche Dinge nicht mehr angezeigt wurden".

Bleibt also noch Raum für Verbesserung, denn auch die Kommunikation über die Boxentafel verlief nicht reibungslos. "Die kann man noch verbessern", so der DTM-Meister von 2013.

Regen sorgt für erschwerte Bedingungen

Der Regen am Sonntag sorgte zusätzlich für erschwerte Bedingungen: aufgrund des Funkverbots durfte das Team den Fahrern nicht mitteilen, wie stark der Regen an den verschiedenen Streckenabschnitten war und wie lange er anhalten wird.

"Durch das Funkverbot war es für uns sehr schwierig, denn wir wussten nicht, ob es weiter regnen wird oder nicht. Ich habe gefragt, ob wir einen Boxenstopp machen und die Antwort lautete: 'Nein'", beschreibt Gary Paffett die Kommunikation mit seiner Crew an der Boxenmauer.

"Ich habe meinen Ingenieuren geschildert, in welchem Zustand die Strecke ist und die Box hat geschaut wie sich das Wetter entwickelt: dann haben wir die richtige Entscheidung getroffen, und es hat sich ausgezahlt. Ich kam hinter Wittmann raus und als ich Platz drei auf dem Pitboard gelesen habe, dann konnte ich es gar nicht glauben", fügt der Zweite des Sonntagsrennens hinzu.

Fahrer müssen selbst entscheiden

BMW-RMG-Pilot Marco Wittmann pflichtet Paffett bei: "Es ist extrem schwierig, unter Bedingungen wie heute, den Call zu machen. Der Regen hat sich immer wieder verschoben. Mal war er stärker in Kurve 2, dann stärker im Motodrom, teilweise hat er dann wieder etwas abgenommen."

"Ich habe drei oder vier Mal an meine Boxencrew gefunkt: 'Ich glaube, wir brauchen Regenreifen!', dann wieder Slicks, dann wieder Regenreifen. Ich glaube, die sind völlig verrückt geworden. Am Ende haben wir die richtige Entscheidung getroffen, vor allem ich. Das ist in diesem Jahr entscheidend, denn du als Fahrer musst den Call geben. Es ist eine große Herausforderung, ohne Boxenfunk die richtige Entscheidung zu treffen", so der amtierende DTM-Meister nach dem zweiten Rennen in Hockenheim.

Auch der Sieger des regenreichen Sonntagsrennens Jamie Green musste den Zeitpunkt des Wechsels auf Regenreifen selbst wählen, und er lag damit goldrichtig. "Das war sehr hart. Ich habe die Entscheidung getroffen, wann die richtige Zeit für die Regenreifen war. Das war ein gutes Timing von mir", freut sich der Rosberg-Pilot.

Chaotische Zustände in der Boxengasse

Ähnlich erging es Lucas Auer nach seinem Sieg am Samstag. Zwar herrschten trockene Bedingungen, als der Tiroler das Rennen für sich entschied, dennoch hätte er sich vor allem im Zweikampf mit Timo Glock etwas mehr Unterstützung von seiner Boxenmauer gewünscht. "Ab und zu habe ich mir schon gedacht: 'Es wäre schön, wenn du ein paar Infos hast'. Aber ich finde es gut. Es war ein mega Rennen", sagt der Mercedes-Pilot.

Er ergänzt: "Du bist ganz alleine im Auto und du entscheidest, wie du dir deine Reifen einteilst und kein anderer. Das macht es spannend. Wenn du in Führung bist, weißt du nicht, ob du die Räder zu sehr beanspruchst oder nicht."

Durch den Regen herrschten nicht nur auf dem nassen Kurs chaotische Bedingungen, sondern auch in der Boxengasse, wie BMW-Motorsportchef Jens Marquardt beobachtete: "Man hat gesehen, dass es für die Mechaniker eine enorme Herausforderung ist. Es gab teilweise chaotische Zustände, als die Autos in die Box kamen und zum Teil da standen ohne Boxencrew und ohne Reifen."

Es gibt noch viel zu optimieren...

Weil zwischen Box und Fahrzeug der Funkverkehr eingeschränkt ist, kam es in Hockenheim öfters zu Missverständnissen. Und diese gilt es nun auszumerzen. "Das sind neue Herausforderungen und denen müssen wir uns stellen. Da gibt es noch viel zu optimieren", so Marquardt weiter.

Eine Kommunikation über die Boxentafel hingegen ist uneingeschränkt erlaubt. "Über das Pitboard kann man mit dem Fahrer kommunizieren, ihm Informationen geben, wo er liegt, wie groß die Lücke ist und so weiter. Oder auch, wie viel DRS noch da ist. Solche Sachen muss er schon wissen", sagt er.

Einer der Leitragenden der Missverständnisse mit der Box war Paul di Resta. Als der Schotte zu seinem Reifenwechsel in die Boxengasse kam, war seine Mannschaft nicht optimal vorbereitet. "Als ich an die Box kam, lagen die falschen Reifen bereit. Es ist schwierig, zu reagieren. Aber dafür wurde es ja gemacht: um in solchen Situationen Chaos zu verursachen", sagt er. Prinzipiell habe er kein Problem mit dem Funkverbot, doch in Situationen wie am vergangenen Sonntag würde es eben für Verwirrung sorgen, so der Mercedes-Pilot.

Fahrer dürfen funken

Für DTM-Neuling Loic Duval ist die eingeschränkte Kommunikation über Funk keine große Umstellung: "Ich bin sowieso kein großer Fan von vielen Unterhaltungen - daher war es für mich kein großes Problem. Ich kenne es in der DTM ja außerdem gar nicht anders."

Der Le-Mans-Sieger von 2013 ergänzt: "Es ist zwar manchmal gut, ein paar Informationen zu bekommen, aber es ist nicht so, dass ich es gewöhnt war. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für andere schwieriger war."

Für seinen Audi-Kollegen Nico Müller war die Situation schon ungewohnter: "Das war schon speziell. Man gewöhnt sich aber relativ schnell dran. Am Samstag war es noch sehr seltsam. Am Sonntag war es schon noch schwierig, aber schon normaler." Der Schweizer erklärt, dass der Fahrer nun die richtige Wahl treffen und sein Team über die Entwicklungen auf der Strecke selbständig informieren muss.

"Ich wusste, dass ich jetzt derjenige bin, der die Entscheidung treffen muss. Ich habe das Team immer darüber auf dem Laufenden gehalten, wie sich die Situationen entwickeln, damit sie sich auch vorbereiten können", fügt der Abt-Pilot hinzu.

BMW-RMG-Fahrer Timo Glock begrüßt es, dass seine Crew nicht mehr so viel mit ihm reden darf, da er ohnehin nicht viel im Auto gefunkt hat. "Ich habe kein Problem mit Funkverbot. Du musst öfter mal auf die Boxentafel schauen und kannst als Fahrer die eine oder andere Nachricht an die Box funken", sagt der Zweitplatzierte des Samstagsrennens.

Immer im Blick: die Boxentafel

"Das Team kann dann darauf reagieren und dir über das Pitboard eine Info geben und dir helfen. Deshalb ist es völlig okay für mich", so der 35-Jährige. Doch beim Einsatz der Anzeigetafel ist Fingerspitzengefühlt angesagt: Die Teams dürfen die Piloten mit Informationen auf der Anzeigetafel nicht überfluten und überfordern.

"Was kann ich dem Fahrer als Rückmeldung geben, die ihm auch wirklich weiterhilft und ihn nicht verwirrt. Ich glaube, es ist schon deutlich schwieriger und herausfordernder für den Fahrer", ergänzt Marquardt, der trotz der anfänglichen Probleme das Funkverbot seitens der Boxenmauer unterstützt: " Ich glaube, dieser einseitige Funkverkehr ist ein sehr guter Ansatz."

Auch wenn die Meinungen der Fahrer auseinandergehen, eines ist sicher: Das Funkverbot verleiht den Rennen mehr Würze und Unvorhersehbarkeit und die Fahrer stehen wieder im Mittelpunkt. Und genau das ist es, was die DTM-Verantwortlichen erreichen wollten: Mehr Spannung und Action auf der Strecke, um die Zuschauer zu unterhalten. Das bestätigt auch Edoardo Mortara: "Aber am Ende sind das die Regeln, die für alle gleich sind. Es geht um die Fans und Zuschauer."

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