"Das ist kein Spaß mehr": Fahrer fordern Formel-1-Revolution

, 23.10.2015

Engere Zweikämpfe, mehr Chancengleichheit und schnellere Autos sind für die Piloten die wichtigsten Ziele - Hamilton stellt klar: "Es muss sich etwas ändern"

Von Seiten der Fans hagelt es seit geraumer Zeit Kritik an der Formel 1. Nicht genügend Action auf der Strecke, kein Vollgas-Racing von Start bis Ziel, kein kerniger Motorensound mehr und in den Cockpits PR-Experten oder milchgesichtige Teenager - so oder so ähnlich könnte eine überspitzte Zusammenfassung lauten. Die Piloten selbst teilen die Bedenken, wie im Vorfeld des US-Grand-Prix in Austin deutlich wird. Weltmeister Lewis Hamilton geht voran und sagt: "Es muss sich etwas ändern."

Für den Mercedes-Star stehen weniger die Maßnahmen als das Ziel im Vordergrund. Er wünscht sich engere Zweikämpfe und mehr Rad-an-Rad-Situationen. "Es muss wieder so sein wie im Kart", unterstreicht Hamilton und hofft auf die Kreativität der Formel-1-Verantwortlichen. Dabei stellt er der Königsklasse der jüngeren Vergangenheit offenbar kein gutes Zeugnis aus: "Ich weiß nicht, wie sie das anstellen wollen, aber es muss grundlegend anders sein als in den vergangenen 20 Jahren", so Hamilton.

Nicht an die große Glocke hängen will die Kritik Nico Rosberg: Für Hamiltons Teamkollegen sind Höhen und Tiefen bei der Qualität ein normales Phänomen im Spitzensport. "Nehmen wir zum Beispiel Tennis", vergleicht der Deutsche. "Da gab es Zeiten, in denen die Dinge Jahr für Jahr ein wenig schlechter geworden sind." Was er damit konkret meint, verschweigt Rosberg aber und würdigt die Qualität des Motorsports, der zum Beispiel durch die Onboardaufnahmen deutlich würde.

Motorendominanz, DRS und Strafen in der Kritik

Fernando Alonso sieht die Rennserie vor einer schwierigen Aufgabe, wenn sie sich neu erfinden will: "Das ist ein Geschäft und es gibt Interessen, es ist nicht nur Sport. Und das zu vereinen ist schwierig", befürchtet der McLaren-Pilot vor dem Hintergrund von Platzhirschen an der Spitze, die ihren Vorteil zementieren willen. Er wünscht sich aber wie so viele im Paddock mehr Spannung. "Die Zuschauer wollen das Klassement nicht im Voraus kennen. Man weiß schon am Donnerstag, wer gewinnt, wer auf dem Podium sein wird oder wer Punkte holt. Das nimmt Anreize", kritisiert Alonso.

In die gleiche Kerbe schlägt Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo, wenn er sich kleinere Abstände zwischen den Kontrahenten wünscht: "Dass zwischen den Autos so große Unterschiede herrschen ist auch für Zuschauer kein Spaß mehr", hadert der Australier, der aktuell unter dem PS-schwachen Renault-Antrieb leidet. Wenn er oder die McLaren-Piloten, die dank Honda dann in Highspeed-Passagen ebenfalls wehrlose Opfer sind, wie Anfänger aufgeschnupft werden, sorgt das für viel Frust.

Ricciardo klagt: "Dass ein Fahrer nicht besser ist und er trotzdem überholt, wenn er einfach auf der Geraden das Pedal durchdrückt drückt - dafür braucht es kein Können. Das nimmt dem Sport etwas weg." Eine Hierarchie gesteht er der Formel 1 zu, wünscht sich aber viele verschiedene Piloten ganz oben auf dem Podium: "Es wird immer Topteams geben, zu denen man aufblickt und für die man fahren will. Es muss Unterschiede geben, aber kleinere. Mehr Wettbewerb und mehr Fahrer, die um Siege kämpfen."

Schnellere Autos: ein Wunsch als zweischneidiges Schwert

Hamilton ist auch die Überholhilfe DRS ein Dorn im Auge. Der Brite befindet: "Das fühlt sich nicht natürlich oder wie natürlicher Motorsport an." Alonso wiederum ärgert sich über die Strafen, die im Zuge von Zweikämpfen verhängt werden. Er wünscht sich, dass den Piloten mehr zugestanden wird. "So wie in der MotoGP", vergleicht er mit der Königsklasse der Motorräder. "Dort berührt man sich und es passiert nichts. Hier ist es anders: In Sotschi wurde jemand Stunden danach noch bestraft."

Kimi Räikkönen plädiert dafür, Spektakel dadurch zu generieren, dass die Autos wieder niedrigere Rundenzeiten erreichen. "Die Formel 1 sollte einfach die schnellsten Rennautos der Welt haben", bekennt der Finne. "Dass die GP2 auf manchen Strecken nur wenige Sekunden langsamer ist, fühlt sich einfach nicht richtig an." Räikkönen wünscht sich Boliden, die an die Zeit Mitte der 2000er Jahre erinnern. Mit diesem Wunsch ist er nicht alleine. "Für jeden Fahrer ist die Hauptsache, dass die Autos schneller werden - und vielleicht noch etwas anspruchsvoller zu fahren", ergänzt Valtteri Bottas.

Eine Rückkehr zu bewährten Tugenden muss das für den Williams-Piloten jedoch nicht bedeuten. Er steht Innovationen offen gegenüber und will dem Zeitgeist Rechnung tragen: "Ob das unbedingt nach alter Schule sein muss, weiß ich nicht. Der Sport hat sich doch entwickelt", so Bottas. Marcus Ericsson wirft ein, dass schnellere Boliden nicht unbedingt dazu beitragen, dass die Qualität der Unterhaltung sich bessert: "Ein schmaler Grat", sagt der Sauber-Pilot. "Es darf nicht so werden wie vor zehn oder 15 Jahren, als es kaum Überholmanöver gab. Das Racing ist mit vielen Zweikämpfen doch toll."

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