Gerhard Berger kritisiert Formel 1: "Viel zu kompliziert"

, 08.09.2015

Für Ex-Rennfahrer Gerhard Berger ist der Formel 1 das Besondere abhanden gekommen - Er vermisst den harten Rennsport Mann gegen Mann

Der Grand Prix von Italien war das Sinnbild der Formel-1-Saison 2015: Lewis Hamilton dominierte im Mercedes an der Spitze, Sebastian Vettel fuhr zur Freude der Tifosi auf den zweiten Platz und auch Ex-Ferrari-Pilot Felipe Massa durfte als Dritter auf dem schönsten Siegerpodest des Jahres Champagner verspritzen. Doch unmittelbar nach der Zieldurchfahrt gingen die Diskussionen um den Reifendruck los. Die Fernsehzuseher waren relativ rasch informiert, doch wussten die hunderten feiernden Fans auf der Start-Ziel-Geraden worum es ging?

"Grundsätzlich will jeder einen Dreikampf oder Vierkampf um den Sieg sehen und nicht am nächsten Tag über die Reifen diskutieren", kann Gerhard Berger nur den Kopf schütteln. "Das sind alles so Sachen, die eigentlich nicht das Thema sein sollten. Wir haben ein Rennen gesehen, bei dem Hamilton vorne weggefahren ist. Klar würden wir gerne Kämpfe um den Sieg sehen, das fehlt uns ein wenig." Der Österreicher gewann im Jahr 1988 mit Ferrari in Monza und kennt die Emotionen des Sieges an diesem legendären Ort.

Trotzdem ist der zehnfache Grand-Prix-Sieger mit der Entwicklung der aktuellen Formel 1 nicht zufrieden. Bei 'ServusTV' legt er nach: "Es ist vielleicht Geschmackssache. Ich persönlich vermisse den harten Rennsport Fahrer gegen Fahrer, wo in der letzten Runde um wenige Sekunden der Sieger entschieden wird. Mir ist es zu wenig emotionell, es ist zu technisch und von den Reglements her zu kompliziert. Man muss heute ein Fan mit extremem Tiefgang sein, um überhaupt zu verstehen, was da abläuft."

"Ich habe mein Leben lang in diesem Sport verbracht, aber wenn ich vor dem Fernseher sitze, habe ich alle Hände voll zu tun, um zu verstehen was die jetzt wirklich machen", versetzt sich Berger in den Fernsehzuschauer. "Wenn ein Motorsportfan sich alle zwei Wochen ein Rennen ansieht und keine Zeit hat, um alles nachzulesen, für den ist es dann schwierig." Die Formel 1 war schon immer kompliziert, doch in den vergangenen 15 Jahren wurde immer mehr reglementiert. Als Fahrer muss man unzählige Vorschriften beachten, bis zur Linienwahl im Zweikampf.

Dazu kommt die komplizierte Technik. Verstehen Laien etwas von MGU-K und MGU-H? "Man sagt dann natürlich, das es die komplexe Technik ist, aber ich glaube, dass es im Sport emotionell und einfach bleiben muss", betont Berger. König Fußball macht es vor. Es gibt zwar ebenfalls viel Taktik, doch am Ende gewinnt jene Mannschaft, die mehr Tore erzielt hat. Für jeden einfach zu verstehen. Deswegen bedauert Berger bei der Formel 1: "Am Ende muss es ein Wettkampf Fahrer gegen Fahrer sein. Das haben wir ein wenig verloren."

Webber: Autos keine Herausforderung mehr

In eine ähnliche Kerbe schlägt Mark Webber. In der WEC bewegt der Australier ebenfalls hochkomplexe Rennautos, doch in der Langstrecke wird am Limit gefahren. "Die Fahrer wollen Autos, die eine Herausforderung ist", hält Webber bei der 'BBC' fest. "Momentan ist es so, als wäre man ein F-18 Kampfpilot und muss für die British Airways fliegen. Man fährt innerhalb seiner Komfortzone, teilt sich Rennen ein. Das ist frustrierend."

"Die Formel 1 sollte die Königsklasse sein. Es sollten mit Abstand die schnellsten Autos in Kurven sein und körperlich anstrengend. Die Fahrer sollten wieder Gladiatoren sein", schlägt Webber in eine ähnliche Kerbe wie Berger. "Die Autos müssen so gestaltet sein, wie sie die Fans noch nie gesehen haben. Jetzt sind zu viele Serien der Formel 1 zu nahe gekommen." Auch wenn es viel Kritik am aktuellen Motorenreglement gibt, muss festgehalten werden, dass Hamiltons Pole-Zeit in Monza schneller war als im Jahr 2013, der letzten Saison der V8-Saugmotoren.

Berger: "Sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht"

Mit einem veränderten Reglement ab der Saison 2017 soll die Formel 1 spektakulärer werden. Doch gibt es ein Geheimrezept? "Es gibt keinen konkreten Vorschlag", meint Berger. "Ich kenne alle diese Leute, die die Reglements schreiben. Das sind alles sehr gute Leute mit Fachkenntnis und Erfahrung. Manchmal kommt mir aber vor, dass sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen."

"Es wird ständig versucht, diesen Zweikampf künstlich herbeizuführen. Zuerst wurde DRS eingeführt, dann hat man ein Reglement gemacht, das ganz dem Zeitgeist entsprechen muss und zukunftsweisend ist. Jetzt darf man den Motor nicht mehr weiterentwickeln", zählt Berger mehrere fragwürdige Entscheidungen auf. "Zum Schluss passt das jetzt alles nicht mehr zusammen."

Wie man es richtig macht, zeigt die MotoGP. Die Zweikämpfe Valentino Rossi gegen Marc Marquez ziehen die Zuschauer in Massen an. "Die Motorrad-WM ist noch so, wie es sein sollte", findet Berger klare Worte. "Dort kämpfen die Fahrer bis zur letzten Runde Ellbogen-an-Ellbogen, und das wollen die Leute sehen. Und sie kämpfen mit Maschinen wo man sich fragt: 'Wow, wie machen die das? Das sind Künstler!'. Und genau das ist in der Formel 1 verloren gegangen."

"Ich hoffe wirklich, dass man wieder zu den Basics zurückkehrt und der Star wieder der Fahrer ist", betont Berger den wichtigsten Aspekt. "Die Stars müssen am Sonntagnachmittag gegeneinander kämpfen und sich hart den Sieg erkämpfen. Dann sind die Fans auch wieder zufrieden. Ich hoffe, dass das gelingt."

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