Honda in die Ecke gedrängt: Arai gegen den Rest der Welt

, 05.09.2015

Yasuhisa Arai muss sich bei einer Fragerunde gefühlt haben, als ob sich alle gegen ihn gewendet haben: Selbst McLaren wird beim Thema Honda kritisch

Yasuhisa Arai wirkt an diesem Samstag ein wenig verloren. Der Motorenchef von Honda sitzt auf einer Pressekonferenz von McLaren zwischen Rennleiter Eric Boullier und den beiden Piloten, doch noch immer scheint der Japaner ein wenig fremd zu sein. Vollmundig hatte der Hersteller vor der Saison von Siegen gesprochen und wollte selbst nach dem verkorksten Saisonstart am Ende um Podestplätze mitfahren.

Die Realität sieht aber anders aus. Jenson Button und Fernando Alonso fuhren in der Qualifikation von Monza wieder einmal gnadenlos hinterher und konnten nur die beiden Manor-Marussia sowie den nicht gewerteten Max Verstappen im Toro Rosso hinter sich lassen. Auf die Pole-Position-Zeit fehlten am Ende gute 2,7 Sekunden. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärte Arai zuletzt noch, dass zu 50 Prozent Honda Schuld habe, und zu 50 Prozent das McLaren-Chassis.

Doch auf dem Power-Kurs von Monza wurde das Motorendefizit mehr als deutlich. "Auf einem Kurs mit sechs Kurven verlieren wir laut GPS zwei oder drei Zehntel in diesen Kurven. Den Rest der drei Sekunden müssen wir auf den Geraden finden", hadert Alonso nach der schwierigen Qualifikation. Die Messungen der Topspeed-Werte zeigen deutlich, dass dem Honda-Aggregat Power fehlt.

McLaren stellt sich hinter Honda - zwangsweise

Dabei hieß es von Arai zuletzt noch, dass Hondas Verbrennungsmotor 20 PS mehr habe als Renault und dass man sich fast auf Augenhöhe mit Ferrari befinde. Doch im Fahrerlager scheint das niemand zu glauben. Arai selbst bleibt bei seiner Behauptung. Ein anderer Journalist fragt Eric Boullier daraufhin, ob McLaren das auch so sieht. Dessen Antwort spricht Bände, obwohl sie ausweichend ist: "Wir sind ein Team. Ich muss Herrn Arai zustimmen." Ron Dennis selbst war übrigens wieder einmal nicht anwesend.

Stattdessen kommen vom Japaner, der unsicher wirkt und sich aufgrund von Sprachproblemen immer wieder Fragen wiederholen lassen muss, die üblichen Antworten: "Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, auch wenn die Ergebnisse nicht so gut sind. Wir geben unser Bestes. Wir stecken viele Anstrengungen hinein, mehr PS zu bekommen", so Arai, der das Problem der Power-Unit eigentlich bestens kennt.

Das Hybrid-System soll die größte Schwachstelle am Antrieb sein. Auf der Geraden soll die Energierückgewinnungseinheit MGU-K an Leistung verlieren und so im Gesamtpaket zu einem unterlegenen Aggregat beitragen. "Das macht es für unsere Power-Unit ziemlich schwierig", räumt Arai ein. Jenson Button macht das Problem dann deutlich: "Im zweiten Versuch hatte ich den Windschatten des Autos vor mir, aber selbst damit konnten wir uns nicht für Q2 qualifizieren", seufzt er.

Arai und die fehlende Entschuldigung

Die Piloten dürften unter der Situation stark leiden. Beides sind erfahrene Weltmeister und erwiesene Spitzenpiloten, doch ausrichten können sie mit ihrem Boliden nichts. Zuletzt in Spa sprachen sie öffentlich darüber, dass die Leistung "fast peinlich" gewesen sei. Im Kreuzfeuer der Kritik muss sich Arai derweil Fragen gefallen lassen, ob er sich bei seinen Fahrern schon für das Debakel entschuldigt habe und ob es nicht Zeit wäre, eventuell zurückzutreten.

Arai antwortet zunächst noch mit einem freundlichen Lächeln: "Wir bemühen uns sehr, mehr PS zu finden." Als dann immer direkter und härter nachgebohrt wird, ob er sich schon entschuldigt hat ("Warum sollte ich?"), verliert Arai dann doch die Contenance: "Das beantworte ich nicht." Zudem bestreitet er auch, im Interview die genauen PS-Zahlen im Vergleich zur Konkurrenz genannt zu haben - doch Honda stellt hinterher klar: Arai hat die Zahlen genannt.

McLaren: Noch ist Geduld da

Doch als Arai immer weiter in die Ecke gedrängt wird, springt McLaren in die Bresche. Rennleiter Eric Boullier spricht offen darüber, dass McLaren noch nicht die Geduld mit Honda verliert, wie es offenkundig zwischen Red Bull und Renault ist. "Wir haben eine andere Beziehung. Wir sind ein Werksteam und kein Premiumkunde, von daher ist das anders. So lange Honda unsere Vorschläge offen aufnimmt, können wir ihnen helfen", so der Franzose.

Und dann kommt es wieder, das Wort, an dem sich die einstige Erfolgskombination McLaren-Honda messen lassen muss: gewinnen. "Wir möchten gewinnen", stellt Boullier klar und spricht lediglich von einem "Timing-Problem", weil Honda mit klarem Rückstand auf die Konkurrenz gestartet ist. Von den Japanern distanziert man sich öffentlich noch nicht und hält die Struktur für in Ordnung. Doch wie reagiert McLaren, wenn es auch im nächsten Jahr nicht gut läuft? Hitzig ist es zumindest heute schon geworden...

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