Mercedes-Motorenchef: "Entwicklung ist ziemlich aggressiv"

, 22.02.2017

Wie Mercedes den Antrieb zur Formel-1-Saison 2017 entwickelte und welche weiteren Potenziale noch in den Aggegaten stecken: Andy Cowell gibt Einblicke

Angesichts der breiteren Reifen, der veränderten Aerodynamik und der neuen Fahrzeugabmessungen in der Formel-1-Saison 2017 steht die Entwicklung der Turboantriebe nicht besonders im Fokus. Doch im Hintergrund haben die Hersteller große Anstrengungen unternommen, um die sogenannten "Power Units" auf die neuen Anforderungen zu trimmen. Durch den höheren Abtrieb und Luftwiderstand der neuen Autos ist vom jeweiligen Antrieb eine noch größere Effizienz gefordert.

Die Entwicklung der Aggregate fühle sich "momentan ziemlich aggressiv" an, so Mercedes-Motorenchef Andy Cowell im Interview mit auto motor und sport. "Wir haben uns nicht einfach zurückgelehnt und nur kleine Modifikationen vorgenommen. Die Veränderungen sind beachtlich im Vergleich zu den Vorjahren. Einiges davon wurde durch das neue Reglement vorangetrieben, anderes kommt durch Effizienzsteigerungen."

In den Antrieben, die in ihrer Grundform 2014 eingeführt worden waren, steckt aus Sicht des Briten noch hohes Entwicklungspotenzial. Vor allem in den Bereichen Zündung und Verbrennung liegen noch erhebliche Möglichkeiten. "Auf dem Bereich der Verbrennung liegt immer der Hauptfokus, weil hier einfach die größte Energiemenge drinsteckt", sagt Andy Cowell. Es gehe im Kern darum, die im Treibstoff vorhandene Energie möglichst verlustfrei zu nutzen.

Aufgabe: Aus der Treibstoff-Energie das Maximale herausholen

"Der erste Schritt im Umwandlungsprozess ist das Freisetzen der Energie, die im Benzin gespeichert ist. Daran hat sich seit der Zündung unseres ersten V6-Turbomotors nichts geändert und das wird auch immer so bleiben. Im Sprit stecken 1.240 Kilowatt an potenziell verfügbarer Energie und momentan bekommen wir nur knapp 50 Prozent davon heraus", so Cowell. "2014 glaubten die Leute schon an ein Wunder, dass wir 40 Prozent nutzbar machen konnten."

Neben dem reinen Einspritz- und Verbrennungsprozess gelte es, in anderen Bereichen weitere Schritte zu machen: Rekuperation, Effizienz des Turboladers, bessere Luftversorgung oder beispielsweise optimierte Wasser- und Ölpumpen. "Natürlich muss auch das Kühlsystem optimiert werden, damit die Druckverluste nicht zu groß werden", sagt der Mercedes-Motorenchef. "Auf der anderen Seite dürfen die Systeme nicht zu schwer werden. Da muss man immer Kompromisse eingehen."

Mit kleinen, aber konsequenten Schritten arbeitet man sich in Brixworth an die magische Schallmauer von 1.000 PS heran. "Ich bin sicher, dass wir diese Marke früher oder später erreichen werden. Wann genau? Einer der Hersteller wird das sicher noch in der aktuellen Generation der Power Units schaffen", meint Cowell. Allerdings ist man trotz des Wegfalls der Tokenregelung in der Umsetzung von Updates beschränkt. 2017 dürfen jeweils nur noch vier Antriebskomponenten genutzt werden. Neuerungen können nur beim Einbau eines frischen Aggregats eingesetzt werden.

Saison 2017: Der gesamte Antrieb erfährt höhere Belastungen

Bei der Entwicklung der Antriebe geht es den Motorenfachleuten vor allem vor dem Start in die diesjährige Saison keineswegs nur um Effizienz und Leistung. Die veränderte Aerodynamik und der gesteigerte Grip sorgen für höhere Belastungen aller Komponenten. "Die Power Unit ist ein wichtiges, tragendes Element am Auto. Die Belastungen übertragen sich durch die Motorhalterung, durch das Kurbelgehäuse bis hin zum Ventildeckel. Darauf muss man reagieren", sagt Cowell.

"Mit den neuen Regeln ist außerdem der Vollgas-Anteil gestiegen. Damit erhöht sich auch die Gesamtzeit, die der Motor unter maximaler Last läuft", erklärt der Brite. Alle Bauteile des Antriebs sind aufgrund dessen höheren Belastungen ausgesetzt. "In Sachen Dauerhaltbarkeit erwartet uns also eine schwierigere Aufgabe. Das gilt übrigens nicht nur für den Verbrennungsmotor sondern auch für das ERS-System." Die Hybridelemente wurden optimiert, um in den verkürzten Bremsphasen ausreichend Energie zu fassen.

Seit der Einführung der aktuellen Motorenformel zur Saison 2014 hat Mercedes die Szene dank eines überlegenen Antriebs dominiert. Geht der Alleingang der Silbernen weiter? "Es ist nun das vierte Jahr mit dieser Motorengeneration und alle haben viel gelernt", gibt sich Cowell vorsichtig. "Ich bin schon ganz neugierig, was die anderen Hersteller und besonders Honda gemacht haben. Sie sind jetzt im dritten Jahr, haben ihre Entwicklungsabteilung etabliert und viel Wissen angehäuft. Ich denke, das wäre der Zeitpunkt für einen großen, mutigen Schritt."

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