"Nico kann nur verlieren": Heißt Rosbergs Albtraum Red Bull?

, 23.11.2016

Warum Titelfavorit Nico Rosberg die deutlich schwierigere Ausgangslage hat und wie die Red-Bull-Piloten darauf lauern, zu "Hamiltons besten Freunden" zu werden

Die Situation erscheint widersprüchlich: Nico Rosberg liegt vor dem WM-Finale 2016 zwölf Punkte vor Lewis Hamilton. Mit einem Podestplatz ist der WM-Leader automatisch Champion, ganz egal, wo sein Stallrivale landet. Und dennoch ist die Ausgangslage Hamiltons aus mentaler Sicht einfacher. Das glauben zumindest zahlreiche Experten.

"Rosberg kann nur verlieren", bringt es Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer gegenüber 'Sky.de' auf den Punkt. "Ein zweiter oder dritter Platz ist mit dem Mercedes eigentlich kein Problem, aber wenn man zu vorsichtig fährt, kommt einem vielleicht jemand in die Quere. Das Risiko fährt immer mit. Besonders, wenn man zu vorsichtig agiert. Das ist fast schlimmer, als wenn man voll ans Limit geht. Lewis hingegen kann nur nach dem Motto 'Alles oder Nichts' fahren."

Dabei könnte Rosberg in einem Zweikampf mehr Risiko gehen, da Hamilton fast auf einen Sieg angewiesen ist. "Vielleicht wird Nico gegen Lewis etwas aggressiver vorgehen", hält das Max Verstappen für ein realistisches Szenario. Bei einer Stallkollision, bei der beide Piloten ausscheiden, hätte Rosberg das bessere Ende für sich, so wie dies 1994 Michael Schumacher im Duell mit Damon Hill in die Karten spielte.

Surer: Stallcrash kann komplett nach hinten losgehen

Doch Surer hält dies für die schlechteste Lösung. Er nennt Jerez 1997 als Gegenbeispiel. "Wir haben gesehen, dass das nach hinten losgeht, als Schumacher 1997 nach der Kollision mit Jacques Villeneuve im letzten Rennen komplett aus der WM-Wertung genommen wurde", blickt der Schweizer zurück. "Villeneuve ist Weltmeister geworden. Es darf nicht nach Absicht aussehen. Aber man kann sich als Fahrer über einen Titel, der so gewonnen wird, nicht wirklich freuen. Es würde einen Schatten auf die Weltmeisterschaft werfen."

In Brasilien machte Rosberg nicht gerade den Eindruck, als würde er mit dem Messer zwischen den Zähnen fahren: Bei den Restarts ließ er stets einen Sicherheitsabstand zu Hamilton, am Ende kam er wegen der unglücklichen Red-Bull-Strategie mit einem zweiten Platz gut davon.

Horner rechnet mit "noch vorsichtigerem" Rosberg

Im Gegensatz zu Verstappen rechnet dessen Teamchef Christian Horner auch diesmal mit einem vorsichtigen Rosberg. "Er ist ein kluger Kerl und er spielt derzeit ein Rechenspiel, sichert sich die Punkte." Die Startkollision mit Sebastian Vettel in Sepang, bei der Rosberg nur mit Glück weiterfahren konnte, dürfte Eindruck hinterlassen haben. "Er kann sich so etwas nicht noch einmal leisten, also wird er wahrscheinlich mehr als alle anderen in der ersten Kurve nach dem Start in den Rückspiegel schauen. Er wird also noch vorsichtiger als sonst sein."

Genau darauf bauen die Red-Bull-Piloten. Während Max Verstappen bereits ankündigt, "ich werde so aggressiv wie immer sein", sieht Daniel Ricciardo in Rosbergs Ausgangssituation eine große Chance, zumal er selbst in der WM sicherer Dritter ist.

Stolpert Rosberg über die erste Runde?

"Die erste Runde könnte interessant sein", kündigt Ricciardo an. "Selbst wenn Nico beim Start weniger Risiko nimmt und auf Platz fünf zurückfällt, dann ist das Auto immer noch schnell genug, um im Rennen Dritter zu werden. Wenn er in der ersten Runde etwas vorsichtig ist, dann werde ich versuchen, daraus Profit zu schlagen. Das könnte unsere Chance sein, denn normalerweise sind sie zu schnell für uns."

Und spätestens, wenn Rosberg 15 Runden vor Schluss auf Platz vier liegt und gegen einen Verstappen kämpfen muss, werden beim WM-Leader die Nerven flattern. "Wir könnten so an diesem Wochenende zu Lewis' besten Freunden werden, wenn wir beide Autos zwischen ihn und Nico bringen", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner mit Augenzwinkern. Einen Anruf von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wie vor dem Brasilien-Grand-Prix habe es nicht gegeben: "Ich habe ihn seit dem Meeting der Strategiegruppe nicht mehr gesehen."

Für den Briten steht wie für Surer außer Frage, dass Rosbergs Ausgangslage schwieriger ist als die seines bereits mit drei WM-Titeln bekleideten Herausforderers. "Lewis' Aufgabe ist ziemlich klar und damit einfacher. Er muss einfach alles probieren, um dieses Rennen zu gewinnen. Der Druck wird daher wahrscheinlich auf Nico lasten, der nur verlieren kann."

Mahnmal Abu Dhabi 2010: Alonso-Schicksal droht

Eine Ausgangsbasis, die ins Auge gehen kann, wie Horner selbst 2010 miterlebt hat - allerdings mit dem besseren Ende für ihn: Damals hatten mit WM-Leader Fernando Alonso, den Red-Bull-Piloten Mark Webber und Sebastian Vettel und dem damals für McLaren startenden Hamilton beim Saisonfinale auf dem Yas-Marina-Bay-Circuit noch vier Piloten Chancen auf die WM-Krone.

Und als die Red-Bull-Box den WM-Zweiten früh an die Box holte, machte Ferrari einen folgenschweren Fehler und holte auch Alonso herein, der dann das verbleibende Rennen hinter dem Renault-Piloten Witali Petrow feststeckte und zusehen musste, wie Vettel den Titel abstaubte. "Fernando hat damals nur auf Mark reagiert und Sebastian vergessen, während Sebastian all dem gar keine Aufmerksamkeit widmete und einfach ein tolles Rennen fuhr", erinnert sich Horner. "Fernando hatte damals eine ähnliche Ausgangslage wie Nico und musste nur in die Top 3 kommen. Man darf sich aber auf nichts verlassen."

Das gilt auch für die Technik, wie Horner warnt: "Die Motoren, die Getriebeeinheiten - alles hat am Ende des Jahres viele Kilometer auf dem Konto. Und was die Zuverlässigkeit angeht, war dieses Jahr niemand unfehlbar."

Horner: Rosberg auch beim Finale mental stark?

Auch das könnte das Nervenkostüm Rosbergs zusätzlich belasten. Doch wie schätzt Horner den Favoriten mental ein? "Es wird interessant sein, wie er mit seiner Situation umgeht, denn jetzt geht es wirklich um den Titel", sieht Horner auf Rosberg, der bislang stets von Rennen zu Rennen dachte, eine neue Herausforderung auf den Wiesbadener zukommen. "Bislang ging er in dieser Saison gut mit dem Druck um und es ist alles für ihn gelaufen, was manchmal vorkommt. Jetzt steht aber das größte Rennen seiner Karriere bevor, und er muss den Sack zumachen."

Obwohl Rosberg diese Saison die bessere Zuverlässigkeit als Hamilton hatte, hält Horner Rosberg für einen "würdigen Weltmeister", wenn der Mercedes-Pilot in Abu Dhabi tatsächlich zuschlägt: "Er ist sehr gut uns konstant gefahren, hat kühlen Kopf bewahrt und hat sich eine starke Ausgangsposition geschaffen."

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