Renault lässt Bombe platzen: "Denken über Ausstieg nach"

, 27.03.2015

Geschäftsführer Cyril Abiteboul bestätigt, dass Renault sein Formel-1-Engagement wegen des Imageschadens infrage stellt, Red Bull fürchtet, ohne Motor dazustehen

Bei Renault brodelt es hinter den Kulissen: Die Franzosen liebäugeln öffentlich mit einem möglichen Formel-1-Ausstieg. Oder drohen zumindest damit. "Ich kann bestätigen, dass wir uns viele Optionen anschauen, darunter auch ein Formel-1-Ausstieg", sagt Cyril Abiteboul, Geschäftsführer der Renault-Motorenabteilung in Viry-Chatillon. Eine Aussage, die angesichts der mäßigen Bilanz seit der Umstellung auf die V6-Turbo-Antriebseinheiten nicht überraschen darf, aber noch nie in dieser Deutlichkeit ausgesprochen wurde.

Nach vier WM-Titeln mit Red Bull in Folge geriet man 2014 gegenüber Mercedes deutlich ins Hintertreffen, die Hoffnung auf Fortschritte im Winter wich beim Saisonauftakt der Ernüchterung. Heftige Kritik von Partner Red Bull vergiftete das Klima zusätzlich.

"Ehrlich gesagt", holt Abiteboul aus, "wenn die Formel 1 für das Image von Renault so schlecht ist, wenn uns klar wird, dass wir mit dem aktuellen Format Probleme haben, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht stimmt und man als Motorenhersteller keinen finanziellen Anreiz hat, einen Motor zu entwickeln und die Entwicklung zu finanzieren...", spricht er den Satz nicht zu Ende. "All das müssen wir überprüfen."

Auch Rückkehr als Werksteam denkbar

Der frühere Caterham-Teamchef lässt durchklingen, dass Renault sein Engagement in der Formel 1 mittelfristig verändern will - eine mögliche Reaktion auf Berater Alain Prost, der seit Jahren vorschlägt, dass die Franzosen wie bis Ende des vergangenen Jahrzehnts mit einem eigenen Team antreten. Der Status quo gibt dem viermaligen Weltmeister recht: In den Erfolgszeiten mit Red Bull war man nur das dritte Rad am Wagen, in Krisenzeiten muss man als Prügelknabe herhalten.

"Wenn wir der Meinung sind, dass wir ein glaubwürdiger Player in diesem Sport sind und die Formel 1 für uns als Marke gut ist, dann müssen wir überlegen, was wir zusätzlich machen können", deutet Abiteboul auch eine mögliche Erweiterung des Formel-1-Engagements an. Als Übernahmekandidaten gilt neben dem Ex-Renault-Team Lotus, das hoch verschuldet ist, Sauber sowie Force India das Red-Bull-B-Team Toro Rosso als heißer Kandidat.

Toro Rosso: Tost gibt Annonce bei Renault auf

Die Franzosen haben bereits allen vier Teams Besuche abgestattet, um sich ein Bild zu machen. Toro Rosso hat in den vergangenen Jahren große Investitionen in die Infrastruktur gemacht, zudem ist das Team schuldenfrei. Teamchef Franz Tost nützt die FIA-Pressekonferenz, um eine Annonce aufzugeben.

"Das wäre für Toro Rosso eine fantastische Gelegenheit, um einen weiteren Schritt nach vorne zu machen, denn das Team möchte sich in der Zukunft unter den Top 5 in der Konstrukteurs-WM etablieren", sagt der Österreicher in Richtung Abiteboul. "Mit einem Hersteller zu arbeiten, ein Teil oder sogar im Besitz eines Herstellers zu sein wäre genau der Schritt, den das Team braucht."

Abiteboul drückt rasch auf die Bremse: "Oberste Priorität hat zunächst einmal der Motor. Bevor wir also darüber nachdenken, ein eigenes Auto zu bauen, sollten wir den Motor unter Kontrolle bringen." Danach wird eine Überprüfung des Formel-1-Engagements aus Marketing- und aus strategischer Sicht über die weiteren Schritte Renaults entscheiden.

Fürchtet Red Bull um Motorenpartner?

Diese Schritte werden sich auch auf die Zukunft von Red Bull auswirken. Das einstige Weltmeisterteam drohte nach dem misslungenen Auftakt in Australien ebenfalls mit Ausstieg und argumentierte dies vor allem damit, dass die Mercedes-Dominanz durch die geringen Entwicklungsmöglichkeiten bei den Antriebseinheiten auf Jahre hinaus fixiert ist. Und das, obwohl sich Red Bull bis 2020 vertraglich an die Formel 1 gebunden hat.

Nun bemüht sich Teamchef Christian Horner um Beschwichtigung. "Es war einfach frustrierend, zum ersten Rennen zu kommen und zu merken, dass wir mehr erwartet hatten als sich dann in Melbourne gezeigt hat." Die Rücktrittsdrohungen lässt er nun auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com' in einem anderen Licht erscheinen: "Die Aussagen stammen ja nicht von mir, aber was Helmut Marko eigentlich sagen wollte: Wir könnten uns in einer Situation befinden sollten, wo wir am Ende sogar ohne Motorenhersteller dastehen."

Horner erklärt Rücktrittsdrohung

Er verweist auf Renaults Pläne, das Formel-1-Engagement zu verändern: "Es klingt so, als würde Franz sein Team an Cyril verkaufen wollen. Dann bräuchten wir einen Motor. Und wenn sich Renault entschließt, aus der Formel 1 auszusteigen, dann würde uns Mercedes nicht mit einem Motor versorgen, zudem sind wir wahrscheinlich nicht in der Positionen, einen Ferrari-Motor zu nutzen. Dann könnte man sogar gezwungen werden, den Sport zu verlassen."

Dazu kommt, dass Red Bull wie Renault sein Engagement in der Königsklasse des Motorsports ständig überprüft und man mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht einverstanden sei. "Es gibt ein paar besorgniserregende Anzeichen, wenn man Rennen wie in Melbourne erlebt", spielt er auf die Mercedes-Dominanz, das kleine Starterfeld und die mangelnde Spannung an. "Hoffentlich ist das nur ein Kapitel in einer langen Geschichte, denn die ganze Saison steht noch vor uns."

Horner sieht Red Bull als konstruktiven Teilnehmer an der Formel-1-WM: "Red Bull will an der Formel 1 teilnehmen und ein paar Probleme lösen, die den Sport derzeit negativ beeinträchtigen und die wir nicht in den Griff zu bekommen scheinen."

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