Rosberg und seine Mentaltricks: "Ganz normales Wochenende"

, 24.11.2016

Wie es der bestens gelaunte Nico Rosberg schafft, selbst beim Titelfinale nicht an die WM zu denken, und wie er aus seinen größten Niederlagen seine Stärke zieht

Bislang hat sich Nico Rosberg mental von Rennen zu Rennen nach vorne gehantelt und das Thema WM-Titel von sich weggeschoben. Spätestens jetzt, beim Titelfinale in Abu Dhabi, kann er das nicht mehr tun. Das vielleicht wichtigste Rennwochenende seiner Karriere steht bevor. Oder doch nicht? "Nein, das ist ja gerade der Punkt. Das wird ein Wochenende wie jedes andere", bleibt Rosberg, der in der WM zwölf Punkte vor Lewis Hamilton liegt und mit einem Podestplatz den Titel sicherstellen kann, voll auf seiner bisherigen Linie. Auch für seine Familie sei es nicht das wichtigste Wochenende: "Das wurde mit der Geburt unserer Tochter klar."

Rosberg habe alles zu verlieren, meinen zahlreiche Experten. Zumal der Druck enorm ist, schließlich hat er im Gegensatz zum Rivalen noch keinen WM-Titel auf dem Konto und muss sich gegen den Ruf wehren, der ewige Zweite zu sein. Wie nimmt Rosberg die enorme Belastung wahr? "Momentan gar nicht, es ist ja noch Donnerstag", zeigt er sich locker und gutgelaunt. "Ich fühle mich super, bin richtig gut drauf, habe ein gutes Gefühl, hatte eine schöne Zeit mit der Familie, habe gut trainiert. Ich reise voll vorbereitet an. Der Adrenalinspiegel wird am Wochenende aber mit Sicherheit steigen."

Das habe aber nicht unbedingt etwas mit der Titel-Herausforderung zu tun, sondern eher mit dem normalen Ablauf eines Grand-Prix-Wochenendes. "Das ist jedes Mal sehr intensiv, da ist immer Adrenalin und Wettkampf drin", sagt er. Doch selbst das will er nicht als negativen Druck sehen. "Genau deswegen fahre ich ja. Ich brauche diesen Wettkampf und die Herausforderung. Und ich möchte auch hier versuchen, alle zu schlagen."

Keine Versagensängste

Alle schlagen? Obwohl ihm Platz drei schon reichen würde? "Ja, ich fahre auf Sieg", bestätigt der Mercedes-Pilot. Angst vor dem Versagen habe er keine. "Warum Angst? Das ist eine Mega-Situation. Warum soll ich da Angst haben?", gibt er sich verblüfft. "Das wäre nicht die gute mentale Ausrichtung."

Er ist davon überzeugt, dass diese Versagensängste auch zehn Sekunden vor dem Start nicht aufkommen werden. "Und ich kenne mich sehr gut, denn durch diesen Sport lernst du dich sehr gut kennen."

Rosberg: Hamiltons Erfolgswelle spielt keine Rolle

In seiner langen Karriere musste Rosberg aber auch einige Tiefschläge hinnehmen - vor allem im Duell mit Hamilton, der sich immer wieder als der abgezocktere und talentiertere Fahrer herausgestellt hat. Und der derzeit auf einer Erfolgswelle schwimmt, die vergangenen drei Rennen gewonnen hat.

"Darüber denke ich nicht nach", will Rosberg einmal mehr ja keine negativen Gedanken an sich heranlassen. "Das haben wir ja schon so oft gesehen: Wir gehen hinein in ein Wochenende, und das kann so oder so gehen. Das ist so ein schmaler Grat zwischen uns. Wenn ich besser durch das Freie Training komme und ein gutes Qualifying erwische, dann gewinne ich wieder."

Auch von dem Gedanken, Rosberg sei vor dem Titelfinale mental in einer schwierigeren Situation als Hamilton, weil dieser ja nur auf Sieg fahren müsse, während der Wiesbadener viel zu verlieren habe, hält er nicht viel. "Natürlich ist es besser, vor dem letzten Rennen mehr Punkte zu haben als weniger. Das fühlt sich klarerweise besser an. Da muss ich nur an 2014 denken."

Karrieretiefpunkte als Erfolgsursache

Damals verlor Rosberg beim Saisonfinale in Abu Dhabi trotz der Pole-Position, weil er 17 WM-Punkte Rückstand auf seinen Rivalen hatte. Doch selbst diese Niederlage wertet er heute positiv: "Es hilft klarerweise, dass ich diesen WM-Fight im letzten Rennen schon mal erlebt habe. Dadurch bin ich jetzt viel entspannter."

Als bisherigen Karrieretiefpunkt sieht er Abu Dhabi 2014 nicht: "Es war ein harter Moment, ja. Aber das gibt es in jeder Karriere." Und genau diese schwierigen Phasen sieht Rosberg heute als Grund dafür, dass er als WM-Leader in das Titelfinale geht. Er nennt den US-Grand-Prix des Vorjahres als Beispiel, als er beim Start von Hamilton von der Strecke gerempelt wurde, die Führung zurückerkämpft, aber den Sieg und damit auch den Titel durch einen Fahrfehler verloren hatte. Und dann vor der Siegerehrung durch Hamiltons Kappenwurf gedemütigt wurde.

"Ich habe mir damals sehr viele Gedanken gemacht. So etwas wie in Austin wollte ich nicht noch einmal erleben", blickt er zurück. "Danach habe ich sieben Rennen in Folge gewonnen." Austin war nicht der Schlüsselmoment, meint Rosberg. "Ich sitze heute hier dank aller schwierigen Momente. Sie alle haben mich stärker gemacht. Wenn alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier."

Kein Mentaltrainer

Klingt alles so, als hätte Rosberg noch einmal Sonderstunden bei einem Mentaltrainer genommen, um sich für Abu Dhabi richtig auszurichten. Doch der Mercedes-Pilot verneint, dass er sich mental von einem Spezialisten beraten lässt. "Ich verlasse mich da eher auf mein Bauchgefühl", sagt er. "Das fühlt sich gut an."

Dennoch habe er Interesse an mentalen Tricks: "Ich interessiere mich für alles, wo ich mich steigern kann. Ich versuche mich immer weiter zu verbessern, versuche, aus schwierigen Momenten zu lernen. Daher ist das eine Richtung, die ich jetzt bei meiner Herangehensweise an meinen Wochenenden eingeschlagen habe, die sich für mich richtig gut anfühlt." Man darf gespannt sein, ob sie Rosberg auch den größten Triumph seiner bisherigen Karriere bescheren wird...

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