"Verdient": Brawn würde Nico Rosberg den Titel eher gönnen

, 05.11.2016

Ross Brawn würde lieber Nico Rosberg als neuen Weltmeister sehen und findet, dass beide den Titel verdient hätten, auch wenn Rosberg langsamer als Hamilton sei

Der WM-Titel in der Formel 1 wird 2016 in den letzten beiden Rennen zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton entschieden. Aktuell hat Rosberg die Nase vorne und könnte mit einem Sieg in Brasilien die Entscheidung herbeiführen. Hamilton muss wie zuletzt in Austin und Mexiko-Stadt auf Angriff fahren und hoffen, dass Rosberg hinter ihm Probleme mit der Technik oder den Konkurrenten bekommt.

Denn Probleme hatte der Brite in dieser Saison selbst genug. Zu Beginn des Jahres musste er einige Strafversetzungen aufgrund technischer Probleme in Kauf nehmen, in Malaysia verlor er durch einen Motorschaden in Führung liegend 25 wertvolle Zähler. Aus diesem Grund gibt es einige, die Hamilton für den verdienteren Weltmeister halten, doch laut Ross Brawn gelte das für beide. "Das Großartige an diesem Jahr ist: Wer auch immer gewinnt, hat es verdient", so der Brite gegenüber 'BBC'.

Könnte sich Brawn in dieser Saison aussuchen, wem er den Titel mehr gönnen würde, dann wäre das der Deutsche: "Aus emotionalen Gründen würde ich Nico gerne als Meister sehen, weil er so eine kleine, harte Nuss ist und von Lewis immer fertig gemacht wurde", sagt Brawn, der als Mercedes-Teamchef vier Jahre lang mit Rosberg zusammengearbeitet hatte. Außerdem sei es nur fair, wenn Hamilton nach den beiden Weltmeisterschaften 2014 und 2015 in diesem Jahr Rosberg den Vortritt lässt. "Aber so läuft das Leben nicht", weiß Brawn.

Brawn: "Lewis ist der bessere Fahrer"

Würde die WM nach Talent vergeben werden, dann käme man nicht um Hamilton herum: "Lewis ist der bessere Fahrer. Er ist etwas schneller als Nico", urteilt Brawn, bewundert Rosberg aber für dessen Hartnäckigkeit, mit der er seine Schwächen kompensieren kann. Brawn ist sich sicher, dass Rosberg weiß, dass Hamilton ihn an einem normalen Tag wohl besiegen würde. "Er würde das sicherlich abstreiten, wenn ich mit ihm darüber reden würde - aber das ist meine Wahrnehmung", sagt er.

Dafür verdiene der Wiesbadener Respekt, weil er sich trotzdem immer wieder zurückkämpft und einen Weg findet, wie er gewinnen kann. "Das ist bewundernswert", lobt Brawn. "Nico holt ein wenig mehr aus dem Auto und dem Team und verbringt mehr Zeit damit, in den Daten zu lesen. Er findet die ausgleichende Performance irgendwo, weil er weiß, dass er sie benötigt", so der Brite. "Er ist in seinem Kopf davon überzeugt, dass er es schaffen kann." Darum sei auch Rosberg ein verdienter Meister, sollte er den Titel gewinnen.

Das Argument Technikpech lässt Brawn bei Hamilton nicht als Ausrede gelten: "Zuverlässigkeit kommt und geht bei jedem Fahrer. Du musst akzeptieren, dass es ein Teil des Geschäfts ist", urteilt er und sieht die Balance auf der Strecke je nach Situation schwanken. Denn weil ihn das Technikpech öfter erwischt, pusht Hamilton härter und ergreift mehr Chancen. "Wenn das Auto dich im Stich lässt, dann musst du mehr Punkte gutmachen und fährst ein wenig anders. Wenn du einen Vorsprung hast, dann fährst du konservativer", so Brawn.

Jeder hätte den Titel verdient

"Es ist eine ziemlich komplexe Dynamik, die da vor sich geht", meint der Brite weiter und ist schon gespannt, wie der Kampf zwischen den beiden völlig unterschiedlichen Dynamiken und Menschen am Ende ausgehen wird. Auch wenn er Rosberg den Titel ein wenig mehr gönnt, kann er am Ende mit beiden Titelträgern leben. "Jeder hätte es verdient", so sein Urteil. "Es wird darauf ankommen, wer sich in den nächsten Rennen durchsetzen kann."

Und hierbei kommt der 61-Jährige um ein Thema nicht umher: Stallorder. Weil Mercedes beide Titel schon sicher hat, können Nico Rosberg und Lewis Hamilton frei um den Titel fahren. Stallorder gab es bislang keine, auch wenn man nach diversen Kollisionen wie in Barcelona oder Spielberg immer wieder mit einer gedroht hatte. Laut Brawn sollte man das auch so beibehalten, denn Stallorder ist für ihn kein glückliches Thema.

Dass es ausgerechnet aus dem Mund Brawns kommt, mag für viele etwas seltsam anmuten. "Ich habe den Ruf, dass ich ein wenig in das Rennen eingreife", weiß er angesichts seiner Ferrari-Zeit, in der Rubens Barrichello oder Eddie Irvine die klare Nummer 2 hinter Michael Schumacher waren und sogar Siege abschenken mussten, wie beim berühmten Rennen in Spielberg 2002, als Schumi zum Wohle der WM auf der Ziellinie vorbeifahren durfte.

Brawn gegen teaminterne Stallorder

"Ich weiß, dass es ein paar Vorfälle gab, in denen wir Teamorder vorgenommen haben. Es war auch negativ für das Team, nicht nur für den Sport", gibt Brawn, der damals als Technikchef angestellt war, heute zu. Denn die Atmosphäre sei nach solchen Vorfällen im Team negativ gewesen - ähnlich wie es wohl bei Mercedes sein würde, wenn man Rosberg oder Hamilton einbremsen würde.

Bei seinem eigenen Team Brawn GP habe er die Sache trotz Titelkampf dann anders angehen können: "Wir hatten eine große Verantwortung, aber wir konnten tun, was wir wollten. Es gab keinen anderen Druck und wir haben Rubens und Jenson (Button; Anm. d. Red.) fahren lassen", sagt er. "Wir haben ihnen vertraut, und darum geht es." Das Vertrauen haben beide damals auf der Strecke zurückbezahlt: Zu einer Kollision zwischen Barrichello und Button kam es nie, Button wurde am Ende Weltmeister.

Bei Mercedes hat es hingegen schon einige Kollisionen gegeben, doch die müsse man in Kauf nehmen, meint Brawn: "Wenn du zwei Fahrer hast, denen du vertraust, dann wird es mal ein Problem geben, das du lösen musst. Dann müssen sie weitermachen dürfen", sagt er. "Sie sind zwei sehr gute Rennfahrer, aber es gibt mal eine Kollision. Aber du lebst damit zum Wohle des Teams und des Sports."

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