Hamiltons Start-Abkürzer in Mexiko: Wieso es keine Strafe gab

, 05.11.2016

Laut der FIA sprachen ihn ein Lupfer, kabbelnde Konkurrenten und das Safety-Car frei - Andere Piloten reagieren mit Unverständnis: "Hätte eine Strafe verdient"

Es war eine Aktion mit dem berühmten "Geschmäckle". Als Lewis Hamilton sich in der Startkurve des Mexiko-Grand-Prix heftig verbremste, statt durch die ersten zwei Knicks geradewegs durch die Auslaufzone brauste und trotzdem als souveräner Führender wieder auf den Asphalt kam, sah alles nach einer Strafe für den Mercedes-Star aus. Pustekuchen! Die Rennleitung untersuchte den Vorfall nicht einmal - zum Unverständnis vieler Fahrerkollegen, aber angeblich aus einem gutem Grund.

Nico Hülkenberg erkennt diese Argumente nicht: "Das war merkwürdig", schüttelt der Force-India-Fahrer den Kopf. "Wenn das kein Vorteil war, weiß ich nicht, was es sonst sein soll." Denn wer sich durch das Verlassen der Bahn einen solchen verschafft, wird bestraft. Sagen zumindest das Sportliche Reglement und auch Daniel Ricciardo: "Lewis hätte eine Strafe verdient", poltert der Australier. Rennleiter Charlie Whiting allerdings winkt gegebüber 'auto motor und sport' nur ab.

Der Brite findet: "Hamilton hatte keinen nachhaltigen Vorteil durch das Abkürzen. Er lag klar vor Rosberg und Verstappen und kam genauso klar vor ihnen wieder raus." Es geht also nicht um den Vorteil an sich, sondern darum, inwiefern er nach der Aktion Bestand hat. Es kam dem Angeklagten zupass, dass sich seine Kontrahenten gegenseitig von der Bahn schoben und Zeit verloren, was es ihm erlaubte, in der Auslaufzone und nach der Rückkehr auf den Kurs etwas Gas wegzunehmen, ohne seine Position zu riskieren. "Hamilton wäre so oder so in Führung geblieben", so Whiting.

Mehr Toleranz beim Start? Für Ricciardo ist das Ironie pur

Alexander Wurz bezweifelt das nicht, pocht aber auf den Abstand zwischen dem Weltmeister und dem Rest des Feldes: "Am Kurveneingang hatte er zehn Meter Vorsprung, am Ausgang schon 30. Ein klarer Vorteil", moniert der Chef der Fahrervereinigung GPDA im 'ORF'. Weil kurz darauf das Safety-Car auf die Strecke kam, verpuffte er und die FIA sah sich nicht mehr gezwungen, die Szene nochmals anzuschauen. "Ich hätte den Fall untersucht. Ich hätte nichts unternommen", findet Wurz.

Ein Warnschuss also. Der Grund weiterer dafür, dass Hamilton nicht bestraft wurde, war laut TV-Experte Martin Brundle auch das in der ersten Kurve häufig vorherrschende Tohubwabohu. Bei konsequenter Regelauslegung gäbe es bei fast jedem Rennen einen Strafenhagel. "Die Kommissare lassen daher Spielraum bei diesem Wahnsinn", schreibt der Ex-Pilot in seiner Kolumne für 'Sky Sports F1'. Die Toleranz hätte Hamilton ausgenutzt, sie aber nicht überstrapaziert, findet Brundle.

Für Daniel Ricciardo wird andersherum ein Schuh draus: "Es war die erste Runde und damit ein entscheidender Zeitpunkt, um so einen Fehler zu machen. Dafür sollte man den Preis zahlen", sagt er. Auch Nico Hülkenberg wittert eine "aufgeweichte Regel" und ärgert sich darüber, dass Hamilton im Anschluss an das Rennen eine fadenscheinige Ausrede fand, um sein Manöver zu rechtfertigen: "Wenn die Bremse glasig gewesen wäre, wäre sie es für den Rest des Rennens auch gewesen. Ich wäre überrascht, wenn er damit gewonnen hätte", zieht der Emmericher die Augenbrauen hoch.

Für die Brundle-These von Nachsicht beim Start spricht: Das neue Enfant terrible Max Verstappen wurde im späteren Verlauf des Rennens für eine ähnliche Aktion gegen Sebastian Vettel sanktioniert. Christian Horner ist nach der Fünf-Sekunden-Buße fassungslos und stellt eine berechtigte Frage: "Wieso bitte war Max' Aktion irgendwie anders als das, was Lewis gemacht hat?" Whiting antwortet: "Er konnte sich gegen Vettel nur verteidigen, indem er so spät gebremst und abgekürzt hat. Hätte Max so gebremst, dass er die Kurve geschafft hätte, wäre Vettel vorbei gewesen."

Reden, Reden, Reden: Kwjat genervt von Fahrerbesprechungen

Rosberg hätte es aber nicht vorbei an Hamilton geschafft, weil ihn die Kabbelei mit Verstappen Zeit kostete. Ist das ein bisschen zu viel Konjunktiv für den Motorsport? "Ich weiß nicht, was da der Unterschied zu Lewis' Manöver war", kratzt sich Ricciardo am Kopf und wünscht eindeutige Lösungen für die Zukunft: "Ich bin Fan von Kiesbetten, weil sie eine echte Barriere sind. Sogar wenn man schnell durchkommt hat man Steinchen in den Kühlern und an den Reifen."

Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz plädiert für eine klarere und stringentere Handhabung durch die Offiziellen und für weniger Ermessensspielraum: "Menschen sind nunmal Menschen. Sie haben unterschiedliche Meinungen", gesteht der Spanier den FIA-Schiedsrichtern, die von Grand Prix zu Grand Prix ausgetauscht werden, zu. "Aber wir müssen wissen, was die Rennleitung über solche Vorfälle denkt. Derzeit haben wir keine Ahnung, ob es einen Freispruch oder eine Strafe gibt."

Das Thema im Fahrerbriefing von Sao Paulo auf die Tagesordnung zu bringen, ist Daniil Kwjat zu müßig: "In solchen Briefings wird doch nur geredet, geredet und geredet. Es ist langweilig und Zeitverschwendung" Jeder spricht darüber und was ist das Resultat? Es ist immer dasselbe!", flucht der Russe. Ihm wäre es lieber, stünden ganz nach dem Wunsch Bernie Ecclestones bald Mauern am Fahrbahnrand.

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