Warum Lewis Hamilton kein Sabotageopfer sein kann

, 03.10.2016

"Wie im Casino": Formel-1-Experte Martin Brundle erklärt, warum Sabotage von Lewis Hamiltons Mercedes unwahrscheinlich ist

Die von Lewis Hamilton angedeuteten Verschwörungstheorien, dass er gezielt sabotiert werden könnte, weil sich Mercedes im dritten Erfolgsjahr endlich einen deutschen Weltmeister wünscht, sind laut Formel-1-Experte Martin Brundle hausgemachter Unsinn. Hamilton hat seine ersten Aussagen nach dem Motorschaden beim Grand Prix von Malaysia zwar inzwischen revidiert, aber ein Geschmäckle bleibt bei solchen Anschuldigungen fast immer hängen.

Brundle ist zwischen 1984 und 1996 für Teams wie Tyrrell, Brabham, Benetton, McLaren und Jordan Formel 1 gefahren und gilt heute als einer der kompetentesten Experten im Paddock. Genau wie auch 'Motorsport-Total.com' hat er die Mercedes-Motorenfabrik in Brixworth schon persönlich besucht. "Aber die Abteilung für kontrollierte Zerstörung von spezifischen Motoren haben sie mir da nicht gezeigt", schreibt er in seiner Kolumne für 'Sky Sports'.

"Stellen wir uns einfach ein Geheimversteck im Stile von James Bond vor, irgendwo in den deutschen Bergen. Dort hat jemand einen roten Knopf vor sich, den er drücken kann, sobald Hamilton ein bisschen zu gut aussieht. Der Haken daran ist: Von der Box zum Auto können keine Daten gesendet werden, nur andersrum. Das heißt, dass man Lewis anweisen müsste, selbst irgendeinen Knopf zu drücken", führt Brundle die Verschwörungstheorien ad absurdum.

Zu viele Eingeweihte für eine Geheimhaltung

Wäre theoretisch noch eine versteckte Software denkbar, die zu einem vorher programmierten Zeitpunkt einen Mechanismus auslöst, der zu einem Motorschaden führt. Aber: "Alle Autos werden durch die Standard-Elektronikeinheiten der FIA gesteuert, die von McLaren zur Verfügung gestellt werden. Die FIA hat Zugriff auf alle Daten", erklärt Brundle. Und selbst wenn Sabotage technisch irgendwie doch möglich wäre, wäre sie wohl kaum geheim zu halten.

Denn: "Mehrere Menschen müssten eingeweiht sein, und wenn sie dann irgendwann gehen oder gefeuert werden, dann werden sie oft wütend. Außerdem kann der Alkohol gesprächig machen, 'ganz im Vertrauen' natürlich. Irgendwie würde es zum Vorschein kommen, und dann würde all die gute Arbeit in einer weltweiten Empörung ersticken, gefolgt von einer Lawine rechtlicher Schritte von Konkurrenten, Wettgeschädigten und allen, die einem sonst so einfallen."

"Wenn Mercedes wirklich auf diese Weise internationale Sportergebnisse manipulieren würde, dann wäre das gleichzusetzen mit den Dopingskandalen bei Olympischen Spielen oder Volkswagens 'Diesel-gate'", schreibt der 57-Jährige und kommt daher zu dem Schluss: "Lewis hat einfach grausames Pech." Oder, wie es Mercedes-Sportchef Toto Wolff im 'ORF' ausdrückt: "Es ist crazy. Es ist wie im Casino, wenn sechsmal hintereinander Rot kommt - es hat immer wieder ihn getroffen."

Hamilton 2016 mit Rosbergs Mechanikern

Dass Hamilton in der ersten Emotion mit Verschwörungstheorien kokettierte, nimmt ihm das Team nicht übel: "Nach so einem frustrierenden Ereignis ist jede Aussage erlaubt. Das ist okay für uns. Ihm klebt dieses Jahr halt wirklich das Pech an den Händen", zeigt Wolff Verständnis. Bereits vor Malaysia hatte Hamilton zwischen den Zeilen Kritik daran geäußert, dass die Mechaniker im Winter gewechselt wurden. Er arbeitet 2016 mit jener Crew, die 2014 und 2015 noch für Nico Rosberg geschraubt hat.

Nach dem Rennen in Sepang herrschte zunächst Konfusion. Hamilton sagte nach den verpflichtenden TV-Interviews erst das übliche Briefing mit den schreibenden Journalisten ab. Anschließend traf er sich mit dem Teammanagement zu einer Aussprache, um sich letztendlich doch wie immer den Medien zu stellen. Dort relativierte er seine Verschwörungstheorien und stellte sich demonstrativ hinter das Team.

Wolff lobt sportlich fairen Hamilton

Wolff lobt Hamiltons Umgang mit der für ihn schwierigen Situation: "Nach der ersten Emotion war er ganz gut. Wir haben uns mit dem Team zusammengesetzt. Zuerst mit ihm alleine. Er hat gesagt: 'Wie kann das sein?' Dann kamen alle Mechaniker und Ingenieure dazu, und da hat er wirklich genau die richtigen Worte gefunden und das Team wieder aufgebaut."

"Wir haben uns zusammengesetzt und haben gesagt: 'Versuchen wir, eine rationale Erklärung zu finden.' Es sind immer andere Teile. Da hat niemand seine Finger im Spiel. Und er hat gesagt: 'Ja, aber verstehst du? Es ist so arg dieses Jahr, wie es mir geht. Ich kann's mir nicht anders erklären. Das muss schlechtes Karma sein, was auch immer.' Aber es gibt keine Erklärung", sagt Wolff. "Wir tun unseren besten Job, beiden gleichwertiges Material zu geben, und in diesem Jahr geht's eben gegen ihn."

Von den drei neuen Antriebseinheiten, die Hamilton in Spa-Francorchamps in seinen Pool für die Saison 2016 gezogen hat, sind noch zwei übrig. "Sie müssen hoffen", wirft Brundle ein, "dass es kein Problem mit der gesamten Produktionstranche ist. Sonst ist der ebenfalls in Spa in den Pool gezogene Motor eine weitere Handgranate. Und dann drohen noch mehr Motorenstrafen..."

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