Audi RS e-tron GT Test: 646 PS unter der Tarnung

, 19.11.2020


475 kW/646 PS und von 0 auf 100 km/h in unter 3,5 Sekunden: Der neue Audi RS e-tron GT ist der bislang stärkste Serien-RS aller Zeiten und kommt ab Frühjahr 2021 auf den Markt. Es handelt sich zudem um das erste Elektroauto, das ein „RS“-Badge trägt. Bei vielen kommt der Gedanke auf, der Audi RS e-tron GT sei nur ein Porsche Taycan, da sich beide E-Autos die gleiche Plattform teilen. Doch weit gefehlt: Beim Fahren lassen sich die unterschiedlichen Ausrichtungen und beim Audi ein anderer, sehr attraktiver Charakter erkennen. Was genau den Performance-Stromer von Audi auszeichnet und wie er sich fährt, zeigt der Audi RS e-tron GT Test, für den uns zu diesem frühen Zeitpunkt ein seriennaher Prototyp zur Verfügung stand.

Flach und breit kauert der Audi RS e-tron GT auf dem Asphalt und strahlt bereits im Stand jede Menge Dynamik aus. Der Performance-Stromer ist 4,990 Meter lang, 1,958 Meter breit und nur 1,405 Meter hoch, ergo eine ähnliche Größe wie der aktuelle Audi A7. Den Radstand geben die Macher mit großzügigen 2,988 Metern an, was sich positiv auf die Platzverhältnisse im Innenraum auswirkt. Nur etwa 40 Prozent Gleichteile besitzt der Audi e-tron GT mit dem Porsche Taycan.

Unter der Tarnfolie des Prototypen stechen bereits markante Design-Merkmale hervor. An der Front Audi RS e-tron GT sticht der markentypische Singleframe hervor, während große Lufteinlässe in der Front zu einer wirkungsvollen Kühlung von Elektromotoren, Batterie und Bremsen beitragen. Scharf gezeichnete Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laserlicht unterstreichen den angriffslustigen Look zusätzlich.

Die Seitenansicht des viertürigen Coupés prägen derweil die weit nach hinten gezogene, stylisch abfallende Dachlinie, die nach hinten eingezogene Kabine, die betonten Radläufe und die ausgeprägten Seitenschweller. Am Heck fallen sofort der mächtige Diffusor und ein über die gesamte Breite verlaufendes Leuchtenband ins Auge, das in keilförmige LED-Segmente übergeht.

Antrieb Audi RS e-tron GT: So schnell wie ein Supersportwagen

Das Fahrpedal im Stand voll durchgedrückt, spurtet der Audi RS e-tron GT brachial nach vorne. Die Kraft der zwei E-Maschinen ist enorm und drückt die Insassen regelrecht in die Sitze. Immerhin beträgt die Systemleistung 440 kW/598 PS. Dazu kommt ein maximales Drehmoment von 830 Nm. Mit Overboost steigt die Leistung bei aktivierter Launch Control sogar auf 475 kW/646 PS, während das Maximaldrehmoment auch im Boost gleich bleibt. Weniger als 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h - das ist so schnell wie ein Audi R8 V10, der mit 570 PS nur 3,4 Sekunden benötigt. Erst bei einer Höchstgeschwindigkeit von elektronisch limitierten 250 km/h endet der gewaltige Vortrieb des elektrischen RS-Modells.

Verantwortlich für die atemberaubende Geschwindigkeit sind zwei Synchronmaschinen - eine an jeder Achse und damit ein Allradantrieb. Mehrere Beschleunigungsvorgänge hintereinander sind problemlos möglich. An der Vorderachse befindet sich ein Elektromotor mit 175 kW/238 PS und hinten mit 335 kW/456 PS. Die Kraftübertragung erfolgt derweil über eine 2-Gang-Automatik: Den ersten Gang übersetzten die Macher für die maximale Beschleunigung kurz, den zweiten Gang hingegen lang für eine hohe Effizienz. Hintergrund: die bei Elektroautos meist typischen 1-Gang-Getriebe bieten zu wenig Performance beim Anfahren.

Wem die geräuschlose Beschleunigung zu charakterlos erscheint, kann einen futuristischen Sound wählen, der an eine Turbine erinnert. Die Lautstärke steigt und fällt abhängig davon, wie stark das Fahrpedal durchgedrückt wird. Der Klang: ansprechend, nicht laut, sondern schön moderat.

Audi RS e-tron GT bietet mehr Komfort als der Porsche Taycan

Während Porsche den Taycan als High-Performance-Limousine positionierte, handelt es sich beim Audi RS e-tron GT mehr um einen Grand Tourer (GT), also weniger Sportwagen und dafür mehr Komfort. Um dem e-tron GT einen eigenen Charakter zu verleihen, spendierten die Macher dem Audi eine adaptive Luftfederung mit 3-Kammer-Technologie, die eine weiche Grundfederung bietet und zugleich die Karosserie auf unterschiedliche Höhenniveaus einstellen kann.

Im „Efficiency“-Modus senkt das System die Karosserie um insgesamt 22 Millimeter ab, reduziert auf diese Weise den Luftwiderstand und maximiert dadurch die Reichweite. Darüber hinaus steht eine Lift-Funktion zur Verfügung, welche die Karosserie um 20 Millimeter anhebt, um zum Beispiel die Gefahr des Aufsetzens bei Bordsteinen, Rampen oder Garageneinfahrten zu vermindern.

Der Unterschied zum Porsche Taycan lässt sich spüren: Für ein RS-Modell stimmte Audi die Dämpfer, die Straßenunebenheiten grandios absorbieren, überraschend weich ab - insbesondere im Vergleich zum straffer ausgelegten Taycan.

Purer Fahrspaß: Wie sich der Audi RS e-tron GT zum Sportwagen verwandelt

Wer den „Dynamic“-Modus wählt, weckt die sportliche Seite des Audi RS e-tron GT, die sich unter anderem auf das Ansprechverhalten des Antriebs, die Gewichtung der Lenkung, die Dämpfung, die Kraftverteilung des Allradsystems, die Trimmlage und die Quersperre auswirkt. Darüber hinaus senkt der Audi RS e-tron GT im sportlichen „Dynamic“-Modus die Karosserie um 10 Millimeter ab.

Für ein ausgewogenes Fahren verwendet der Audi RS e-tron GT im „Comfort“-Modus standardmäßig den länger übersetzten zweiten Gang. Im „Dynamic“-Modus startet der Performance-Stromer allerdings für die maximale Leistung und Beschleunigung mit dem kürzer übersetzten ersten Gang. Bei ca. 80 km/h folgt der Wechsel in den zweiten Gang mit einem mitreißenden Ruck. Aber es ist nicht nur der imposante Schub: Ohne Fahrer wiegt der Audi RS e-tron GT rund 2,3 Tonnen - und dennoch schafft es dieses Elektroauto, sein wahres Gewicht sogar auf kurvigen Straßen zu kaschieren. Dieses Auto fühlt sich einfach leichter an.

Im Audi RS e-tron GT sitzt der Fahrer nur wenige Zentimeter über dem Asphalt. Zudem platzierten die Macher die Batterie im Unterboden des Fahrzeugs, was sich durch den daraus resultierenden tiefen Schwerpunkt positiv auf das Handling auswirkt. Egal, wie aggressiv das Fahrpedal durchgedrückt wird: der RS e-tron GT besitzt durch den voll variablen Allradantrieb mit einem elektronischen Differential an der Hinterachse jede Menge Traktion, lässt keinen Schlupf zu und ermöglicht dank des fabelhaften Grips hohe Kurvengeschwindigkeiten.

Mehr noch: Der Audi RS e-tron ist zweifellos ein großes Auto, fühlt sich in Kurven jedoch dank der Hinterachslenkung kompakter und ziemlich agil an. In engen Kurven schlagen die Vorder- und die Hinterräder gegenläufig ein, so dass sich der Radstand virtuell verkürzt. Die Folge: der RS e-tron GT wird noch wendiger. Bei höheren Geschwindigkeiten lenkt das System die Hinterräder in die gleiche Richtung wie die eingeschlagenen Vorderräder, um die Fahrstabilität zu erhöhen, zum Beispiel beim Überholen.

Fahrverhalten Audi RS e-tron GT: Die feinen Unterschiede zum Porsche Taycan

Überhaupt fällt auf, wie einfach sich der Audi RS e-tron GT schnell und stabil durch Kurven fahren lässt. Hinzu kommt die gut gewichtete und sehr präzise Lenkung. Auch hier gibt es einen Unterschied zum Porsche Taycan, dessen Fahrverhalten noch schärfer, aber auch straffer ausgerichtet ist. Derweil absorbiert beim Audi RS e-tron GT die adaptive, etwas komfortabler ausgelegte Luftfederung selbst im „Dynamic“-Modus die Straßenunebenheiten souverän. Im Gegensatz zum Porsche Taycan, muss der Audi RS e-tron GT ohne Wankstabilisierung auskommen. Kein Problem: Audi schaffte es dennoch, die Neigung des Fahrzeugs auf ein Minimum zu reduzieren, indem sich die Federn und Dämpfer in Kurven zielgerichtet straffen.

Das One-Pedal-Feeling mit dem starken elektrischen Bremsen, wie es oft andere E-Autos besitzen, gibt es beim e-tron GT nicht. Stattdessen muss der Fahrer, wie bei einem Auto mit Benzin- oder Dieselmotor, regelmäßig die Bremse drücken, was zu einem natürlichen Bremsgefühl beiträgt. Was ebenso wichtig ist: Der Performance-Stromer lässt sich sowohl aus langsamen als auch hohen Geschwindigkeiten einfach und präzise abbremsen.

Reichweite Audi RS e-tron GT: Über 400 Kilometer und schnell geladen

Die Reichweite des Audi RS e-tron GT soll nach dem realitätsnahen WLTP-Zyklus über 400 Kilometer betragen. Dazu verbauen die Macher eine Batterie mit einem Brutto-Energiegehalt von 93,4 kWh (netto 85,9 kWh). Mit dieser großen Batteriekapazität ist dieser Performance-Stromer sogar für hohe Reichweiten bei kalten Temperaturen gewappnet.

Ist die Batterie fast leer, lässt sich diese mit einer Ladeleistung von bis zu 270 kW aufladen. So beträgt die Ladezeit des Akkus von 5 bis 80 Prozent an einer Schnellladesäule mit 270 kW Gleichstrom (DC) nur 22,5 Minuten bei optimalen Bedingungen. In gut 5 Minuten erhält der Audi RS e-tron GT an einer Schnellladesäule Energie für bis zu 100 Kilometer Reichweite.

Innenraum Audi RS e-tron GT: Fußgaragen für ein Plus an Komfort

Im Innenraum des Audi RS e-tron GT Prototypen sind das Armaturenbrett und die Mittelkonsole noch komplett abgedeckt. Die gefahrene Geschwindigkeit zeigt ein Head-up-Display an, das durch eine scharfe Grafik besticht. Was sich ebenfalls bereits sagen lässt: Die bestens konturierten Schalensitze vorne bieten viel Seitenhalt bei sportlicher Fahrweise und einen hohen Komfort. Auch nach einer mehrstündigen Fahrt steigt jeder entspannt aus.

Vorne sitzen im Audi RS e-tron GT locker zwei Meter große Personen bequem. Auf den Rücksitzen können trotz der abfallenden Dachlinie noch 1,80 Meter große Passagiere angenehm Platz nehmen. Die vom Porsche Taycan bekannten Fußgaragen, quasi Aussparungen in der Batterie im hinteren Fußraum, sorgen für ein Plus an Annehmlichkeit im Fond.

Audi RS e-tron GT - Fazit und Preis:

Extrem spurtstark, sehr agil und zugleich ein luxuriöser Grand Tourer: Der Audi RS e-tron GT überträgt mit Bravour den sportlichen RS-Charakter in das elektrische Zeitalter. Während der Porsche Taycan Turbo ein noch schärferes Fahrverhalten besitzt, setzt Audi auf mehr Komfort. Auf den Markt kommt der Audi RS e-tron GT ab Frühjahr 2021 zu einem Preis von etwa 138.000 Euro. Damit ist der Audi RS e-tron GT circa 15.000 Euro günstiger als der Porsche Taycan Turbo.

Technische Daten Audi RS e-tron GT Prototyp:

Länge x Breite x Höhe: 4,990 x 1,958 x 1,405 Meter
Radstand: 2,988 Meter
Antriebsart: elektrischer Allradantrieb
Leistung: 440 kW/598 PS
Overboost-Leistung bei Launch Control: 475 kW/646 PS
Maximales Drehmoment: 830 Nm
Getriebeart: 2-Gang-Getriebe
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (elektronisch limitiert)
Beschleunigung 0-100 km/h: unter 3,5 Sekunden
Brutto-Batteriekapazität: 93,4 kWh
Netto-Batteriekapazität: 85,9 kWh
Reichweite (WLTP): über 400 Kilometer
Preis Serienversion: etwa 138.000 EUR

Jetzt kommentieren
Jetzt bewerten

Zum Bewerten musst Du registriert und eingeloggt sein.

Weitere Audi-Testberichte

Drei Elektromotoren, mächtige 503 PS und noch einiges mehr: Was der Audi e-tron S Sportback alles bietet und in puncto Fahrspaß drauf hat, testet Christian Brinkmann.

Audi e-tron S Sportback Test: Die neue Version mit 3 Motoren

Dieser Performance-Stromer sieht einfach cool aus: Der Audi e-tron S Sportback gibt bereits optisch ein starkes Statement ab und lässt sich als S-Modell durch besonders sportliche Details am Außendesign …

Ein Biest mit 400 PS: Wo die besonderen Stärken des Audi RS Q3 Sportback liegen, zeigt Christian Brinkmann.

Audi RS Q3 2020 Test: Brutale Performance hat ihren Preis

Das kraftvolle Design , die Angriffslust ins Gesicht gezeichnet und dazu die coupéhaft-abfallende Dachlinie: Andere SUV erblassen regelrecht neben der Optik des Audi RS Q3 Sportback , dem seine Performance …

Ob es der Audi RS Q8 schafft, den Fahrer emotional mitzureißen und auf kurvigen Straßen zu begeistern, testet Christian Brinkmann.

Audi RS Q8 Test: Ein Lamborghini Urus zum kleinen Preis

Bereits auf den ersten Blick weiß das mächtige SUV-Coupé zu beeindrucken: Der Audi RS Q8 ist riesig und zeigt seine Power nach außen, ohne seine sportliche Eleganz zu verlieren. Sofort fällt die aggressiv …

Ein Super-Diesel im Audi S6 Avant! Ob sich dieser Motor als Vorteil entpuppt und wie es um den Fahrspaß steht, testet Christian Brimnkmann.

Audi S6 Avant TDI 2020 Test: Der Super-Diesel zum Sparen

Genau so weiß ein Design für einen Kombi zu beeindrucken: Der Audi S6 Avant TDI besitzt eine klar sportliche Präsenz, aber ohne dabei zu übertreiben. Gegenüber dem herkömmlichen Audi A6 unterstreichen …

Wie der Audi TTS Competition 2019 mit neuen Extras den Puls beschleunigt, testet Christian Brinkmann.

Audi TTS Competition 2019 Test: Die neuen Extras

Optisch unverkennbar, setzt sich der Audi TTS Competition  mit seinen Extras besonders athletisch in Szene. An der Front fallen sofort der scharfe Frontsplitter, die vertikalen Lufteinlässe und das …

Speed Heads - Sportwagen- und Auto-Magazin

Das Auto und Sportwagen Magazin mit täglich aktualisierten Auto News, Motorsport News, Auto Tests, Sportwagen Berichten und der streng geheimen Auto Zukunft. Speed Heads ist die Community für echte Auto-Fans und informiert im Sportwagen Magazin über Neuigkeiten aus der Welt der schnellen Autos.

  • emotiondrive Logo
  • World Car Awards Logo
  • Motorsport Total Logo