Streitpunkt Stallregie: Erlauben, einschränken oder verbieten?

, 16.11.2015

Mercedes zog sich mit seinen Taktikspielen auf dem Nürburgring und in Hockenheim den Unmut von Fans und Konkurrenten zu - Gibt es ab 2016 neue Vereinbarungen?

Es war gegen Ende der Saison 2015 das vielleicht am meisten gefürchtete Wort im DTM-Fahrerlager: Stallregie. Bereits am vorletzten Rennwochenende des Jahres auf dem Nürburgring wurde das Thema zu einem großen Streitpunkt zwischen Audi und Mercedes. Pascal Wehrlein, Titelkandidat der Stuttgarter, wurde dort von einigen seiner Kollegen vorbeigewunken. "Wir hatten eine klare Absprache, dass wir sauberen Sport bieten wollen", ärgerte sich Audis DTM-Rennleiter Dieter Gass bereits damals.

Auch beim Saisonfinale auf dem Hockenheimring setzte sich das Spielchen fort. Immer wieder im Mittelpunkt: Rookie Maximilian Götz, der gleich mehrere Male deutlich verlangsamte, um Wehrlein herankommen und überholen zu lassen. Nicht nur bei der Konkurrenz kam das nicht gut an, auch viele Fans und Experten wollten dieses Vorgehen von Mercedes nicht gutheißen.

Mercedes-DTM-Rennleiter Ulrich Fritz erklärt: "In der DTM hast du acht Fahrzeuge (pro Hersteller; Anm. d. Red.) im Rennen. Dementsprechend hast du mehr Möglichkeiten, ein Rennen zu beeinflussen, als es mit zwei Autos in der Formel 1 der Fall ist. Und das Wichtigste: Du fährst gegen acht beziehungsweise 16 andere. Von daher ist das sicher in der DTM ein größeres Thema."

"Wir haben das gemacht, weil wir als Team gewinnen und als Team verlieren", erklärt Fritz im Hinblick auf das Vorgehen auf dem Nürburgring, das die Diskussionen auslöste. Wäre es also die einfachste Lösung, die Stallregie in der DTM einfach zu verbieten? "Das kann man ja nicht", weiß Audi-Rennleiter Gass und erklärt: "Das ist halt so ein Thema, das man gar nicht nachweisen kann, außer es wird ein Funkspruch gemacht."

"Es lässt sich nicht verhindern"

"Das lässt sich eigentlich nicht eliminieren. Wenn ich auf das letzte Rennen in der Saison zukomme und zwei Markenkollegen fahren hintereinander, von denen nur einer Chancen auf die Meisterschaft hat, dann ist vielleicht der eine oder andere Fahrer auch von sich aus so intelligent, dass er den Meisterschaftskandidaten vorbeiwinkt. Wer will dann beurteilen, ob das eine Stallregie war oder nicht?"

"Darum geht es ja auch letztendlich gar nicht", stellt Gass allerdings klar und erklärt: "Solche Sachen kann man gar nicht verhindern. Man kann allerdings verhindern, dass man Autos verlangsamt, um andere heranfahren zu lassen und sie dann überholen zu lassen." Denn dem Audi-Rennleiter stieß vor allem sauer auf, dass Götz auf dem Nürburgring sein Tempo gleich um mehrere Sekunden verlangsamte.

"Wenn man eine gute Variante finden will, dann muss man sich zusammensetzen und sich überlegen, wie so etwas kontrollierbar ist", sagt Fritz, der durchaus zu Gesprächen bereit ist. Allerdings warnt er auch: "Es bringt nichts, wenn ich sage, dass ich die Fahrer ab einer bestimmten Sekundenzahl nicht mehr tauschen lassen will. Das würde dann dafür sorgen, dass die Fahrer einfach nicht mehr wegfahren".

Götz rechtfertigt taktische Fahrweise

Und was sagen die beteiligten Piloten selbst? "Am Nürburgring war es ein Wochenende, wo ich den Teamplayer gespielt habe. Darüber brauchen wir nicht diskutieren", sagt Götz und erklärt: "Wenn einer hinter dir auftaucht, der um die Meisterschaft kämpft, und du weißt, dass jeder Punkt am Ende gut sein kann, und du selbst nicht mehr Druck nach vorne machen kannst, dann überlegst du, was du machst."

"Ich hatte abbauende Reifen und habe Pascal am Nürburgring ziehen lassen. Es ist kein Geheimnis, dass man da versucht zusammenzuarbeiten. Nach dem Wochenende von Pascal am Hockenheimring war es für ihn gut, dass es im Vorfeld so war, weil es sonst für ihn eng geworden wäre. Es kann ganz schnell auch anders ausgehen, von daher zählt jeder Punkt", so Götz.

Letztendlich holte Wehrlein den Titel mit 19 Zählern Vorsprung vor Audi-Pilot Jamie Green. "Aber es war nicht strategisch, sondern auch performancemäßig. Pascal war zwar hinter mir, weil er Pech mit den Boxenstopps hatte, aber er war einfach schneller, und da habe ich ihn ziehen lassen", rechtfertigt sich Götz. Auf die Frage, ob er dadurch den Eindruck habe, auch einen Anteil an Wehrleins Titel zu haben, antwortet er: "Das Gefühl habe ich, ja."

Jetzt kommentieren
Jetzt bewerten

Zum Bewerten musst Du registriert und eingeloggt sein.

Weitere DTM-News

Strahlendes Lächeln: Edoardo Mortara erinnert sich an seinen Spielberg-Sieg

Edoardo Mortara: Sieg in Spielberg "schönste Erinnerung"

Audi-Pilot Eduoardo Mortara spricht im Interview über seine Saison 2015, sein Fazit über das gesamte Jahr, den bevorstehenden Macau-Grand-Prix und den neuen Audi R8 LMS, den er in Le Castellet …

Steigt Esteban Ocon bei Mercedes 2016 zum Stammpiloten in der DTM auf?

Mercedes: Esteban Ocon will 2016 in der DTM fahren

Esteban Ocon gilt bei Mercedes bereits seit einiger Zeit als potenzieller Nachfolger von DTM-Champion Pascal Wehrlein. Sollte der Meister der Saison 2015 im neuen Jahr in die Formel 1 wechseln, würde …

Miguel Molina konnte das Potenzial des Audis nicht immer in Punkte umsetzen

Miguel Molinas Bilanz 2015: "Wäre mehr möglich gewesen"

Mit 54 Punkten hat Audi-Pilot Miguel Molina die DTM-Saison 2015 nur auf dem 17. Platz abgeschlossen. Für den Spanier wäre mehr möglich gewesen, wie der Sieg im zweiten Rennen am …

Ekström war einer von vielen, die Scheider zur Rallye-Cross-WM brachten

Startet Timo Scheider bald wieder in der Rallye-Cross-WM?

Während Timo Scheider auf Seiten der DTM 2015 von der schlimmsten Saison seiner Karriere sprach, verdingte sich der DTM-Champion von 2008 und 2009 abseits der Tourenwagen anderweitig. Nebst Engagement …

Befreiungsschlag: Beim Hockenheim-Sieg konnte Scheider zeigen, was er kann

Timo Scheider über 2015: Schlimmste Saison der Karriere

Phoenix-Audi-Pilot Timo Scheider schloss die DTM-Saison 2015 als 18. der Gesamtwertung ab. Zweifelsohne war das für den Champion von 2008 und 2009 eine Saison zum Vergessen. Wie schlimm es für ihn …

AUCH INTERESSANT
GWM: Bezahlbare Wasserstoffautos aus China

AUTO-SPECIAL

GWM: Bezahlbare Wasserstoffautos aus China

Während sich in Deutschland die Mobilität noch im Umbruch zum Elektroauto befindet, wird in China bereits an der nächsten großen Offensive gearbeitet: der Wasserstoffantrieb für Autos - und das …


Motorsport-Total.com

TOP ARTIKEL
VW Golf R 2024: Power-Spritze zum 50sten
VW Golf R 2024: Power-Spritze zum 50sten
BYD Seal U Test: Kampfpreis - das macht den Unterschied
BYD Seal U Test: Kampfpreis - das macht den …
GWM WEY 03 Test: Plug-in-Hybrid mit Mega-Reichweite
GWM WEY 03 Test: Plug-in-Hybrid mit …
News-Abo
Jeden Morgen kostenlos per E-Mail:
Aktuelle Artikel
Bridgestone Turanza 6: Sommerreifen für weniger Verbrauch
Bridgestone Turanza 6: Sommerreifen für weniger …
VW ID.7 GTX Tourer: Alle Infos - der erste Check
VW ID.7 GTX Tourer: Alle Infos - der erste Check
VW Golf R 2024: Power-Spritze zum 50sten
VW Golf R 2024: Power-Spritze zum 50sten
World Car of the Year 2024: Die Top 3 ist enthüllt
World Car of the Year 2024: Die Top 3 ist enthüllt
GWM: Bezahlbare Wasserstoffautos aus China
GWM: Bezahlbare Wasserstoffautos aus China


Speed Heads - Sportwagen- und Auto-Magazin

Das Auto und Sportwagen Magazin mit täglich aktualisierten Auto News, Motorsport News, Auto Tests, Sportwagen Berichten und der streng geheimen Auto Zukunft. Speed Heads ist die Community für echte Auto-Fans und informiert im Sportwagen Magazin über Neuigkeiten aus der Welt der schnellen Autos.

  • emotiondrive Logo
  • World Car Awards Logo
  • Motorsport Total Logo