Gewagte Formel-1-Thesen 2015: Was die Experten sagen (1/2)

, 09.12.2015

Hat Mercedes die letzten Rennen manipuliert? Gehört Kimi Räikkönen noch zu den besten fünf Fahrern? Experten gehen den wichtigsten Thesen 2015 auf den Grund...

Die Formel-1-Saison 2015 ist Geschichte, und auch wenn das WM-Duell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg früh entschieden war, gab es doch zahlreiche spannende Themen, teilweise abseits der Rennstrecke, die polarisiert und für heiße Diskussionen gesorgt haben. Genau diese Themen greifen wir in einem zweiteiligen Feature für unseren Jahresrückblick noch einmal auf.

Wir haben 19 (also genauso viele, wie die Saison Rennen hatte) Thesen aufgestellt, teilweise sehr provokant formuliert, und haben anerkannte Formel-1-Experten damit konfrontiert. Diese hatten die Gelegenheit, die Thesen mit "Stimmt, weil..." oder "Stimmt nicht, weil..." zu kommentieren - und ihre Meinung kompakt zu begründen. Das Ergebnis ist hochinteressant, bringt teilweise spannende Gedankenansätze zutage und liefert unseren Usern sicher Stoff für weitere Diskussionen. Aber lesen Sie selbst!

These #1: Mercedes hat dafür gesorgt, dass Nico Rosberg die letzten drei Rennen gewinnt.

Eine der beliebtesten Thesen in diversen Internetforen und auf Motorsport-Stammtischen ist, dass Nico Rosberg den Hattrick am Saisonende in erster Linie geschafft hat, weil die Mercedes-Teamführung das so wollte. Gezieltes Manipulieren, um Nico Rosberg rechtzeitig vor dem Winter eine dringend notwendige Moralinjektion zu verpassen und Lewis Hamilton, der schon abzuheben drohte, wieder auf den Boden der Realität zurückzuholen?

Stimmt, glaubt unser Stellvertretender Chefredakteur Roman Wittemeier, "weil nur auf diesem Weg gleich beiden Fahrern neue Motivation eingehaucht werden konnte". Und: "Weil die cleverste Manipulation gerade die sein kann, die am offensichtlichsten ist. Renaults Betrug in Singapur ('Crash-gate') wäre nie aufgeflogen, wenn Flavio Briatore schlau genug gewesen wäre, Nelson Piquet jun. und vor allem dessen Vater nicht zu vergrämen", argumentiert unser Chefredakteur Christian Nimmervoll. Aber mit dieser Meinung stehen die beiden relativ alleine da.

Stimmt nicht, sagt der ehemalige Formel-1-Fahrer Timo Glock, weil eine Manipulation "zu viele Personen im Team mitkriegen" würden und Manipulationen "immer irgendwie an die Oberfläche kommen". "Weil wir immer noch nicht beim Wrestling sind", glaubt Journalist Ralf Bach von der 'Sport Bild' nicht an ein geschicktes Eingreifen von Toto Wolff und Niki Lauda, und Felix Görner vom TV-Sender RTL hält fest, dass es sich Mercedes "nicht leisten kann, so einzugreifen. Eher hat Hamilton nach Gewinn der Weltmeisterschaft ein paar Prozente nachgelassen."

ServusTV-Moderator Andreas Gröbl glaubt nicht an die Verschwörungstheorie, "weil Lewis Hamilton bei so einem Theater nie mitgespielt hätte. Die Strategie-Raunzerei in Brasilien und Abu Dhabi sagt ohnehin alles." Ganz ähnlich die Argumentation unseres Vor-Ort-Reporters Dieter Rencken: "Stimmt nicht, sonst hätte Lewis Hamilton nicht so verstört dreingeschaut. Außerdem kann der Qualifying-Speed nicht gedrosselt werden. Es ist ganz einfach: Nico hat seinen Kopf sortiert. Zu spät."

These #2: Toto Wolff und Niki Lauda haben weniger zur Mercedes-Dominanz beigetragen als Ross Brawn.

Ja, Mercedes gewinnt die Formel 1 seit 2014 in Grund und Boden, aber ist das wirklich in erster Linie der Verdienst von Toto Wolff und Niki Lauda, die Anfang 2013 zu den Silberpfeilen gestoßen sind? Oder ernten die beiden nur die Früchte, die noch ihre Vorgänger gesät haben? Ross Brawn war es, der wichtiges Schlüsselpersonal verpflichtet hat (letztendlich auch Lewis Hamilton, dessen Wechsel oft Lauda angerechnet wird) - und dass Mercedes heute den besten Antrieb hat, liegt vor allem daran, dass schon 2012, als Wolff und Lauda noch weit weg waren, am meisten Geld in das Projekt gesteckt wurde.

Aber Journalist Michael Noir Trawniczek von motorline.cc hält diese These für "Unfug. Sicher haben Ross Brawn und auch ein Michael Schumacher Vorarbeit geleistet. Davon haben alle - von Wolff über Lauda bis hin zu Hamilton - profitiert. Und werden es, dank des dummerweise keine Flexibilität erlaubenden Reglements, weiterhin tun."

Felix Görner (RTL) unterstreicht, dass man in puncto Aufbauarbeit auch Rosbergs Rolle nicht vergessen darf. Hamilton habe sich seiner Meinung nach "klug ins gemachte Nest gesetzt - zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Toto Wolffs und Niki Laudas Leistung ist, konsequent weiterentwickelt und die richtigen Leute verpflichtet zu haben." Auf den Punkt gebracht: "Derjenige, der den Baum gepflanzt hat, ist genauso wichtig wie derjenige, der ihn zum Wachsen bringt."

Auch Andreas Gröbl (ServusTV) stellt sich auf die Seite der Mehrheit. Er glaubt an Wolffs und Laudas wichtige Rolle, und das nicht nur, weil die beiden (wie er selbst) Österreicher sind: "Unbestritten, welche Aufbauarbeit Brawn geleistet hat. Aber das verpufft in sechs Monaten, wenn man schlecht führt. Siehe McLaren. Die waren 2012 in Abu Dhabi noch das dominierende Auto. Und ich habe nicht das Gefühl, dass Ross Brawn vielen im Fahrerlager persönlich abgeht."

Somit bleibt es an Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) hängen, wie der ehemalige Formel-1-Teamchef Colin Kolles die These zu vertreten, dass Wolff und Lauda in erster Linie Glück hatten: "Ross Brawn hat das Fundament gebaut, genau wie zuvor schon bei Ferrari und Brawn/Honda. Um zu verstehen, wie Mercedes ohne Brawns Vorleistung aussehen würde, muss man sich nur Niki Laudas an Komik grenzenden Versuch in Erinnerung rufen, das Jaguar-Team zu führen."

These #3: "Cap-gate" war eine bewusste Provokation von Lewis Hamilton, um Nico Rosberg klar zu zeigen: "Ich bin die #1, du nur die #2."

Eine zugegeben gewagte These, die am Austin-Wochenende von TV-Journalist Ted Kravitz propagiert wurde. Aber sie stimmt laut Felix Görner (RTL), "weil Hamilton alle Psychospielchen eines Weltmeisters beherrscht. Siehe Vettel, Schumacher, Alonso, Senna, etc. Immer zeigen, wo der Hammer hängt und wer ihn in der Hand hat!" Und auch Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) glaubt daran, "weil sich beide das ganze Jahr hindurch Nadelstiche verpasst haben, wie Toto Wolff zugibt. Das war ein weiteres Beispiel."

In der Überzahl sind aber diejenigen, die der These nicht zustimmen. "Weil Lewis gar nicht so hintergründig denken kann", wie Ralf Bach (Sport Bild) vermutet, oder "weil Lewis in der kindlichen Euphorie des Sieges nie so eine geplante Aktion zustande bringen würde", wie Andreas Gröbl (ServusTV) vermutet. Gröbl findet "Cap-gate" aber aus einer anderen Perspektive signifikant: "Es war ein Statement von Nico, der damit gesagt hat: 'Ich bin nicht dein Spielzeug. Verarsch wen anderen!'"

Timo Glock hat sich die Situation genau angeschaut und glaubt ebenfalls nicht an ein kalkuliertes Psychospielchen des Weltmeisters: "Lewis steht vor den Kappen #1, #2, #3, nimmt seine Kappe und schmeißt Nico die Kappe mit der #2 hin. Im gleichen Moment gibt er auch Vettel die Kappe mit der #3. Lewis hat einfach nur 'freundlich' die Kappe hingeschmissen, und das fand Nico halt nicht so geil."

Glock bringt eine andere Verschwörungstheorie ins Spiel, nämlich die, dass "Cap-gate" zwar im ersten Moment keine bewusste Aktion von Hamilton war, im Nachhinein aber bewusst als solche dargestellt wurde: "In meinen Augen hat er es einfach nur gemacht, weil halt da die Kappen lagen, und er hat sich null dabei gedacht. Aber dann irgendwann, als dieses Thema aufkam, hat er es vielleicht clever gespielt."

These #4: Nico Rosberg ist sympathischer als Lewis Hamilton.

Diese These entspringt naturgemäß in hohem Maße einem subjektiven Empfinden des Betrachters, und ebenso naturgemäß fallen die Antworten darauf in Deutschland sicher anders aus als in Großbritannien. Roman Wittemeier (Motorsport-Total.com & Formel1.de) findet aber "beide auf ihre eigene Art authentisch", außerdem spiele "das Thema Sympathie im harten Wettbewerb der Formel 1 keine große Rolle". Interessanterweise gibt es aber keinen einzigen Befragten, der Hamilton dezidiert sympathischer findet als Rosberg.

Umgekehrt gibt es hingegen einige, die sich klar bekennen, zum Beispiel Christian Nimmervoll (Motorsport-Total.com & Formel1.de): "Unter Sympathie verstehe ich, mit wem ich lieber abends auf ein Glas Wein gehen möchte. Und da kann ich mir eher vorstellen, mit Nico eine gemütliche und bodenständige Zeit zu verbringen als im Privatjet von Lewis mit irgendwelchen Rapper-Sternchen abzuhängen, die mir völlig fremd sind. Reich und berühmt zu sein und das auch stolz zu präsentieren, ist eine Charaktereigenschaft, die mir zuwider ist. Aber mir das Meine - und jedem das Seine."

Ganz ähnlich sieht es Andreas Gröbl (ServusTV), für den Hamilton mittlerweile "zum Kunstprodukt mutiert" ist: "Immer, wenn Menschen von sich selbst als lebende Legende zu reden beginnen, sollten die Alarmglocken läuten. Beide sind im Herzen gute Jungs und haben das Herz am rechten Fleck. Aber der Gedanke an Lewis' Gangsta-Entourage und seine sabbernden Mops-Hunde hat mich bisher immer vom Gedanken eines gemeinsamen Urlaubs abgehalten."

Felix Görner (RTL) findet Rosberg sympathischer "weil er bessere Manieren hat, charmant ist und ehrlicher verlieren kann". Und Gerhard Kuntschik von den Salzburger Nachrichten findet "Nico pflegeleichter, Lewis exzentrischer". Letztendlich ist es aus Sicht von uns Medienschaffenden wohl ein großer Gewinn, dass die beiden größten sportlichen Kontrahenten nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch abseits völlig unterschiedlich sind und für Spannungen sorgen.

These #5: Ferrari wäre mit Fernando Alonso 2015 genauso erfolgreich gewesen wie mit Sebastian Vettel.

Bei dieser These sind sich alle Experten einig: "Sebastian lebt für Ferrari und bringt so viel frischen Wind rein. Er macht das sehr gut und clever. Deswegen glaube ich, dass er zum Erfolg, den Ferrari jetzt hat, einen großen Teil beiträgt", sagt Timo Glock. Auch Ralf Bach (Sport Bild) stimmt zu, "weil Fernando Alonso der Feuereifer gefehlt hätte". Und laut Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) "weiß man nicht, wie Alonso mit der neuen Führung harmoniert hätte und ob das Auto auf ihn so zugeschnitten gewesen wäre wie auf Vettel".

Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) glaubt, dass Alonso ein "destruktiver Einfluss" beim Wiederaufbau des Ferrari-Teams gewesen wäre. "Weil er Menschen zu wenig positiv verbinden und so einen Teamgeist erzeugen kann wie Vettel", wie Felix Görner (RTL) ergänzt. "Um ein Team hinter sich zu bekommen, muss man einen Zusammenhalt erzeugen, vor allem in schlechten Zeiten. Siehe Michael Schumacher, der Jean Todts Job gerettet hat, als der Wind frontal blies. Gegenwind aushalten, damit Rückenwind entsteht."

"Ferrari", ergänzt Andreas Gröbl (ServusTV), "wäre mit dem Fernando Alonso von 2010 genauso erfolgreich gewesen wie mit Vettel. Aber mit dem Alonso von 2014 nicht mehr. Das hat nichts mit dem Fahrerischen zu tun. Aber wenn man seine Crew mal vor der ganzen Welt am Boxenfunk als Idioten (oder 'Genies', wie er bis heute behauptet) bezeichnet hat, dann ist leider Feierabend. Das hätte auch Arrivabene nicht mehr kitten können."

These #6: Kimi Räikkönen gehört nicht zu den fünf besten Fahrern der Formel 1.

Der "Iceman" galt einst als Formel-1-Wunderkind, als er von Peter Sauber 2001 nach gerade mal 23 Autorennen ins Grand-Prix-Cockpit geholt wurde. Bei McLaren war er legitimer Nachfolger seines Landsmannes Mika Häkkinen - aber 2003 und 2005 verpasste er den WM-Titel knapp. Mit der Formel-1-Krone klappte es erst 2007 bei Ferrari. "Und selbst da hat es 'Crash-gate' gebraucht, um mit knappem Vorsprung zu gewinnen", kritisiert Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de).

Eine Meinung, mit der unser Vor-Ort-Reporter keineswegs exklusiv vertritt: "Um einer der Besten zu sein, muss ich unter allen Umständen und in allen Situationen das Beste geben und darf nicht bei kleinsten Missständen sofort missmutig und launisch sein", pflichtet Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) bei. Felix Görner (RTL) findet es indes ganz "natürlich", dass Räikkönens Stern langsam sinkt: "36 Jahre alt. Da wird der Biss lockerer, der Racer langsamer."

Für Timo Glock hingegen gehört Räikkönen immer noch zu den Top 5 - und Michael Noir Trawniczek (motorline.cc) begründet das ganz pragmatisch: "Weil er Platz vier der Fahrer-Weltmeisterschaft belegt. Lasst doch Kimi in Ruhe. Seien wir froh, dass er fährt!" Auch Ralf Bach (Sport Bild) findet, dass die These nicht stimmt, "weil Kimis Coolness ein wichtiges Kriterium ist".

Andreas Gröbl (ServusTV) sieht derzeit nur vier Fahrer, "die Kimi unter gleichen Bedingungen einen Tick überlegen sind. Die vier Übernatürlichen der Formel 1: Alonso, Vettel, Hamilton, Verstappen. Dann kommt aus meiner Sicht Kimi, der an einem guten Tag auch alle vier verbläst. Nur leider werden die guten Tage von Jahr zu Jahr etwas weniger." Für einen Sieg hat es 2015 jedenfalls nicht mehr gereicht - obwohl Sebastian Vettel im gleichen Auto dreimal bewiesen hat, dass das möglich war.

These #7: Red Bull ist am Motorenschlamassel selbst schuld.

Am Ende ist ja doch noch alles gut gegangen: Red Bull bleibt mit beiden Teams in der Formel 1, hat Renault-Motoren für das A- und Ferrari-Power für das B-Team an Land gezogen. Aber der Weg, der zu den als Tag Heuer getarnten Renault-Antrieben für Red Bull Racing geführt hat, war steinig. Das hatte sich Red Bull selbst zuzuschreiben, finden die Experten in überwiegender Mehrheit - Handschlag zwischen Dietrich Mateschitz und Niki Lauda hin oder her.

Die einzige Gegenstimme kommt von Ralf Bach (Sport Bild), der findet, dass Red Bull "einfach gemobbt wurde". Andreas Gröbl (ServusTV) ergänzt: "Die Trennung von Renault ist erklärbar und rational begründbar. Nicht aber, dass man aus atmosphärischen Gründen zwischen allen Stühlen durchfällt, obwohl man mächtige Fürsprecher hat. Red Bull zahlt den Preis für jahrelange Dominanz durch heftigen Einsatz von Ellbogen."

Felix Görner (RTL) widerspricht mit einer Analogie: "Man sollte sich nicht von der Ehefrau (Renault) trennen, bevor die junge Geliebte (Mercedes/Ferrari) wirklich ja gesagt hat. Ein Eigentor." Das sieht Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten), ein intimer Kenner des Mateschitz-Imperiums, genauso: "Ich kann nicht einen Letter of Intent schreiben, dass ich kündigen will, wenn ich nicht wirklich sicher bin, dass ich etwas anderes habe."

Ein weiterer Faktor ist laut Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de), dass Red Bull den Partner Renault "nonstop" kritisiert hat, ohne eine Alternative vorweisen zu können. "Dafür muss eigentlich mindestens ein Kopf rollen", findet unser Vor-Ort-Reporter. Timo Glock schlägt in die gleiche Kerbe und verweist auf Renaults Verdienste in der Vergangenheit: Es sei nicht richtig, einen Partner "abzuwatschen, mit dem man die Formel 1 vier Jahre lang dominiert hat. Zumal Renault "mit dem angeblasenen Diffusor viel zum Erfolg beigetragen hat".

These #8: Der wahre Teamchef bei Red Bull ist Helmut Marko, nicht Christian Horner.

"Der wahre Teamchef bei Red Bull", argumentiert Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de), "ist Dietrich Mateschitz. Das hat das Motorenschlamassel gezeigt." Aber ob Mateschitz oder Marko, in einem sind sich alle einig: Wenn es um die großen strategischen Entscheidungen geht, ist Christian Horner nicht der wahre Teamchef, sondern nur "Befehlsempfänger" und Ausführer, wie es Ralf Bach (Sport Bild) ausdrückt.

Bei Spekulationen, wonach Horner eines Tages Bernie Ecclestone (bei dessen Hochzeit er Trauzeuge war) nachfolgen könnte, beginnen die meisten Experten milde zu lächeln. Eher finden sie, dass er selbst bei Red Bull "nur das verwaltet, was ihm Dietrich Mateschitz über die Person Helmut Marko zur Verfügung stellt", wie es Roman Wittemeier (Motorsport-Total.com & Formel1.de) formuliert.

Mateschitz-Kenner Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) stimmt der These zu, "weil Marko den wesentlich größeren Einfluss auf Mateschitz hat". Operativ, was die Führung der Mitarbeiter in Milton Keynes angeht, sei aber Horner wichtiger: "Wenn der Herr Horner dort nicht wäre, sondern der Herr Doktor Marko, hätten die dort schon vor Jahren den Aufstand gemacht." Laut Andreas Gröbl (ServusTV) ist für den Erfolg ohnehin nur wichtig, "dass beide Racer sind und gleich ticken. Sonst könnte man ja gleich einen ehemaligen Rod-Stewart-Saxofonisten zum Teamchef machen."

These #9: Nico Hülkenberg wird nie für ein Siegerteam fahren.

Die Reihe der "ewigen Talente" in der Formel 1 ist lang - selbst aus den vergangenen paar Jahren fallen einem spontan Rubens Barrichello, Giancarlo Fisichella oder auch Jarno Trulli ein, die allesamt als angehende Weltmeister gehandelt wurden, letztendlich aber nie den ganz großen Durchbruch geschafft haben. Während die drei zumindest Grands Prix gewonnen haben, saß Nico Hülkenberg bisher noch nie in einem echten Siegerauto.

Sechs Jahre lang fährt der 28-Jährige nun schon Formel 1, eines davon als Testfahrer. Mindestens einmal stand er in ernsthaften Verhandlungen mit Ferrari, aber die Geschichte zeigt in den meisten Fällen: Entweder klappt es sofort - oder nie. "Er wird immer im falschen Moment am falschen Platz sein", befürchtet Ralf Bach (Sport Bild). Und warum? "Weil sein Karriere-Management ständig zu kurz kommt", argumentiert Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de). "Gebt ihm einen Manager, der seinem Talent ebenbürtig ist, und die Situation wäre völlig anders."

"Eine Mischung aus fehlendem Netzwerk und schlechtem Timing", ortet auch Andreas Gröbl (ServusTV) die Schwachstelle Management. "Eigentlich eine Schande, denn wer einen Williams im ersten Jahr auf Pole stellen kann, sollte über jeden Zweifel erhaben sein. Ich würde es dem Nico sehr wünschen. Ich befürchte allerdings ein Nick-Heidfeld-Schicksal." Außerdem seien "die Plätze an der Sonne alle auf Jahre vergeben", und Force India werde "kaum zum Siegerteam mutieren".

Der bekennende WEC-Fan Gerhard Kuntschik sieht für Hülkenberg keinen Platz in einem Spitzenteam, "solange Rosberg und Vettel vorne dabei sind", findet aber, dass er sich mit dem Sieg auf Porsche in Le Mans mehr als trösten kann. Und so bleibt es an Timo Glock, die Flagge der Hoffnung hochzuhalten: "Nico macht einen guten Job und braucht nur das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wenn er das einmal hat, dann fährt er in einem Topteam."

These #10: Pastor Maldonado hat in einem Formel-1-Cockpit nichts verloren.

Der Lotus-Pilot ist der Inbegriff des negativ behafteten Ausdrucks "Paydriver" in der Formel 1. Böcke, über die man nur den Kopf schütteln kann, hat er schon in den Nachwuchsformeln abgeliefert - aber auch herausragende Rennen, in denen ihn niemand hätte schlagen können. Die Glanzlichter sind 2015 gänzlich ausgeblieben, die Crashes hingegen nicht - was Pastor Maldonado zu einem zweifelhaften Image als Social-Media-Lachfigur verholfen hat.

Den Gegensatz seines Daseins als Rennfahrer bringt eine SMS von Christian Nimmervoll (Motorsport-Total.com & Formel1.de) an den damaligen Williams-Boss Toto Wolff auf den Punkt, abgeschickt am Abend von Maldonados bisher einzigem Grand-Prix-Sieg in Barcelona 2012: "Zu Pastor muss man euch gratulieren. Bringt einen Haufen Kohle und ist sauschnell - besser kann man es als Team nicht machen!"

Aber wer zu Maldonado A sagt, muss auch B sagen. "Die Sponsorenmillionen von PDVSA gleichen mal eben so die Reparaturrechnungen nach seinen selbstverschuldeten Crashs aus", sagt Roman Wittemeier (Motorsport-Total.com & Formel1.de). "Vom Talent her kann er schnell Autofahren, aber zu oft auch in die Wand", ergänzt Timo Glock. "Er liefert auch mal ab, aber viel zu wenig. Er produziert genügend Schrott und hat jede Menge Mitgift. Deswegen sitzt er in einem Formel-1-Auto."

"Rein vom Fahrerischen her würde ich ihn nie nehmen", erklärt Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten). Gleichzeitig kann er aber verstehen, dass der Venezolaner immer wieder ein Cockpit findet, und zwar "aus der Perspektive eines Teamchefs, dem finanziell das Wasser bis zum Hals steht und der jeden Rettungsanker ergreift, den er finden kann". Oder, wie es Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) drastisch formuliert: "Ohne die 50 Millionen von seiner bankrotten Regierung würde er selbst in der GP2 kaum unterkommen."

Maldonado hat aber auch seine Fürsprecher, die gegen die These argumentieren. Für Andreas Gröbl (ServusTV) zum Beispiel hat er die Frage "damals in Barcelona klar beantwortet. Punkt, aus." Und Michael Noir Trawniczek (motorline.cc) findet darüber hinaus, dass der Lotus-Fahrer die Formel 1 als Typ bereichert: "Ich halte ihn für einen eigenen Charakter. Also lang lebe Pastor Maldonado in der Formel 1!"

Den zweiten Teil unseres Thesen-Features können Sie morgen auf unserem Portal nachlesen.

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